Eva langt zu. Liza Cody

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Eva langt zu - Liza Cody страница 12

Автор:
Серия:
Издательство:
Eva langt zu - Liza  Cody

Скачать книгу

      »Hat Ma dir das nicht erzählt?«

      »Ich habe ihr nur mit Mühe und Not deine Adresse abschwatzen können«, sagte sie. »Sie ist nicht sehr hilfsbereit, hm?«

      »Hilfsbereit!« In meiner Brust machte es peng, und dann saß ich schon wieder auf dem Hintern. »Ich beknie sie seit Jahren«, sagte ich. »Seit Jahren. Seit Ewigkeiten. Ich war immer überzeugt, dass sie wusste, wo du wohnst. Aber meinst du, sie hätte es mir gesagt? Sie hätte sich lieber eine hungrige Ratte in den Schlüpfer gesteckt. Nenn das Weib nicht Mutter. Sie ist keine Mutter.«

      »Ach, Eva«, sagte sie. »Nimm’s nicht so schwer.« Sie gab mir ein Taschentuch. »Jetzt sind wir doch wieder zusammen.«

      Zusammen hatte sie gesagt. Das hätte mir fast den Rest gegeben. Ich putzte mir die Nase.

      »Wir wollen uns das Wiedersehen nicht durch Ma verderben lassen«, sagte sie. »Komm, gehen wir etwas trinken. Gehen wir feiern.«

      Der richtige Satz zur rechten Zeit. Ich konnte es kaum erwarten, vom Schrottplatz zu kommen. Seit Simone da war, kam es mir wirklich so vor, als ob ich auf einer Müllhalde wohnte. Außerdem hatte ich Durst, und ich brauchte eine kleine Stärkung.

      Sie fand meine wattierte Jacke. Das machte mich irgendwie traurig. Ich hatte mir immer vorgestellt, wenn wir uns eines Tages wiederfänden, würde ich ihr helfen und nicht umgekehrt. Außerdem hätte ich es lieber gesehen, wenn es meine schöne Lederjacke gewesen wäre, die Motorradjacke mit den vielen Fransen und Schnallen, die ich irgendwo verloren hatte. In der Jacke machte ich etwas her, darin sah ich nicht so aus wie »Made in Taiwan«.

      Weil die Regentropfen wie Pistolenkugeln vom Himmel prasselten, zogen wir den Kopf ein und rannten die Mandala Street hoch bis zum Fir Tree Pub. Erst als wir ankamen, fiel mir wieder ein, dass Simone ein Auto hatte. Aber sie schüttelte bloß die Tropfen aus den Haaren und lachte. »Das habe ich vor lauter Aufregung ganz vergessen«, sagte sie. »Weißt du noch, dass ich mich als Kind vor Gewittern gefürchtet habe? Wir haben uns immer unter dem Bett versteckt. Dabei hattest du gar keine Angst.«

      »Nein«, sagte ich. »Ich kann Blitz und Donner gut leiden.« Das stimmt. Das war schon immer so. Ich mag es, wenn es rumst und kracht. Früher mochte ich es sogar noch mehr. Wenn das Wetter echt beschissen war, konnte Ma keine Kerle anschleppen, und wenn wir aufwachten, torkelten keine besoffenen Penner im Netzunterhemd und mit der Kippe im Mundwinkel durch die Wohnung. Und wir brauchten nicht die Geräusche zu hören, die wir so hassten. Aber daran wollte ich jetzt nicht denken.

      »Hast du dich eigentlich noch nie vor etwas gefürchtet?«, fragte Simone. »Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass du irgendwann Angst hattest.« Da fühlte ich mich wieder groß und stark. Weil Simone mich richtig in Erinnerung hatte. Fast richtig zumindest. Wenn ich mich früher tatsächlich einmal gefürchtet hatte, wäre ich lieber gestorben, als es zuzugeben. Wer sich seine Angst anmerken ließ, wurde fertiggemacht. Als wir noch sehr klein waren und das erste Mal ins Heim gesteckt wurden, war da ein Junge, der eine panische Angst vor Gummibändern hatte. Fragen Sie mich nicht, warum. Ich verstehe es selber nicht, dass man sich davor fürchten kann. Nicht zu glauben, eigentlich. Was soll denn an einem Gummiband so schrecklich sein? Aber dieser Junge fing schon an zu schlottern, wenn er nur durchs Fenster eins gesehen hat. Und er war so blöd, sich seine Angst anmerken zu lassen, und da haben die anderen Kinder … Den Rest können Sie sich denken. Er hat die Gummibänder überall gefunden, in seinen Hosentaschen, im Bett, im Essen. Als er es nicht mehr aushalten konnte, ist er abgehauen. Aber sie haben ihn eingefangen und wieder zurückgebracht, in unser trautes Kinderheim.

      Danach haben die anderen Kinder jedes Gummiband gesammelt, das sie in ihre dreckigen Pfoten kriegen konnten.

      »Was hast du?«, fragte Simone. »Du machst so ein grimmiges Gesicht.«

      »Nichts«, sagte ich. »Ich musste nur gerade an den Jungen denken, der Angst vor Gummibändern hatte. Ich hätte zu gern gewusst, was aus ihm geworden ist.«

      »Aber das weißt du doch«, sagte Simone. »Du hast doch gesehen, was aus ihm geworden ist. Er hat sich an einem Kleiderhaken erhängt. Wir haben es alle gesehen. Mit einem Gürtel. Und die großen Kinder haben gelacht und gesagt, es hätte eigentlich ein Gummigürtel sein müssen. Aber er war aus Leder.«

      »Ja, stimmt«, sagte ich. Aber ich konnte mich nicht erinnern. Man sollte doch meinen, dass ich mir so eine Geschichte gemerkt hätte. Aber ich wusste nichts mehr davon.

      Dafür erinnerte ich mich noch gut daran, dass ich einmal mitten in der Nacht in Simones Schlafsaal geschlichen war und gesagt hatte: »Ich will nach Hause.« Worauf sie sagte: »Das geht doch nicht.« Aber ich habe sie überredet mitzukommen. Das war das erste Mal, dass wir zusammen ausgerückt sind. Aber sie haben uns wieder zurückgeholt. Natürlich habe ich es trotzdem noch mal versucht. Und noch mal. Und noch mal.

      Ich ging an die Theke, um uns was zu trinken zu holen. Eine Weißweinschorle für sie – was das nun schon wieder war – und ein großes Bier für mich. Während ich wartete, kippte ich noch schnell einen Rum, für die Nerven und gegen die Kälte.

      »Ach, Eva«, sagte sie, als ich mich wieder zu ihr an den Tisch setzte. »Du musst mir alles erzählen. Ich fühle mich so …«

      Ja, wie fühlte sie sich wohl? Ins Abseits gestellt? Traurig, weil wir so viel Zeit verloren haben? Ängstlich? Nein, ängstlich nicht. Ich kenne keine Angst. Aber der kleine runde Tisch zwischen uns kam mir wie der Nordpol vor, wie eine kilometerdicke Eisschicht über kilometertiefem Wasser, und ich wusste nicht, ob ich es schaffen würde, Simone wieder dahin zurückzubringen, wo wir aufgebrochen waren. Ich wollte sie wiederhaben. Jetzt hatte ich sie wieder, aber es war, als ob ich ihr über das Eis hinweg zuwinkte, über die Zeit hinweg, in der sie nicht bei mir sein konnte. Es sollte wieder wie früher sein, als wir uns bei Gewitter zusammen unter dem Bett verkrochen und uns zusammen zur Hintertür rausgeschlichen hatten. Wir zwei gegen den Rest der Welt, gegen das Universum.

      Meine Zunge fühlte sich wie ein Schaumgummipfropfen an.

      »Wie bitte?«, fragte sie.

      »Nichts«, sagte ich. »Ich bin Catcherin geworden. Ich bin die Größte und Beste von allen. Ich habe sogar einen Privattrainer. Du musst dir unbedingt mal einen Kampf von mir ansehen. Ich besorge dir Plätze direkt am Ring. Der Promoter ist ein Freund von mir. Er behandelt dich wie eine Königin, wenn er weiß, dass du meine Schwester bist. Für meine Schwester ist das Beste gerade gut genug.«

      »Ich würde dich gern einmal kämpfen sehen«, sagte sie. »Aber sicher. Ach, Eva, du brauchst doch nicht gleich so aus dem Häuschen zu sein. Natürlich komme ich. Ist ja schon gut. Alles ist gut.«

      »Natürlich ist es gut«, sagte ich. »Es ist bloß … Es ist bloß, ich habe etwas aus mir gemacht, Simone. Ich habe es geschafft.

      »Aber ja«, sagte sie. »Ich bin stolz auf dich.«

      Da. Sie hatte es gesagt. Was ich hören wollte. »Ich bin stolz auf dich.« Einfach so.

      »Möchtest du noch so ein Weißweindingsbums?«, fragte ich und ging zur Bar.

      Diesmal bediente mich die Wirtin. Als ich mir noch einen Rum hinter die Binde goss, sagte sie: »Trink nicht so viel, Eva.

      Wenn du dich wieder so aufführst wie letzte Woche, setze ich dich vor die Tür. Ehrenwort. Mein Mann hat dich schon im Visier.«

      »Wie habe ich mich denn aufgeführt?«, sagte ich. »Dein Alter soll lieber die Klabusterbeeren

Скачать книгу