Müllers Morde. Monika Geier

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Müllers Morde - Monika Geier

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festes, dickes Klebeband zu. »Erst über den Mund.«

      »Das kann ich nicht reißen«, sagte Steenbergen. Er drehte die Rolle Klebeband zwischen den Händen. Es wirkte spöttisch.

      »Ist schon geschnitten«, sagte Müller scharf und merkte, wie er plötzlich nervös wurde. Ans Klebeband hatte er gedacht, er hatte es geschnitten und wieder aufgewickelt, damit er nicht gleichzeitig mit Revolver und Messer hantieren musste, das war nicht das Problem. Das Problem waren Steenbergens intelligente Augen, die ihn verstohlen musterten, die den direkten Blickkontakt verweigerten, weil Steenbergen nachdachte und auf der rechten Spur war.

      Müller hob den Revolver: »Los! Mund!«

      Steenbergen riss Klebeband ab, und natürlich waren geschnittene und wieder aufgewickelte Klebstreifen noch weit seltsamer als ein wartendes Auto. Steenbergens Bewegungen wurden langsamer und angespannter, als ob er alles gleich hinwerfen und fliehen würde, und das wäre natürlich eine Katastrophe, denn dann musste Müller ihn einholen und das Messer benutzen. »Na los!«, wiederholte er drängend. Steenbergen blickte ihm plötzlich direkt in die Augen. Müller schob sein Kinn vor, spannte den Hahn des Revolvers und starrte entschlossen zurück. Sein Vorteil war klein, nur weil Steenbergen noch immer nicht richtig begriff, befolgte er die Befehle. Widerstrebend klebte er sich den Mund zu. Anschließend waren die Füße dran. Die Hände übernahm Müller und umwickelte sie auf dem Rücken mit Klebeband. Dann verdoppelte er die Fesseln mit noch mehr Tape. Und schließlich sagte er: »Sie müssen sich in den Fußraum vor die Rücksitze legen.«

      Steenbergen schüttelte den Kopf, in seinen Augen standen nun Trotz und Panik, doch er war zu ausgeliefert, um noch eine Chance zu haben.

      »Passen Sie auf«, sagte Müller versöhnlich. »Da hinten im Fußraum gibt es jede Menge Metallschienen und so ’n Zeug, Sie werden das Tape spätestens morgen früh durchhaben. Sie werden mir dankbar sein, dass ich Sie in den Fußraum gelegt habe, denn da geht es schneller. Ich mach Ihnen sogar noch eine Decke drunter. Und ich hab meinen Vorsprung, okay?«

      Steenbergen wollte nicht. Müller musste ihn erst mit dem Revolver anschubsen. Da fügte der Manager sich, hoppelte zur hinteren Tür und quetschte sich mit viel Mühe auf den Boden, den Müller zuvor mit einem Malervlies ausgekleidet hatte. Ein Malervlies mit Plastikbeschichtung auf der Rückseite, doch das weckte in Steenbergen keinen sichtbaren Argwohn mehr. Schließlich lag er genau so, wie er sollte, und Müller atmete auf. Der Rest war ein Kinderspiel. Er holte die Flasche mit Schutzgas aus seinem Alfa, öffnete ihr Ventil, legte sie in den Fußraum neben den Beifahrersitz des Phaetons und schloss die Türen von außen. Steenbergen begann ordentlich zu zappeln, aber er war auch ordentlich zusammengeklebt.

      Steenbergen bewegte sich nicht mehr.

      * * *

      »Richard«, sagte der Anwalt hinter dem Mahagonischreibtisch, und es klang wie: Mein hoch verehrtes gnädiges Fräulein.

      »Ja«, knurrte Richard, er war über zwei Meter groß, hatte einen schon recht kahlen Schädel, saß absichtlich etwas gebückt und trug seine ältesten Jeans. Doch trotz aller Abwehrmaßnahmen fühlte er sich bedrängt und verlegen. Und ärgerlich: Hatte er es nicht gewusst? War es nicht jedes Mal dasselbe? Das abendlich leere Büro. Das gedämpfte Licht. Der fehlende Freund. »Dr. Steenbergen wollte diesmal wirklich kommen, aber wie’s aussieht, werden wir wieder auf ihn verzichten müssen.« Die Verabschiedung der Sekretärin, die tatsächlich bis acht Uhr abends blieb. »Ah – der Schnapswagen, danke, Valeska. Moment mal, das kann doch nicht wahr sein, der Banyuls ist schon wieder alle?«

      »Ich fürchte, ja, Herr Welsch.« Die Antwort richtete sich zu einem Gutteil an Richard, wie überhaupt die ganze kleine Szene, und sie erinnerte mit Nachdruck daran, dass man sich hier in ­einer der letzten schönen Villen am Adenauer-Ufer befand. Mein Chef ist reich, mächtig und sympathisch, war Valeskas Botschaft. Ein toller Mann. Der Chef selbst setzte ein kesses Lächeln dazu auf. Plötzlich sah er viel jünger aus, und nicht nur um die ­Augen. Der ganze Welsch-Ruinart mitsamt Seidenhemd und Maß­anzug und der schmalen goldenen Uhr am Handgelenk strahlte wie ein mutwilliger kleiner Junge. Man meinte sogar, Sommersprossen auf seiner Nase zu erkennen. Dabei war er mindestens fünfzig und färbte sich vermutlich die Haare. Und vielleicht, dachte ­Richard, lag da auch das ganze Geheimnis: Haartönung. Oder der Typ hatte oben auf dem Speicher ein Porträt stehen wie ­Dorian Gray. Nun erschienen noch zwei winzige Grübchen in seinen Wangen. Grübchen, die Richard bei jeder Frau hinreißend gefunden hätte.

      »Na, dann bleibt uns nichts anderes übrig, als die Reserve anzubrechen«, sagte der Besitzer der Grübchen wohlgemut. »Valeska, wenn ich bitten dürfte, den grand cru, Sie wissen schon, den für besondere Gelegenheiten, haben Sie vielen Dank.«

      Valeska verschwand, brachte wenig später eine verstaubte Flasche und verabschiedete sich diskret. Als sie fort war, füllte Welsch-Ruinart selbst die Gläser, und Richard nippte widerwillig an seinem Banyuls grand cru. Er mochte keine Dessertweine, aber er hatte es nie geschafft, etwas von dem Whiskey zu kriegen, der ihn von der mobilen Bar her golden anfunkelte. Andererseits: Zum Whiskey wollte Richard letztlich gar nicht kommen. Er tat dies hier um des Geldes willen. Also blieb er beim Hauswein. Und lauschte Herrn Welsch-Ruinart. Welsch für die ­Klientschaft. Und Peter für ihn.

      »Ich habe Schliemann gelesen«, sagte Peter in vertraulichem Ton und stellte sein Glas auf den rot schimmernden Schreibtisch.

      Dessen Holz, überlegte Richard, war sicher illegal geschlagen, welches Mahagoni wäre das nicht? »Schliemann«, wiederholte er.

      »Wie Sie empfohlen haben«, sagte Peter.

      Niemals, dachte Richard. Ich? Schliemann?

      »Die Aufzeichnungen über die Ausgrabung von Troja.«

      »Schliemann war ein Visionär«, antwortete Richard höflich. So weit kam es noch, dass er Schliemann empfahl. Schliemann hatte Troja entdeckt, ohne zuvor einen Historiker um Erlaubnis zu fragen, daher ignorierten Historiker ihn ebenfalls. Außerdem: Wer Schliemann las, glaubte am Ende auch an UFOs. Oder an Atlantis. Richard bückte sich und kramte in der Jutetasche, die er neben seinem Sessel auf dem Perserteppich abgestellt hatte.

      »Sie wissen schon, die eulenköpfige Vase. Sie sagten, ich sollte mich absichern. Die Quellen prüfen. In der Chronologie zurückgehen.«

      »Und da sind Sie gleich bis zu den Anfängen der Zivilisation gegangen«, murmelte Richard.

      »Den Anfängen der Archäologie«, verbesserte Peter und begann eine Zusammenfassung des Schliemann’schen Grabungsberichts von Troja. Inzwischen nahm Richard sein Paket aus der Tasche. Er wusste genau, was er gesagt hatte: Vergessen Sie die eulenköpfige Vase, das hatte er gesagt. Die such ich nicht. Er war ja wirklich ein Ass in seinem Fach, und er war auch bereit, einiges fürs Geld zu tun, doch ein Artefakt mit eingebautem Wegweiser nach Atlantis konnte selbst er nicht finden. Dieses Ding existierte nur in der Vorstellung einiger Spinner, und Richard würde den Teufel tun und öffentlich danach fahnden. Wenn er seine Kontakte missbrauchte, um einem Phantom nachzujagen, würde ihn bald überhaupt niemand mehr ernst nehmen. Leider aber wollte sein treuester Kunde durchaus Indiana Jones spielen: »… die drei Papyri befinden sich dem Bericht zufolge in den Kellern der Eremitage von St. Petersburg. Wenn wir die Schriften finden würden, wäre das eine Sensation. Erstens wäre ­Platos Atlantis-Bericht nach Jahrtausenden endlich bestätigt, und zweitens enthalten sie mit Sicherheit auch wertvolle Hinweise auf die Vase.«

      »Die Vase ist Blödsinn«, sagte Richard.

      Eine Pause trat ein.

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