Müllers Morde. Monika Geier
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Müllers Morde - Monika Geier страница 20
»Wie sieht’s aus?«, brüllte er Richtung Tür. Aus dem Keller kam gedämpfte Antwort. Der Mann von der Kanzlei behielt brav das Bild im Auge. Also nur die Ruhe. Ganz entspannt Luft holen. Ausatmen. Er hatte noch Zeit, die Nachricht zu öffnen: Lieber Gunter, stand da, ich möchte Sie dringend um einen privaten Gesprächstermin bitten. Es geht um heikle betriebliche Vorfälle, mit denen ich zu tun habe und die möglicherweise illegal sind. Mit freundlichen Grüßen, Natascha Kassin.
Möglicherweise illegal, dachte Müller grimmig, während er die Mail löschte und den Papierkorb leerte, damit sie auch wirklich verschwunden blieb. Möglicherweise illegal! Natascha-Herzchen hatte immer dick mit abkassiert! Dann musste sie natürlich an Steenbergens Privatadresse schreiben! Und niemand hatte das Passwort für dieses blöde Postfach rauskriegen können! Diese – ach! Jetzt war zum Glück nichts mehr mit Aussteigen und Verraten, nun zitterte und schlotterte Natascha vor Angst, jetzt war sie mit der Geschichte von dieser Mail zu ihm gerannt, weil sie sich schier in die Hose machte. Weil irgendwer – ja wer wohl? Die AUFTRAGGEBER? – den großen unantastbaren Dr. Dr. Steenbergen am Totenmaar mit CO2 gekillt hatte, eindeutiger ging es nicht, haltet alle brav den Mund, hieß das, macht gefälligst weiter wie bisher und seid ganz ruhig, sonst kommt Mama Mafia und holt euch alle ans Totenmaar. Müller betrachtete den Computer, der nun rein und jungfräulich vor ihm stand, und fühlte sich klebrig. Man sollte aber doch noch mal nach dem Passwort suchen, dachte er. Für alle Fälle. Er horchte in Richtung Tür. Nichts. Der Typ hockte nach wie vor im Keller. Also rasch: Müller verließ das Freenet -Portal und rief den lokalen Mail-Client auf. Wenn der als Backup für den Freenet -Account angegeben war, dann würde man dort vielleicht eine alte Bestätigungsmail für das Freenet -Passwort finden. In fliegender Hast scrollte Müller sich durch die vielen Werbenachrichten. Und dann fand er sie tatsächlich, die Nachricht von Freenet , die ein Passwort betraf. Der Schweiß rann ihm den Rücken hinab, während er sie öffnete. Dann starrte er verdrossen den Bildschirm an: Das Passwort lautete at1anTI5. Was ein Hohn: Atlantis, das nie gefundene. Ein merkwürdiges Gefühl beschlich Müller. Ein Gefühl, als ob das Schicksal sich heimlich über ihn amüsierte.
* * *
Unter dem Bildrauschen lief auf dem Laptop eine aufgedonnerte Vorabendreportage über den Vulkanausbruch auf Thera vor 3000 Jahren, und Richard war von dem Ton der Mitwirkenden schnell so genervt (Dr. Simon Meyer von der Ben-Gurion-Universität glaubt, einer absoluten Sensation auf der Spur zu sein! Dr. Simon Meyer von der Ben-Gurion-Universität, was haben Sie da gefunden? – Nun, mag sein, dass wir auf einer Spur sind! – Oh, Dr. Simon Meyer von der Ben-Gurion-Universität, das wäre ja eine absolute Sensation!), dass er beschloss, diesem Kabeltypen mal über die Schulter schauen zu gehen. Doch in dem Moment kam der schon die Treppe herabgepoltert und fragte etwas atemlos: »Na?«
»Es hat sich nichts am Bild geändert«, sagte Richard.
»Aha«, sagte der Kabelmann und kratzte sich am Kopf. »Tja, dann – dann ist es vermutlich wirklich das Erdkabel, wie wir schon befürchtet haben. Was natürlich der GAU ist, denn da muss die Straße aufgerissen werden.« Er drehte noch ein wenig an dem Kasten herum und brachte das Bild auf dem Laptop in einen unwesentlich besseren Zustand. Dann sagte er: »Gut, besser geht’s nicht, das war’s, vielen Dank, da werden wir vielleicht auch mal die Telekom kontaktieren müssen.« Er schaltete das Laptop aus und packte seine Sachen zusammen. »Ach ja«, fügte er an, während er Schraubenzieher und Handschuhe in die Werkzeugtasche einsortierte. »Darf ich fragen, wie Sie heißen und wie ich Sie erreiche, wir müssen sehr wahrscheinlich noch mal hier rein.«
»Romanoff heiße ich«, antwortete Richard bereitwillig. »Aber ich hatte mit Herrn Steenbergen eigentlich wenig zu tun. Rufen Sie doch bitte die Nummer von der Karte an, die ich Ihnen gegeben habe. Ich selbst bin nur –«, aus den Augenwinkeln sah er, wie der junge Mann mitten im Packen gespannt innehielt, »– selten im Büro.«
»Hm«, machte der junge Mann desinteressiert und packte fließend weiter, und Richard zweifelte sofort an seiner Beobachtung.
Dennoch sagte er nachdenklich: »Und wie erreiche ich Sie?«
Der junge Mann blickte auf. »Müller ist mein Name«, sagte er nüchtern, »aber rufen Sie Kabel Deutschland an. Ich gebe Ihnen unsere Karte. – Ach so ja, dann muss ich noch mal hoch auf den Speicher. Ich glaube, ich habe da meine Jacke liegenlassen.«
Richard nahm die Karte und brachte den jungen Mann nach oben. Dort war keine Jacke. »Die wird noch bei der Frau Zangerle sein«, sagte Müller. »Ich gehe einfach hier oben herum, denn ich habe ihr sowieso versprochen, die Speichertüren zu schließen. Sie ist nicht mehr gut zu Fuß.« Er ging zum benachbarten Kabuff, brüllte hinein: »Frau Zangerle! Ich komme jetzt wieder runter!«, nickte Richard zu und schloss die Tür hinter sich. Richard ging zerstreut ins Rosenzimmer zurück. Den jungen Müller vergaß er sofort. So sehr dachte er darüber nach, wo das Laptop sein könnte.
* * *
19.57 Uhr
Die zweite Rückkehr in Frau Zangerles Haus war nicht mehr ganz so schlimm. Müller spürte sogar das verrückte Bedürfnis, etwas mitzunehmen. Ein Souvenir. Was natürlich absolut hirnrissig war, nur Serienmörder im Film nahmen Souvenirs mit. Trotzdem verweilte er länger als nötig im Haus der alten Dame, so als ob es noch etwas Wichtiges zu tun gäbe, als ob etwas fehlte und er es irgendwie herbeibringen müsste. Fast träumerisch betrachtete er Frau Zangerles Schlafzimmer, ihr Bad – und da fiel ihm ein, dass es hier vielleicht wirklich noch etwas Interessantes