Träume - Spiegel der Seele, Krankheiten - Signale der Seele. Reinhold Ruthe
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Die Träumerin wollte sich in der Depression von ihrem Mann trennen, von dem sie sich im Stich gelassen fühlte. Schon vor Monaten war sie ausgezogen und wohnte bei ihrer Schwester. Im Traum trifft sie eine neue Entscheidung. Sie sieht sich selbst auf die Bank im Garten abgeschoben und allein gelassen. Die Träumerin erkennt, dass sie selbst aus eigenen Stücken die Bank im Garten ausgesucht hat. Sie selbst hat Haus und Ehe verlassen.
Der Traum beschert ihr ein Gewitter, sie deutet es als die Bedrohung von draußen, als Widrigkeit des Lebens. Im Gewitter sind bildlich alle Stürme des Lebens gedeutet, die ihr auf der Bank schutzlos und allein widerfahren. Sie rennt ins Haus, in die Geborgenheit, die sie vor Monaten verzweifelt hinter sich gelassen hat. Die Trennung und die seelsorgerlichen Gespräche haben sie reifer gemacht. Die Ehe kann sie weniger erregt aus der Distanz beleuchten. Sie kann ihre Vorurteile als solche akzeptieren.
Der Traum signalisiert ihr, dass sie ihrem Mann eine »Gehilfin« sein will, eine Mitstreiterin. Der Mann zeigt ihr nicht die kalte Schulter, sondern freut sich. So empfindet sie es in ihrem Traum, in ihrem Herzen. Die Arbeit des Mannes, die ihr in der Depression zum Horror wurde, wertet sie im Traum mit anderen Augen. Sie hat in der Tat eine tief greifende Veränderung erfahren.
Die junge Frau, die in der Depression glaubensmäßig stark angefochten war, erkennt im Traum Gottes Weisung. Der Traum vermittelt ihr mit unwiderlegbarer Gewissheit, dass sie die Ehe wieder aufnehmen soll.
Für den Beratungsprozess hat dieser Traum noch eine weitere Bedeutung. Er zeigt, dass die Ratsuchende sich geändert hat. Ihr Lebensstil ist korrigiert worden. Diese Frau hat Einsichten in die Tat umgesetzt. Der Traum, der einen Einblick in die Abgründe des Herzens offen legt, demonstriert, dass sie ihre Fehler und Sünden eingesehen hat.
Träume verdeutlichen, ob Änderungswünsche Wirklichkeit geworden sind. Seelsorger und Berater erhalten unaufgefordert eine Bestätigung, wie effektiv der Beratungsprozess verlaufen ist.
Der Traum offenbart unsere Lebenslügen
Was können Christen selbst tun, um dem Traum gerecht zu werden? Wie können wir uns davor schützen, zweifelharten Wunschbildern Glauben zu schenken? Der Lebensstil, der im Traum zur Sprache kommt, macht deutlich, welche Lebens-Grundüberzeugungen wir hegen und welchen Wunschbildern wir nachhängen. Der Traum steht niemals für sich. Er muss mit den Leitmotiven im Leben konfrontiert werden.
Wir verdrängen den Traum nicht und halten ihn nicht für phantastische und chaotische Gedankenfetzen ohne Sinn und Verstand. Wir trauen Gott zu, dass er uns durch Träume ermutigt, bestätigt, warnt und unsere geheimsten und verstecktesten Wünsche, die in uns schlummern, ans Licht bringt. Auch trauen wir Gott zu, dass er uns im Traum unsere Konflikte, unsere Spannungen und unsere Vorurteile bewusst macht, die wir dann in seiner Kraft korrigieren können. Wir rechnen damit, dass Gott uns einen Spiegel vorhält, um uns mit dem Schatten und den uns verborgenen Seiten unserer Persönlichkeit zu konfrontieren.
Ein schlichter und eindrücklicher Traum mag das verdeutlichen:
»Ich bin auf einer Party. Eine Reihe Männer und Frauen stehen im Raum herum und unterhalten sich. Ich stehe in einer Ecke allein.
Dann wird eine Torte von einem Bediensteten herumgereicht. Jeder bekommt ein Stück. Ich beobachte gespannt die Szene. Als der Tortenteller in meine Nähe kommt, ist kein Stück mehr drauf.«
Der Ratsuchende wacht auf und spürt körperliche Schmerzen einer schweren Kränkung.
Ich: »Wie ist Ihr Hauptgefühl an der dichtesten Stelle dieses Traumes?«
Sofort platzt es aus ihm heraus: »Ich komme zu kurz. Ich werde benachteiligt. Mein Hauptgefühl ist, ich werde ungerecht behandelt.«
Ich: »Spiegelt sich dieses Lebensgefühl heute und hier in Ihrem Leben wider?«
Er: »Meines Erachtens überall. Was ich auch anstelle, ich werde das Gefühl nicht los, man behandelt mich ungerecht.«
Der Traum spiegelt das subjektive Lebensgrundgefühl dieses Mannes wider. In einem symbolträchtigen Bild wird ein zentrales Lebensproblem komprimiert.
Eine alte, schmerzliche Wunde, die nicht verheilt ist, prägt diesen Ratsuchenden. Diese Wunde wurde zur Lebenslüge, zu einer Behauptung, die mit der Realität nicht übereinstimmt, aber sein ganzes Leben beeinflusst. Er glaubt felsenfest an die Zurücksetzung. Das Tragische ist, dass er wie ein ungerecht Behandelter reagiert. Seine zwischenmenschlichen Beziehungen mit Männern und Frauen, besonders mit Frauen, verlaufen so, dass er überall eine Zurücksetzung wittert und wie ein schwer gekränkter Mensch zurückschlägt. Er wird jähzornig und verletzt andere Menschen. Viele Beziehungen kommen in die Krise, viele Begegnungen verlaufen für ihn belastend.
Der Ratsuchende kann den Traum als Fingerzeig Gottes aufnehmen, an dieser irrationalen Überzeugung und der Lebenslüge zu arbeiten. Denn erst was wir klar und eindeutig durchschaut haben, können wir konkret ins Gebet nehmen und ändern.
Träume offenbaren unsere Vorurteile und falschen Denkansätze. Wir trauen Gott zu, dass er die Lebenslügen, an die wir glauben, im Traum enthüllt.
Wir beten, dass Gott uns innere Klarheit über diese irrationalen Überzeugungen schenkt oder über einen Seelsorger uns die Augen öffnet, den irrigen Lebensstil zu erkennen und zu ändern. Mit dem Psalmbeter können wir beten:
»Herr, du durchschaust mich, du kennst mich durch und durch. Ob ich sitze oder stehe, du weißt es, du kennst meine Pläne von ferne … Durchforsche mich, Gott, sieh mir ins Herz, prüfe meine Wünsche und Gedanken! Und wenn ich in Gefahr bin, mich von dir zu entfernen, dann bring mich zurück auf den Weg zu dir!« (Psalm 139,1 – 2 und 23 – 24)
Ein solches Gebet um innere Erleuchtung, die der Heilige Geist dem Betenden schenken kann, wird Gott erhören.
Der Beter kann auch zusammen mit dem Seelsorger um innere Klarheit ringen.
Die Einsicht ist der erste Schritt, eine Kurskorrektur der Lebenslüge einzuleiten.
Mit der Himmelfahrt Jesu haben wir Christen die Verheißung, dass der Heilige Geist uns tröstet, für uns eintritt und Worte auch für das findet, was wir nicht ausdrücken können. Er wird uns helfen, unerklärliche Ängste und Befürchtungen, rätselhafte Depressionen und tief verwurzelte Vorurteile, die die Lebenskraft beeinträchtigen, zu erhellen und zu verändern.
Viele ernsthafte Christen lesen täglich in der Bibel. Sie suchen Weisung für ihr Leben und beten um Klarheit bei Problemen und unergründlichen seelischen Schwierigkeiten. Viele neigen unbewusst dazu, ihre unverstandenen Lebenslügen und ihre Neurosen, die Unwahrheit einschließen, dem Heiligen Geist zu öffnen. (Die Neurose kann auch eine Lebenslüge sein. Sie enthält eine uneingestandene, unbewusste Unwahrheit.)
Das Traumgeschehen, das wir in der Seelsorge betend miteinander bedenken, kann eine Hilfe sein, unseren Nöten, auch denen, die wir nicht wahrhaben wollen, ins Gesicht zu schauen.
KAPITEL 4
Begriffe in der Praxis der Traumdeutung
Die