Träume - Spiegel der Seele, Krankheiten - Signale der Seele. Reinhold Ruthe
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»Zwar steht für mich unerschütterlich fest, dass es nichts gibt, durch dessen Berührung der Mensch vor Gott unrein wird. Ich kann mich dafür auf Jesus, den Herrn, berufen. Aber wenn einer davon überzeugt ist, dass ihn etwas unrein macht, dann ist es für ihn auch unrein.« (Römer 14,14)
Auch Paulus ist der Meinung:
Unsere Überzeugungen bestimmen unser Verhalten,
unsere Meinungen beeinflussen unser Tun,
unsere Urteile und Vorurteile spiegeln sich im Leben wider.
Ich kann auch sagen: »Sag mir, was du tust, und ich sage dir, was du gedacht hast!«
Wir Menschen sind eins. Denken, Fühlen und Verhalten sind untereinander verzahnt. Bewusstes und Unbewusstes sind eine Einheit. Und weil das so ist, sind Träume besonders interessant. Hier kommen
Denkmuster,
Gefühlseinstellungen und
Verhaltenseigenarten ans Licht.
Das Unbewusste ist das Unverstandene,
das Nicht-Zugelassene,
das Verdrängte,
das Vergessene,
das mir Unangenehme,
das Eigentliche, wo unzensiert und ungestört unsere wirklichen Lebensüberzeugungen ans Licht kommen.
Der Traum, der im Wesentlichen unbewusste Überzeugungen verdeutlicht, ist darum ein Schlüssel zum Zentrum unserer Persönlichkeit.
Alfred Adler hat den Begriff tendenziöse Apperzeption geprägt (subjektive Wahrnehmung). Er schreibt:
»Es ist für mich außer Zweifel, dass jeder sich im Leben so verhält, als ob er über seine Kraft und über seine Fähigkeiten eine ganz bestimmte Meinung hätte; ebenso als ob er über die Schwierigkeiten oder Leichtigkeit eines vorliegenden Falles schon bei Beginn seiner Handlung im Klaren wäre; kurz, dass sein Verhalten seiner Meinung entspricht.«1
Meine tendenziöse Apperzeption meint also meine subjektive Wahrnehmung, meine Wahrnehmungsverzerrung, meine Lebenserfahrung, die ich gewonnen und mir zugelegt habe. Die gemachten Lebenserfahrungen sind Bausteine meines Lebensstils. Der Lebensstil ist das Wahrnehmungsschema meiner Persönlichkeit. Lebenserfahrungen mit Eltern, Großeltern, Nachbarn und Geschwistern haben meine Lebensüberzeugungen (meinen Lebensstil) geprägt.
Eine Reihe dieser Überzeugungen können wir formulieren, andere liegen im Dunkeln, im Unbewussten, sie sind unverstanden. Diese Wahrnehmungen können richtig, halbrichtig, falsch oder verzerrt sein. Sie bestimmen unser Leben, und wir heben sie im Traum ins Licht.
Viele Träume verraten unsere religiöse Einstellung
Nicht alle Träume haben einen religiösen Kern. Aber viele offenbaren Zweifel oder Vertrauen, Geborgenheit oder Unfriede. Unsere religiösen Empfindungen setzen wir in den Vorstellungsmustern unseres Herzens ins Bild.
Wenn der Glaube an den lebendigen Gott und Christus unser Denken, Fühlen und Handeln bestimmt, muss auch im Traum diese Beziehung zur Sprache kommen. C. G. Jung schilderte einen eigenen Traum, der überdeutlich seine religiöse Einstellung charakterisiert:
»Der Traum, das bin ich.«
»Auf einer kleinen Straße ging ich durch die hügelige Landschaft. Die Sonne schien, und ich hatte einen weiten Ausblick ringsum. Da kam ich an eine kleine Wegkapelle. Die Tür war angelehnt, und ich ging hinein. Zu meinem Erstaunen befand sich auf dem Altar kein Muttergottesbild und auch kein Kruzifix, sondern nur ein Arrangement aus herrlichen Blumen. Dann aber sah ich, dass vor dem Altar, auf dem Boden, mir zugewandt, ein Yogin saß im Lotussitz und in tiefer Versenkung. Als ich ihn näher anschaute, erkannte ich, dass er mein Gesicht hatte. Ich erschrak zutiefst und erwachte an dem Gedanken: Ach so, das ist der, der mich meditiert. Er hat einen Traum, und das bin ich. Ich wusste, dass, wenn er erwacht, ich nicht mehr sein werde.«2
Was bringt der Traum zur Sprache?
Jung schreibt ausdrücklich über diesen Traum: »Der Traum, das bin ich.« Alles, was er zur Sprache bringt, charakterisiert seine Lebens-Grundüberzeugung.
Jung hat einen »weiten Ausblick ringsum«. Er war in der Tat kein engstirniger Denker. Sein Weitblick hat die Psychologie bereichert. Ringsum hat er Dinge aus Ost und West in sein System integriert.
Auf seinem Lebensweg spielt die Kapelle, die von Christen erstellt ist, eine Rolle. Jung wird allgemein als der Religiöseste unter den drei Tiefenpsychologen (Freud, Adler und Jung) bezeichnet. Die Kapelle, das Gotteshaus, zieht ihn an. Er geht nicht daran vorbei, er geht hinein. Er setzt sich mit dem Christentum ernsthaft auseinander. Jung kann seine Herkunft nicht verleugnen. Sein Vater war Pfarrer.
Was zutiefst sein Glaubensleben kennzeichnet, kommt in den nächsten Sätzen zur Sprache. Der Altar, der Ort der Gegenwart Gottes, auf dem in einer Wegkapelle normalerweise ein Kruzifix oder ein Muttergottesbild stehen, wird von Jung mit einem »Arrangement aus herrlichen Blumen« geschmückt. Das Kreuz und der Gekreuzigte, Zentrum des christlichen Glaubens, sind verschwunden. Jung hat sie vom Altar entfernt. Heißt das nicht, dass er sie aus seinem Denken und Leben entfernt hat?
Östliche Weisheit und östliches Gedankengut haben im Leben des Psychiaters und Psychologen Jung eine große Rolle gespielt. Im Traum kommt das zur Sprache; die christliche Symbolik ist nur noch in der Hülle der Kapelle vorhanden. Gefüllt wird das Gotteshaus mit dem Yogin, der mit dem Rücken zum Altar auf dem Boden sitzt.
Jung erkennt sich im Yogin (Yogi) wieder. Er trägt sein Gesicht. Er meditiert nicht das Kreuz und biblische Wahrheit. Das gebrochene Verhältnis zum Christentum kommt bei Jung zum Ausdruck. In der Tat: Der Traum, das bin ich.
Der Traum – die Vorbereitung auf das Morgen
Im Traum spielen Affekte und Gefühle eine große Rolle. Sie haben ein stärkeres Gewicht als die Intellektualität. Ungehemmt von Rücksichten auf Sachlichkeit und Logik nimmt der Träumer zu aktuellen Fragen seines Lebens Stellung.
Viele Träume bestätigen, dass es um entscheidende Ereignisse geht, die in naher Zukunft anstehen. Es geht um Prüfungen, die bestanden, um Entschlüsse, die gefasst, um Aufgaben, die gelöst und bewältigt werden wollen. Der Traum spiegelt von daher unser »Bewegungsgesetz« wider, wie Alfred Adler die Grundmuster nennt, die wir in der Kindheit entwickelt und trainiert haben. Das »Bewegungsgesetz« (vgl. S. 54 – 57) enthält unsere grundsätzlichen Zielvorstellungen, unsere Ansichten, wie wir Aufgaben anpacken, wie wir Verantwortung wahrnehmen, also die Art, wie wir das Leben meistern. Adler sieht im Traum eine Bewegung vom Heute zum Morgen.
Eine depressive Patientin, die eine lange seelsorgerlich-therapeutische Begleitung erfahren hat, träumt gegen Ende der Beratung:
»Ich sitze im Garten allein auf der Bank. Mir ist unwohl. Plötzlich kommt ein