Ideologie, Kultur, Rassismus. Stuart Hall

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Ideologie, Kultur, Rassismus - Stuart  Hall

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wird durch die »Krise« von 1851, durch Umschwünge und Umwege, durch Fortschritte und Rückschritte hindurch zur Reife gebracht und vollendet, zugunsten der sich entfaltenden kapitalistischen Kräfte der französischen Gesellschaft. Das ist die objektive Leistung der Revolution, die sie »auf der Reise durch das Fegefeuer« vollbringt (196).

      Der politische Klassenkampf hat also seine eigene Wirksamkeit, seine eigenen Formen und Existenzbedingungen, sein eigenes Moment, sein Tempo und seine Richtung, seine eigenen inneren Widersprüche, seine »eigentümlichen« Ergebnisse und Resultate. Auch wenn alles in letzter Instanz durch den Entwicklungsstand der materiellen und gesellschaftlichen Verhältnisse bestimmt ist, durch die sich die vorherrschende Produktionsweise reproduziert (wie auch die untergeordneten oder überlebenden Produktionsweisen, die in jeder konkreten Gesellschaft mit der in ihr vorherrschenden Produktionsweise verbunden existieren), können nur sehr wenige der tatsächlichen Verschiebungen in den politischen Beziehungen der Klassenkräfte dadurch entziffert werden, dass man sie auf die abstrakten Bedingungen des »Hauptwiderspruchs« reduziert. Das Politische ist mit der Ebene des Ökonomischen verknüpft; und beide sind – um die Unterscheidung ganz klar zu machen – durch die mit der »Produktionsweise« verbundenen Kräfte und Verhältnisse überdeterminiert (grundlegend durch sie konstituiert und in den möglichen Varianten und Ergebnissen durch sie begrenzt).

      Sie als etwas Unverbundenes zu betrachten, als etwas, was in keiner Weise miteinander »korrespondiert«, hieße das oberste Prinzip des historischen Materialismus aufzugeben: das Prinzip der Gesellschaftsformation als »komplexe Einheit«, als »Ensemble der Verhältnisse«. Zu dieser Artikulation aber kommt es nur über eine Reihe von Verschiebungen und Desartikulationen. Zwischen die Klassen, die in den ökonomischen Produktionsverhältnissen konstituiert werden – sei es in ihrer »reinen« Form (da, wo die Produktionsweise als ein analytischer Rahmen fungiert) oder ihrer konkret-historischen Form (wo sie in komplexen Formen auftreten, verbunden mit den Formationen früherer Produktionsweisen), tritt eine Reihe von Formen, Prozessen, Bedingungen und Voraussetzungen (die mit einem spezifischen Satz von nicht reduktiven Begriffen fassbar werden), die die Ebene des Politischen in einer Gesellschaftsformation »ausfüllen«. Die Repräsentation des »Ökonomischen« auf der Ebene des »Politischen« läuft über diese Formen und Prozesse. Ohne diesen Prozess, diesen komplexen Zusammenhang von Praxen des politischen Klassenkampfes gäbe es überhaupt keine »politische« Ebene. Und sobald der Klassenkampf auf der Bühne des politischen Klassenkampfes dem Prozess der »Repräsentation« unterworfen ist, verewigt sich diese Verbindung: Sie gehorcht nicht nur den auf sie wirkenden Determinationen, sondern auch einer eigenen, inneren Dynamik; sie hält sich an ihre eigenen, spezifischen Existenzbedingungen. Sie wird unumkehrbar. Diese Transformation ist es, die die notwendige Ebene des Politischen produziert und stützt. In dem Moment, in dem die Klassenkräfte als politische Klassenkräfte auftreten, haben sie politische Konsequenzen; sie bringen »Lösungen« hervor – Resultate, Ergebnisse, Konsequenzen –, die nicht in die Ausgangsbedingungen rückübersetzt werden können.

      Natürlich gewinnt der politische Klassenkampf seine einzelnen Elemente aus dem »Rohmaterial« der gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse – auf der Ebene der Produktionsweise. Und die politischen Resultate und Folgerungen, die auf der Ebene des Politischen »gewonnen« oder gesichert werden, dienen nicht nur dazu, »das Politische« als eine dauerhafte Praxis in jeder Gesellschaftsformation zu verankern – eine Praxis, die niemals mehr ein »leerer Ort« sein kann –, sondern sie wirken sich auch auf die Weiterentwicklung der Kräfte und Verhältnisse der materiellen Existenzbedingungen selbst aus. Das heißt, sie wirken auf das zurück, was sie konstituiert: sie haben ihre eigenen Wirkungen. Die spezifische politische Form, in der der »Kompromiss« mit dem Staatsstreich 1851 geschlossen wurde, ist sowohl für das Tempo als auch für den Charakter der kapitalistischen Entwicklung in Frankreich wichtig. Sie beeinflusst sowohl das politische als auch das ökonomische Leben der französischen Gesellschaft. Diese »Rückwirkung« der politisch-ideologischen Überbauten auf die »Basis« bewegt sich nicht in einem »luftleeren Raum«. Aber ihre genaue Richtung und Tendenz ist nicht ausschließlich durch die Kräfte und Verhältnisse an der Basis, sondern auch durch die Kräfte und Verhältnisse des politischen und ideologischen Kampfes vorgegeben und durch alles, was an ihnen spezifisch – relativ autonom – ist. Die Auswirkungen des Überbaus können auf die Entwicklung der Basis entweder fördernd oder behindernd »zurückwirken«. So schrieb Althusser, »dass der ›überdeterminierte Widerspruch‹ überdeterminiert sein mag entweder im Sinn einer historischen Hemmung, einer echten Sperrung (…) oder im Sinn eines revolutionären Bruchs, dass er sich aber unter diesen Bedingungen nie im ›reinen‹ Zustand darbietet.« (1968, 72f.) In seinem berühmten Brief an Conrad Schmidt sprach Engels genau diese Frage an und erklärte: »Die Rückwirkung der Staatsmacht auf die ökonomische Entwicklung kann dreierlei Art sein: Sie kann in derselben Richtung vorgehen, dann geht’s rascher. Sie kann dagegen angehn, (…) oder sie kann der ökonomischen Entwicklung bestimmte Richtungen abschneiden und andre vorschreiben (…)« (MEW 37, 490f.) »Die Charakteristik der beiden Grenzsituationen«, so Althusser, »ist hier gut aufgezeigt« (1968, 73, Fn. 32). (Man beachte, dass dieser Begriff von »Determinierung« sich von der weiter ausgebauten aber »formaleren« Konzeption einer Determination durch »strukturale Kausalität« unterscheidet, die Althusser und Balibar in Das Kapital lesen übernommen haben. Diese formalistischere Fassung war eine der Hauptquellen der »theorizistischen Abweichung« Balibars.)

      In der Einleitung zu den Grundrissen schreibt Marx, dass, sobald wir das Verhältnis zwischen den verschiedenen »Momenten« eines Prozesses nicht mehr als ein identisches denken, wir notwendig von Gliederung sprechen müssen (Grundrisse, 29). Als Gliederung wird ein Beziehungstyp bezeichnet, in dem zwei Prozesse, die ihre jeweilige Spezifik behalten und ihren eigenen Existenzbedingungen gehorchen, sich zu einem »komplexen Ganzen« verschlingen. Dieses Ganze ist daher das Ergebnis »vieler Bestimmungen«, wobei die Existenzbedingungen des einen nicht genau mit denen des anderen zusammenfallen (Politik nicht mit Ökonomie, Zirkulation nicht mit Produktion), auch wenn Ersteres der »bestimmte Effekt« des Letzteren ist; denn Politik und Zirkulation haben auch ihre eigenen inneren »Bestimmungen«.

      Die Begriffe, die Marx im Achtzehnten Brumaire zum ersten Mal herausarbeitet und einsetzt – Bündnis, Block, konstitutionelle Formen, Regime, politische Repräsentanten, politische Ideologien oder »Ideen«, Fraktionen, Gruppierungen etc. –, sind Begriffe, mit deren Hilfe wir die Komplexität dieser doppelten Determination »denken« können. Da diese politischen Formen und Verhältnisse ihrerseits durch die antagonistischen Klassenverhältnisse der kapitalistischen Produktionsweise, in der sie auftreten, konstituiert werden, sind sie selbst die konkreten Objekte der Praxen des Klassenkampfes – des Klassenkampfes auf der »politischen Bühne«. Der repräsentative Aspekt dieses Verhältnisses wird durch den Ausdruck »Bühne« und die durchgängige Dramaturgie der Darstellung im Achtzehnten Brumaire noch unterstrichen. Diese Ebene ist in jeder entwickelten Gesellschaftsformation präsent, sie wird stets auf die eine oder andere Weise »ausgefüllt«. Sie erfüllt für die Gesellschaftsformation als Ganzes eine »Funktion«, indem hier die Formen und Verhältnisse des Politischen auftauchen, in denen die verschiedenen Kapitalfraktionen und ihre jeweiligen politischen Verbündeten kämpfen können – sowohl gegeneinander als auch gegen die unterdrückten Klassen. Vermittels dieser Formen beherrschen sie den Klassenkampf und bringen die Kulturgesellschaft, Politik, Ideologie und den Staat mit den breiten »Grundbedürfnissen« der sich entfaltenden Produktionsweise in Einklang. Aber diese »Bedürfnisse« erscheinen nie in »Reinform«. Am Beispiel Großbritannien konnte Marx sogar sehen, dass die Hauptklassen des Kapitals nie in ihrer ganzen Pracht und vereint auftreten, um selbst und in ihrem eigenen Namen »für das Kapital« »die Aufsicht über die Gesellschaftsformation« zu übernehmen. Die Unterscheidung zwischen der »ökonomisch herrschenden Klasse« und der »politisch führenden oder regierenden Kaste« in den Schriften von Marx und Engels über Großbritannien wiederholt in knapper Form die Unterscheidungen, die im Achtzehnten Brumaire ausführlich dargestellt wurden; sie liefern den Schlüssel zur Entzifferung des Klassenkampfes in Großbritannien: »Die regierende Kaste (…) ist unter keinen Umständen mit der herrschenden Klasse identisch« (»Parties and Cliques«, in: Survey From Exile, 279). Die politische Ebene bietet daher auch

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