Müllers Morde. Monika Geier

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Müllers Morde - Monika Geier

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Die Zangerle hatte gesammelt. Müller sah rasch die vielen vergilbten Päckchen durch, und dann nahm er sich tatsächlich ein Souvenir mit.

      Jetzt aber schnell raus aus dem Haus, damit er den Mann mit Zopf nicht verfehlte, er wollte ihm folgen, wenn er nach Hause fuhr. Müller eilte zur Vordertür, in der noch der Hausschlüssel steckte. Er ließ den Schlüssel, wo er war, damit alles so aussah, wie er es aufgefunden hatte, verließ das Haus und zog nur sanft die Tür hinter sich zu.

      * * *

      Das Laptop war im Auto. Dass er da nicht draufgekommen war, das war doch klar: Die wichtigen Sachen lagen immer im Auto – wenn einer eins hatte. Der schmale Computer befand sich im Fußraum des Beifahrersitzes und war in butterweiches Leder verpackt, in ein wahres Schmuckstück von Tasche. Wenn das kein Fund war. Richard packte die Tasche mit dem Laptop in eine Plastiktüte, die er in der Küche fand, lud alles auf sein Fahrrad und fuhr durch den warmen Regen nach Hause. Diesmal ohne S-Bahn. Er brauchte Luft.

      * * *

      Das durfte nicht wahr sein: Der Öko-Riese war mit dem Fahrrad da. Natürlich. Deswegen hatte kein Auto vor der Tür gestanden. Nun hatte Müller umsonst in dem blöden weißen Van gewartet – die längste halbe Stunde seines Lebens: umsonst, denn ­einem Fahrradfahrer konnte man nicht unauffällig mit dem Auto folgen. Müller versuchte es, doch der Öko bog natürlich sofort gegen die Fahrtrichtung in die nächste Einbahnstraße, und damit war Müller aus dem Rennen. Verflucht sollten sie sein, diese blöden Alternativtypen, die es lustig fanden, gegen Verkehrsregeln zu verstoßen! Müller war versucht, die Polizei anzurufen. Dann tastete er seine Tasche nach der Büttenkarte Peter Welsch-Ruinarts ab und fuhr zu Axel. Den Van abgeben.

      * * *

      Zu Hause schaltete Richard erst mal seinen eigenen, ungestörten Fernseher ein und stellte ihn stumm, weil Dr. House noch gar nicht lief. Dann pflanzte er sich mit einer Flache Kölsch, einer Tüte Chips und Steenbergens Laptop auf die Couch. Das Laptop war ein Supercomputer, kantenlos wie ein Ufo, und es hatte eine so gefällige Art, schnell hochzufahren und sich ­widerstandslos in Richards Funknetz einzuwählen, dass er kurz darüber nachdachte, ob nach Klärung des Falls irgendwer dieses Kleinod vermissen würde. Dann aber wusste er nicht recht weiter. Der hübsche Computer schwieg ihn an wie eine Frau, bei der man nicht wusste, ob es sich lohnte, sie anzuquatschen. Halbherzig suchte Richard nach dem Mailprogramm, fand ­einen kleinen grünen Button in der Bedienerleiste, drückte ihn und landete im Freenet -Portal. Steenbergens Passwort war gespeichert. ­Richard rief die Mails auf und entdeckte, dass irgendwer noch am zweiten Tag nach Steenbergens Tod diverse Nachrichten geöffnet hatte. Das fand er zuerst unheimlich, dann interessant, und schließlich fiel ihm ein, dass die Polizei vermutlich das Gerät gesichtet hatte. Seitdem waren dann noch über zweihundert Nachrichten eingegangen. Zweihundert Briefe an einen Toten. Und unzählige gelesene, die davor gekommen waren. Viel Privates schien aber auch hier nicht dabei zu sein. Die meisten Betreffzeilen handelten von Kundentreue und Bonuspunkten. Richard seufzte, schrieb Dr. House ab und ackerte sich durch. Es dauerte drei Stunden und zwei Biere und brachte zwei Erkenntnisse. Erstens: Die ENERGIE war ein riesiges Geflecht von Einzelfirmen, die von ehemals waffenfähigem Uran bis hin zu Trinkwasserleitungssystemen für Entwicklungsländer nahezu alles vertrieben, was mit menschlicher Grundversorgung zu tun hatte. Steenbergen hatte dabei keineswegs zum Vorstand des gesamten Konzerns gehört, wie die reißerischen Zeitungsberichte durchblicken ließen, sondern war »nur« in der Führungsebene der ENERGIEbase beschäftigt gewesen, der Firma, die am direktesten für die eigentliche Energieerzeugung und -verteilung arbeitete, also Betreiberin von Kraftwerken und Stromnetzen war. Zweitens: Steenbergen war vergleichsweise reich gewesen, und Reichsein war anstrengend. Sowie man viel Geld auf einmal ausgab, bekam man von allen Seiten Post und wurde in komplizierte Beratungs- und Bonussysteme eingebunden, die verwaltet werden mussten und die neben Anlagetipps auch so unglaubliche Dinge wie Golfen im Naturschutzreservat, Jungfrauen-Beglücken in Themenbordellen oder Bären-Massakrieren in Sibirien versprachen. Seien Sie nicht dumm! Denken Sie an die Inflation! Machen Sie Schulden und zwar bei uns! Dann bekommen Sie ein einmaliges Jagderlebnis über den Buchten des Baikalsees dazugeschenkt! Das müssen Sie mitnehmen! Wenn Sie zögern, tut es ein anderer! Wer weiß, wie lang es den Euro noch gibt! Oder Bären!

      Irgendwann floh Richard in die Küche und holte sich noch ein Bier. Kein Wunder, dachte er wütend, dass man angesichts dieses skandalösen Ausverkaufs einen Hau kriegte und anfing, nach Atlantis zu suchen. Der alte Steenbergen war ja fast noch zu beglückwünschen, dass er so ein – ja: vernünftiges Hobby gehabt hatte, das ihn vom Gebrauch seiner vielfältigen Reichenmöglichkeiten abhielt.

      Und dann fragte Richard sich, weshalb er einfach automatisch annahm, dass Steenbergen sich wirklich hatte abhalten lassen. Das konnte man doch gar nicht wissen. Der Typ war zwanzig Tage im Monat auf Reisen gewesen, da konnte gut und gern eine kleine Safari dabei gewesen sein. Vielflieger wie er packten so was vielleicht in ein verlängertes Wochenende. Und wenn man der Theorie folgte, dass sich im Leben alles irgendwie ausglich, dann musste Steenbergen in der Tat irgendwas angestellt haben. So ein Tod wie seiner, das sah mächtig nach Strafe aus. Nach Schicksal. Nach einem Strippenzieher ganz weit oben, der sauer war wegen der Bären und noch so einigem anderen und der sich jetzt auch mal – ein Mal – amüsieren wollte. Ha, ha.

      Eine Viertelstunde vor Mitternacht rief Richard schließlich bei Fred an. Fred war so was wie sein freier Mitarbeiter, ein Lehramtsstudent, der keine Arbeit ablehnte, weil er seinen vierjährigen Sohn irgendwie mit durchbringen musste. Richard dachte kurz an Steenbergen, während er wählte: Auch der hatte in sehr jungen Jahren ein Kind gezeugt, doch offensichtlich hatte das seine Karriere nicht behindert.

      Irgendwer hob ab und meldete sich nicht, das machte Fred immer so: Er lauschte gespannt ins Telefon wie ein ganz kleiner Junge.

      »Fred?«

      »Richard?«

      »Genau. Du, Fred –«

      »Mann, ich hab gerade an dich gedacht.« Freds müde Stimme gewann rasch an Kraft. »Sag mir, dass du Arbeit hast.«

      »Na ja«, sagte Richard mit Blick auf Steenbergens Laptop, mit dem er zuletzt versucht hatte, sich eine Bahnverbindung zu dem ominösen Totenmaar herauszusuchen. »So was in der Art schon.«

      Fred kaute nun hörbar, das tat er oft beim Telefonieren. Vermutlich legte er sich extra Knabbereien neben den Apparat, um immer gerüstet zu sein, wie für eine Bahnfahrt. »Krass. Dachte schon müsste in diesen befeuerten – mhm – Pfeudo-Veggie-Laden zurück.« Er schluckte. »Ich hab ja rausgekriegt, dass die mit Tiefkühlgemüse aus Spanien kochen und das ist so was von verlogen, echt, und das hab ich Markus auch gesagt, wenn du verstehst, und jetzt zurückmüssen ist voll Kacke.« Er machte eine Pause und raschelte dabei mit irgendeiner Tüte. »Na ja, ­immerhin nehmen sie kein Fleif.«

      »Fred«, sagte Richard, »hast du eigentlich ein Auto?«

      Nun blieb es still. Für Freds Verhältnisse sehr lange still. »Rick«, sagte er dann völlig klar.

      »Also ja.«

      »Mann, du, Rick, ich weiß, ich weiß, aber wir brauchen das. Ich muss Simon morgens in die Kita bringen, echt, und das schaffen wir mit der Bahn nicht. Und setz du mal so einen kleinen Knopp bei Regen aufs Fahrrad, und dann muss ich ja über die Zoobrücke, und du weißt, was da für ein Verkehr ist, also das ist mir auch einfach zu gefährlich, Rick, denk nur mal an all die Laster, die da morgens –

      »Halt«, sagte Richard. »Fred, ich brauche dein Auto. Und dich, zum Fahren.«

      »Oh«, sagte Fred.

      »Hast

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