Müllers Morde. Monika Geier

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Müllers Morde - Monika Geier

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Pause wurde unangenehm. Richard fiel nichts ein, was die Situation retten konnte, die Vase war tatsächlich Blödsinn, das hätte er nicht so direkt sagen müssen, aber zurücknehmen konnte er es auf keinen Fall.

      »Tja«, sagte Peter schließlich trocken, »dürfte ich trotzdem mal sehen, was Sie mir mitgebracht haben – vielleicht?«

      »Oh«, sagte Richard, »natürlich. Sofort. Klar.« Hastig entfernte er das Klebeband von seinem Päckchen und öffnete es. Zerknülltes Zeitungspapier quoll hervor. »Bisschen viel Verpackung«, sagte er verlegen und entfernte eilig die obersten Lagen. »Ich habe es nur vor Stößen schützen wollen, immerhin ist es viereinhalbtausend Jahre alt …« Er brach ab und reichte Peter das offene Paket über den Tisch.

      »Von Schliemann?«, fragte der und hob vorsichtig ein kleines, unregelmäßig geformtes Terrakottagefäß aus dem Papier.

      »Aus Troja. Schicht VI, also aus der wahrscheinlichsten Zeit für den Krieg. Mit dem charakteristischen Eulenschnabel am Rand. Schliemann hat Dutzende davon ausgegraben.«

      »Gut, aber hat Schliemann dieses Stück geborgen?« In Peters Augen funkelte plötzlich so etwas wie Mutwille. Es sah fast aus, als ob er innerlich lachte.

      Richard holte tief Luft und sagte: »Ja.« Natürlich war »ja« keine ernsthafte wissenschaftliche Aussage. »Ja« konnte ein Historiker nicht mal vorbehaltlos auf die Frage antworten, ob das Troja Homers wirklich existiert hatte, vom Troja Schliemanns ganz zu schweigen. Andererseits ging es hier ums Geldverdienen. Und Peter war, wie es schien, zufrieden. Mit einem leisen Lächeln um die Lippen begutachtete er seinen neuen Schatz. Dann füllte er die Gläser nach, und Richard atmete auf: Glück gehabt, er musste das Eulendings nicht wieder mitnehmen. Dies war ihr Ritual. Peter packte aus, dann tranken sie, und damit war der Handel besiegelt. Viel eifriger als sonst hob Richard sein Glas. Haargenau gleichzeitig mit Peter. Dabei begegnete er dessen Blick. Und verschluckte sich.

      Herrgott, dachte er hustend, beim nächsten Auftrag muss ich diesem Mann klipp und klar sagen, dass ich hetero bin.

      »Zerbrich die eulenköpfige Vase«, sagte Peter rau.

      »Hören Sie –«, begann Richard.

      »Sie soll ja aus Bronze sein.«

      Richard stellte das Weinglas ab und tastete nach seiner Tasche. »Ich hab heute noch viel zu tun.«

      »Ich frage mich, wie man Bronze zerbrechen kann.«

      Es war unklug, darauf zu antworten, aber das musste gesagt werden: »Gar nicht.« Jahrtausendealte Bronzevasen, so sie denn existierten und man ihrer habhaft wurde, zerbrach man nicht. Man setzte sie höchstens zusammen.

      »Ton wäre natürlich ein viel praktischeres Medium.« Nachdenklich betrachtete Peter sein neu erworbenes Terrakottagefäß. Es würde ihn achttausend Euro kosten. Plus Steuer und Spesen. »Die Metallplakette, die wir suchen, ließe sich weit einfacher in Ton verstecken. Ich frage mich ja, ob das Metallstück mit dem Wegweiser nicht auch in so ein Artefakt eingebettet worden sein könnte.«

      Richard erhob sich. Weg hier, dachte er, nur raus. Auf keinen Fall wollte er weiter verantwortlich sein für das Schicksal dieses armen kleinen Topfs. Er war nicht sehr bemerkenswert, aber es hatte ihn Mühe gekostet, ihn zu finden, und so ganz nebenbei war er auch noch unversehrt durch einen mythischen Krieg und mehrere Jahrtausende bis hierher auf diesen eitlen Mahagonitisch gekommen. Wenn sein durchgeknallter Besitzer nun beschloss, ihn zu zerstören, dann wollte er, Richard Romanoff, Privatgelehrter, Historiker und Spezialist für die Beschaffung seltener Artefakte, nicht dabei sein. Eilig bückte er sich nach seiner Tasche. »Ein Tipp von mir, ich würde davor einen Metalldetektor benutzen.«

      »Oh. Gute Idee.« Peter lächelte. »Was ja interessant ist«, sagte er sanft, »ist, dass Schliemann irgendwann seine Meinung über diese Schnabelgesichter änderte.«

      »Ach ja?«

      »Zuerst hat er sie nur für kultische Eulendarstellungen gehalten. Nachdem er aber Dutzende solcher Funde gemacht hatte, konnte er an die bloße Eule nicht mehr glauben.« Peter zog die kleine Terrakottavase zu sich heran und berührte mit dem linken Zeigefinger sacht ihren Bauch, auf dem sich eine Art Nabel befand. »Die schiere Menge der Artefakte machte ihm klar, dass es etwas weit – Elementareres sein musste.« Er sah auf.

      Und da wünschte Richard fast, er hätte Schliemann doch gelesen. Dieser helle Blick! Unwillkürlich stolperte er rückwärts. Dann trat er sofort verärgert näher, um das grob getöpferte Gefäß gründlicher in Augenschein zu nehmen. Zum ersten Mal sah er es mit so etwas wie ungeduldigem Interesse. Troja, das war nicht sein Gebiet, eine Siedlung aus einer Zeit, in der die Schrift gerade erst erfunden wurde, mit unsicherer Quellenlage, unsicherer Lage überhaupt, politisch, geografisch, wissenschaftlich, in jeder Hinsicht, ein auferstandener Mythos, lästig für jeden Mann der Wissenschaft. Und dieses Gefäß mit den Brauenwülsten und dem Schnabel am Rand war ein Teil davon. Was sollte es darstellen, wenn nicht die allfällige Eule?

      Richard konzentrierte sich. »Es ist eine Frau«, sagte er schließlich. Natürlich: Unter dem herben Gesicht befanden sich zwei winzige Erhebungen, die eigentlich nur Brustwarzen darstellen konnten. Und was zuvor wie ein riesiger Bauchnabel ausgesehen hatte, musste in Wahrheit eine Klitoris sein. Überrascht schaute er Peter an. Eine Frau. Ein Fruchtbarkeitszauber.

      Peter erwiderte sein winziges Lächeln sehr freundlich. Und sagte: »Wir wollen die Bronzevase. Den Wegweiser. Der bringt uns nach Atlantis!«

      Herrgott, dachte Richard. Lass mir doch einen Rest Würde. Sprich es wenigstens nicht direkt aus. »Dann viel Glück.«

      »Sie können die richtige Vase finden!«

      Richard schüttelte den Kopf.

      »Ich weiß es.« Peter hielt das kleine Gefäß hoch. »Dr. Steenbergen wird schon hiervon begeistert sein.«

      »Gut.«

      »Bitte!«

      Richard wand sich und versuchte, diesem offenen, verbindlichen, beschwörenden Blick zu entkommen. »Na schön, demnächst muss ich sowieso nach Berlin, da schaue ich noch mal bei diesem Sammler vorbei, ich weiß, dass der noch ein, zwei von diesen – Dingern hat, aber versprechen kann ich rein gar nichts.«

      »Danke«, sagte Peter. Eigentlich war sein Gesicht eine glatte Herausforderung, unschuldig, aufrichtig, dankbar.

      Doch Richard nahm sie nicht an. Er würde nichts weiter sagen und nichts weiter tun. Er zog nur einen leicht zerdrückten Briefumschlag aus seiner Hosentasche. »Meine Rechnung.«

      »Kommen Sie heute in einem Monat«, rief Peter ihm nach, als er ging.

      * * *

      Es war fast dunkel. Nun musste er es wagen, die Autotüren zu öffnen. Und? Ja. Er hatte es geschafft. Steenbergen war äußerlich unverletzt und tot.

      Steenbergens Arme mussten nach vorn. Wer wusste schließlich, wie lange das hier noch dauern würde, und wenn die Starre einsetzte, durften die Arme nicht auf dem Rücken sein. Es war auch eine gute Übung: lernen, mit der Leiche umzugehen. Sie roch. Steenbergen hatte einen starken Körpergeruch. Seine

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