Heiliger Schein. Adrian Plass
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Die hohe Kunst der schwammigen Wörter
Für Gemeindelebenskünstler und -künstlerinnen, die sich für Die hohe Kunst der Kommunikation interessieren, war es bei der Vorbereitung ihrer Ansprachen und Vorträge schon immer sehr nützlich, dass es eine erhebliche Anzahl »schwammiger« Wörter gibt, die in der Welt der christlichen Kommunikation im alltäglichen Gebrauch sind. Andere haben gezeigt, dass dies auf jeden Fall im Bereich der Chorus- und Choraltexte gilt, doch wie wir sehen werden, ist eine viel umfassendere Anwendung möglich. Die Wörter, mit denen wir es hier zu tun haben, mögen an sich sehr bedeutungsvoll sein, doch bei ihrer Verwendung durch erfahrene Praktiker der Gemeindelebenskunst kann ihr Sinn zum Verschwimmen gebracht und praktisch austauschbar gemacht werden. Einige der nützlichsten Beispiele, die wir schon im Bericht des letzten Jahres veröffentlicht haben, sind hier aufgelistet:
Gnade
Liebe
Gehorsam
Glaube
Wahrheit
Hoffnung
Mut
Ehrfurcht
Demut
Friede
Die bemerkenswert flexible Natur dieser Begriffe lässt sich anschaulich machen, wenn wir uns die Variationen in Sätzen wie dem folgenden genau anschauen:
»Wenn wir die Saat der GNADE in dem guten Boden der LIEBE ausstreuen und sie mit dem belebenden Regen des GEHORSAMS bewässern, werden wir schließlich die reiche Ernte des GLAUBENS einbringen.«
Ausgedehnte und lückenlos dokumentierte Experimente haben gezeigt, dass die übergroße Mehrzahl der Gruppen und Gemeinden diese unverhohlen sinnfreie Aussage fraglos akzeptiert, besonders wenn sie mit einem einfachen Diagramm veranschaulicht wird (siehe Diagramm). Schließlich ist sie reichlich von Wörtern durchsetzt, die allgemein als »okay« akzeptiert sind, und scheint auch nicht weniger Sinn zu ergeben als das meiste Zeug, das sie zu hören gewohnt sind. Tatsache ist jedoch, dass die Reihenfolge, in der die Schlüsselwörter verwendet werden, wenig bis gar keine Auswirkungen auf die allgemeine Aussage des Satzes hat. Zum Beispiel könnte man sich entscheiden, sie einfach umzudrehen.
»Wenn wir die Saat des GLAUBENS in dem guten Boden des GEHORSAMS ausstreuen und sie mit dem belebenden Regen der LIEBE bewässern, werden wir schließlich die reiche Ernte der GNADE einbringen.«
Nimmt man zwei Wörter heraus und füllt die Lücken mit wahllosen Ersatzwörtern aus der »schwammigen« Liste, so macht das nicht den geringsten Unterschied, außer dass dadurch der Gemeindelebenskünstler oder die Gemeindelebenskünstlerin in der Lage ist, (wahrheitsgemäß) zu behaupten, er oder sie verkünde etwas Neues.
»Wenn wir die Saat des GLAUBENS in dem guten Boden der DEMUT ausstreuen und sie mit dem belebenden Regen der HOFFNUNG bewässern, werden wir schließlich die reiche Ernte der GNADE einbringen.«
Natürlich werden wir das. Und selbst wenn wir alle vier Wörter austauschen, wird dieser Teich verbaler Undurchsichtigkeit so still und unbewegt bleiben wie eine dunkle Glasscheibe.
Schauen Sie sich unser letztes Beispiel an:
»Wenn wir die Saat der WAHRHEIT in dem guten Boden der EHRFURCHT ausstreuen und sie mit dem belebenden Regen des MUTES bewässern, werden wir schließlich die reiche Ernte des FRIEDENS einbringen.«
Tiefgang servierfertig und bei richtiger Anwendung ein wertvoller Ersatz für zeitraubende kreative Bemühungen im hektischen Leben des Gemeindelebenskünstlers.
Es lohnt sich vielleicht hinzuzufügen, dass Victor Stone aus Newmarket berichtet, er habe alle zehn Wörter aus unserer Liste in einem Satz verwendet und dafür, wie er sagt, nicht nur jede Menge ernstes Nicken und gemurmelte verbale Zustimmung geerntet, sondern sogar auch einen Applaus. In Stones Vortrag, bei dem er jedes Schlüsselwort an den Fingern abzählte, als arbeite er sich Schritt für Schritt durch ein kompliziertes, aber hochinteressantes mathematisches Problem, nahm der Satz diese Form an:
»Wenn GNADE und LIEBE durch den GEHORSAM bestätigt werden, stellen wir fest, dass unser GLAUBE die WAHRHEIT erfasst, sodass HOFFNUNG und MUT die EHRFURCHT entwickeln können, die zur DEMUT führt und schließlich den FRIEDEN erlangt.«
Stone hat hier sehr gute Arbeit geleistet, und selbst in einem so langen Satz sehen wir wieder, dass die Schlüsselwörter praktisch austauschbar sind und, wie Sie sehen werden, hervorragend hin und her geschoben werden können.
»Wenn FRIEDE und DEMUT durch die EHRFURCHT bestätigt werden, stellen wir fest, dass unser MUT die HOFFNUNG erfasst, sodass WAHRHEIT und GLAUBE den GEHORSAM entwickeln können, der zur LIEBE führt und schließlich die GNADE erlangt.«
Victor Stone war es auch, der darauf hinwies, dass die Erfindung neuer Wörter für den Gebrauch in Gemeindekreisen mit der Anwendung des Judo verglichen werden könnte, jenem Kampfsport, bei dem das Gewicht und die Wucht des Angriffs des Gegners genutzt werden, um ihn zu überwinden. Stones
Aussage, die einen für Gemeindelebenskünstler geradezu unbehaglich tiefen Sinn hat, ist die, dass in der modernen Gemeinde bereits die Tendenz besteht, religiöse und sogar auch normale Verhaltensweisen in subkulturelle verbale Kapseln zu zwängen. So kann es durchaus passieren und ist auch schon passiert, dass wir Lobpreisleiter ankündigen hören, Gott werde sich im Gottesdienst in Kürze »verpräsenzen«.
Stone hat seine eigene Liste ähnlich neuartiger Wörter zusammengestellt und sie nun auch unseren Mitgliedern zur Verfügung gestellt (die vollständige Liste ist erhältlich beim Institut für Gemeindelebenskunst zum Preis von zwei Pfund einschließlich Porto und Verpackung). Victor Stone betont, dass die Einführung dieser neuen Begriffe in den Wortschatz einer kirchlichen Gemeinschaft ohne Scheu und mit größtem Selbstbewusstsein erfolgen muss. Idealerweise sollten die Gemeindeglieder den Eindruck bekommen, sie seien es, die auf dem Gebiet der geistlichen Ausdrucksformen im Rückstand seien, während der Gemeindelebenskünstler oder die Gemeindelebenskünstlerin lediglich Begriffe verwendet, die in einer jener großen Londoner Gemeinden, von denen offenbar alle neuen Bewegungen und so ausgehen, zum ganz normalen Sprachgebrauch gehören.
Stones Vorschläge, hier zum besseren Verständnis in ihrem angemessenen Kontext wiedergegeben, sind am besten im blumig-volltönenden Tonfall moderner Lobpreisleiter vorzutragen.
Der Herr ruft all diejenigen unter uns, die nicht jede Woche in den Gottesdienst kommen, dazu auf, ihre Verbindlichwerdung zu verfülligen.
Heute Morgen werden wir die Neuvereigentumung seines Volkes durch den Herrn feiern.
Herr, wir beten um Andauerndwerdung in der Verpfingstlichung deiner Gemeinde.