Heiliger Schein. Adrian Plass
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›Hilf mir!‹, schrie ich heiser aus meiner von der trockenen Luft ausgedörrten Kehle. ›Hilf mir, Gott!‹
Keine dreißig Meter mehr entfernt, folgte das Ruß speiende Ungeheuer donnernd dem einspurigen Gleis. Ich kniff meine Augen fest zu und wartete auf das abrupte Ende. Jetzt konnte mich gewiss nichts mehr retten …5
Ich war hierher ins Zentrum der Wüste Gobi gekommen als Mitglied eines Missionsteams, dessen Aufgabe die Übersetzung und Verteilung usw. usf.«
So einen Einstieg brauchen Sie. Natürlich müssen Sie dann noch den Rest des Inhalts schreiben. Das mag sich nach einer ermüdenden Plackerei anhören, aber es muss nun einmal eine bestimmte Anzahl von Seiten gefüllt werden, ehe das Ergebnis zutreffend als »Buch« bezeichnet werden kann. Aber womit Sie sie füllen, spielt eigentlich keine Rolle. Tippen Sie einfach etwas ein und schicken Sie es ab. Solange Sie das Cover und die ersten paar Absätze richtig hinbekommen haben, kann Ihnen nichts passieren.
Gemeindelebenskunst und Dichtung
Vielen Dank an Steadman für diese Beiträge. Soviel ich weiß, hat sich dieser große Gemeindelebenskünstler noch nie an Dichtung versucht, doch in den frühen Achtzigerjahren hat sich Jerome Sandman, der in unserem alten Institutsquartier in Frome in Kreativer Gemeindelebenskunst ausgebildet wurde, auf Gemeindeveranstaltungen und Festivals einen beachtlichen Namen als Dichter gemacht. Die Gedichte, die er schrieb und vortrug, waren, wie er selbst im privaten Gespräch zugab, zufällig zusammengewürfelt und vollständig sinnfrei; doch seine Gewohnheit, in Boxershorts und Boxhandschuhen aufzutreten und sein Make-up und seine Frisur so zu gestalten, dass er dem einstigen britischen Schwergewichtsmeister Joe Bugner (siehe Abbildung) so ähnlich wie möglich sah, hatte etwas unnachahmlich, schockierend Bizarres an sich. Dazu kam, dass sein Vortragsstil so eindringlich und düster-bedeutsam war, dass das christliche Publikum ihm gebannt lauschte und manches Mal von seinen Lesungen zutiefst bewegt war. Hier ist eine Probe seiner Arbeit. Das Gedicht trägt den Titel »Refrain, erblasst und antiquiert«.
Refrain, erblasst und antiquiert,
du hast den blauen Schmerz verschlungen
und hast das Lügenband geschlungen
siebenfach um das Schneegeviert.
Von perlschimmernden Feldern her
dringt über Belgiens Schreckgesichter
das Zucken greller Sternenlichter
durch rote Nacht bis hin zum Meer.
Fürchte den Regen, scheu den Dorn,
bleib fern von den verseuchten Teichen,
und gibt ein Engel dir ein Zeichen,
so beuge dich des Raben Zorn.
Ich weiß von Sandman selbst – und sehe keinerlei Grund, an seiner Behauptung zu zweifeln –, dass diese lächerliche Aneinanderreihung von Wörtern seine Zuhörer regelmäßig zu Tränen rührte. Eine Frau sagte ihm, nachdem sie es gehört habe, habe sie zum ersten Mal den Zusammenhang von Prädestination und freiem Willen richtig verstanden. Ein anderer Zuhörer spendete spontan einen Pooltisch für die Seemannsvereinigung.
Eine Stilrichtung christlicher Lyrik, an der sich wohl fast jeder Gemeindelebenskünstler erfolgreich versuchen kann, ist die sogenannte Gegensatzliste, oder kurz GSL. Hierzu ist lediglich erforderlich, dass jede Zeile einen irgendwie gearteten Gegensatz enthält. Ein solches Gedicht kann kurz oder lang sein, ganz nach Wunsch. Elaine Broadwater aus Haywards Heath, die ihre beliebten Werke vor Christen in ihrem eigenen Wohnort und im ganzen Bereich von East Sussex vorträgt, hat uns freundlicherweise erlaubt, als Beispiel hier ihr Gedicht »Gott ist« zu zitieren, entnommen aus ihrer Sammlung mit dem Titel Gedichte von oben, unten, hier, dort, überall und nirgendwo (erhältlich beim Institut für Gemeindelebenskunst zum Preis von acht Pfund fünfzig je Band, einschließlich Porto und Verpackung – siehe Abbildung).
Gott ist das weiche Herz aus Granit
die kalte Glut im Feuer
Er ist die Zukunft der Vergangenheit
die Wahrheit auf des Lügners Zunge.
Gott ist die Weisheit der Toren
die Stille der Gezeiten
der Sommer im Winter
der Demut stolzes Angesicht.
Gott ist die Morgendämmerung zur Nacht
das Lächeln hinter finsterer Miene
der Berg im Tal
der Pfad, der hinab in die Höhe führt.
Gott ist der Sturm, der die Stille einhüllt
der Stern am leeren Himmel
die Stimme, die das Schweigen bricht
das Leben, das niemals erstirbt.
Gott ist der Regen, der die Wüste überflutet
der umsonst bezahlte Preis
der Vogel, der, wo keine Vögel fliegen, fliegt
das Finden des Verlorenen.
Vor der endgültigen Entscheidung, »Gott ist« in diesem Jahresbericht zu veröffentlichen, rief ich Elaine an und gab ihr behutsam (ich wollte ihr ja auf keinen Fall zu nahe treten) zu verstehen, das Gedicht habe vielleicht doch ein wenig zu viel Ähnlichkeit mit einem wirklich guten Gedicht. Sollte man es in einem Bericht veröffentlichen, der ausschließlich von Gemeindelebenskünstlern und -künstlerinnen gelesen wird, die zu Recht mehr Wert auf Effekt als auf Substanz legen? Elaine lachte herzhaft und wies mich darauf hin, sie habe etwa eine halbe Stunde gebraucht, dieses »Gedicht«, so wie es ist, zu schreiben.
»Ich hätte ewig so weitermachen können«, sagte sie. »Schwarz, weiß, klein, groß, flach, tief, Liebe, Hass, man schmeißt einfach alles in mehr oder weniger sinnvoller Reihenfolge zusammen, wirft ein paar Alliterationen ein und bingo! Schon hat man ein Gedicht, fertig zur Veröffentlichung und zum Vortragen.