Müllers Morde. Monika Geier
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Ulrikes & Elses Best Shots
Sie waren Hacker?
Ich habe mich früher viel mit Computern beschäftigt, ja.
Warum? Waren Sie einsam? Haben Sie Ihre Jugend vor dem Bildschirm abgesessen?
Ach Quatsch. So läuft das nicht. Einsame Jugendliche werden keine Hacker. Einsame Jugendliche werden Blogger.
Ach so? Und wie wird man ein Hacker?
Sie wollen wissen, wie man ein Hacker wird? Von mir?
Ja.
Ich würde mich nicht so bezeichnen. Ich hab mich nie als Hacker gefühlt, jedenfalls nicht wie einer von diesen Chaos-Computer-Club-Göttern. Ich brauche den Titel auch nicht. Ich meine, wie wird man ein Hacker, da kommt nicht eines Tages einer mit einer Ernennungsurkunde und sagt: Herzlichen Glückwunsch, jetzt dürfen Sie Behördendaten anzapfen.
Haben Sie denn Behördendaten angezapft?
Ach, wissen Sie, das ist schon so lange her –
Wenn’s verjährt ist, können Sie es uns ja sagen.
Nein, ich sag Ihnen was anderes: Hacker zu sein bedeutet nicht, die Zeit bis zum Abi vor dem Computer totzuschlagen, weil man keinen Sex abkriegt. Klar, man braucht ziemlich viel technisches Wissen, das muss man sich irgendwie aneignen, aber das läuft nebenher. Nein, der Witz am Hackersein ist, irgendwohin zu kommen, wo sonst niemand hinkommt. Schranken überwinden. Adressen ermitteln. Passwörter knacken. Im Prinzip bedeutet Hackersein nichts als: Passwörter knacken. Das geht nicht immer mit technischen Hilfsmitteln. Passwörter sind persönlich. Um die rauszukriegen, und um überhaupt zur Passworteingabe vorzudringen, brauchen Sie Wissen über die Leute, die am anderen Ende der Leitung sitzen. Sie brauchen deren Namen, Arbeitsplätze, Telefonnummern, Familienmitglieder und so weiter. Sie müssen dort anrufen als Meinungsforscher und dort vorbeigehen als Klempner. Sie müssen raus in die Büros und Amtsstuben und sich unauffällig die Schreibtische ansehen. Das ist nichts für Typen, die sich nicht aus dem Haus trauen. Und es ist auf jeden Fall viel mehr Detektivarbeit und viel weniger Technik, als man sich so vorstellt.
Eins
17.04 Uhr, schon über eine halbe Stunde nach Feierabend
Wann kam Steenbergen? Ab und zu waren Schritte zu hören, doch stets entfernten sie sich wieder. Spatzen flogen durch das Parkhaus. Das Warten war zermürbend. Kleine Unwägbarkeiten des Plans wuchsen zu riesigen Problemen heran. Der heikelste Punkt war: Steenbergen würde Gelegenheit haben zu betteln. Den Mund zukleben würde nicht helfen, denn Steenbergen musste fahren. Er musste die Hände frei haben. Folglich würde er den Knebel entfernen, sobald er begriff, was auf dem Spiel stand. Dann würde er managermäßig penetrant ein Gespräch suchen, und er würde um sein Leben reden. Er würde logisch sein, gemein, anrührend. Er würde seine Tochter ins Spiel bringen. Da wäre es besser, wenn man ihm von vorneherein das Maul stopfte. Doch mit einem Klebstreifen über dem Mund würde Steenbergen eher begreifen. Und wenn er begriff, würde er kämpfen. Er würde vielleicht auch Sachen mit dem Auto machen. Einen Unfall bauen. Das musste man verhindern.
17.28 Uhr
Die Spatzen starben jetzt auch aus. Wobei hier im Zooparkhaus eine letzte große Kolonie überlebt hatte. Sie tschilpten und flatterten durch die schäbigen Schlingpflanzen, die das hässliche Betonskelett umwucherten, und waren nicht wenige. Vielleicht stimmte das ja gar nicht mit dem Spatzensterben. Wer wusste schon, wer hatte wirklich verfolgt, wie viele Spatzen vorher da gewesen waren? Und vor was? Vor der Gründung von Greenpeace?
17.35 Uhr
In dem Sonnenfleck vor der Betonstütze hüpften drei muntere, gesunde Spatzen, ganz zutraulich, ganz nah. Steenbergen hingegen kam nicht. Vermutlich stapfte er händeschüttelnd durch den Betrieb, um sich bei allen verbliebenen Mitarbeitern