Schwein im Glück. Astrid Seehaus

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Schwein im Glück - Astrid Seehaus

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Männern ins Bett gehen und den Mann, der dich liebt, dem du vorgemacht hast, dass du ihn heiratest, sitzen lassen. Du bist die ehrlichste, anständigste und organisierteste Frau, die ich kenne. Auch wenn dir das nicht so vorkommt, Bille, du bist etwas Besonderes.“

      Ich lächelte sie an. Das waren genau die tröstenden Worte, die ich brauchte. „Findest du?“

      „Fishing for compliments nenne ich das jetzt mal“, sagte Esme und nippte am Kaffee. „Der ist mal wieder so richtig gut.“ Sie stellte die Tasse ab und bekam diesen seltsamen Ausdruck im Gesicht, der sie immer dann befiel, wenn sie mich etwas fragte, von dem sie wusste, dass mir der Inhalt der Frage nicht behagte. „Bahnt sich etwas zwischen deinem Chef und dir an?“

      Ich war vorbereitet und empörte mich augenblicklich: „Damian Winter? Niemals! Hast du mir nicht zugehört?“ Ich konnte nicht anders, als näher an Esme zu rücken und ihr atemlos von seinem LSD-Gefasel zu erzählen. „Der hat sie doch nicht mehr alle. LSD! Schnieft er das Zeug, und wir kriegen das alle nicht mit?“

      Sie grinste. „Das wird gespritzt, soweit mir bekannt ist. Aber vielleicht wollte er nur einen Witz machen. Du hast dich also doch in ihn verliebt und weißt es vielleicht nur noch nicht.“ Sie malte nun Gänsefüßchen bei ‚verliebt’ in die Luft und beobachtete mich. „Du redest sehr viel über ihn.“ Da ich nicht antwortete, fuhr sie fort: „Warum auch nicht? Die Sache mit Carlo ist jetzt über drei Jahre her. Es wäre einfach schön, dich wieder glücklich zu sehen. Dieser Damian Winter ist ein gut aussehender Mann. Das hast du selbst gesagt. Und er ist kein Schleimer. Das hast du auch gesagt.“

      „Nein, das ist er nicht“, gab ich widerwillig zu. „Wenn ich es mal objektiv …“

      „Ich bitte darum“, unterbrach mich Esme.

      „Obsjektiv betrachte …“ Mir war auf einmal entfallen, was ich hatte sagen wollen. Rätselnd ließ ich die Worte auf der Zunge zergehen und lauschte ihnen nach … Obsjessjion? … Obsjessjiv? „Wenn ich es obsjervativ betrachte, ist er ein … äh …“ Ich versuchte, mich zu erinnern. Mann, dieses Gesöff haute ja unheimlich rein!

      „Aha“, machte Esme.

      Ich gab auf. Mir fiel kein geeigneter Ausdruck für Damian Winter ein. „Ich weiß nicht, wie ich einen Mann beschreiben soll, der sich mir gegenüber korrekt verhält, wobei ich mich falsch fühle.“ Ich sah an meiner Bluse herunter, und der fehlende Knopf sprang mir wieder ins Auge wie ein rotes Warnschild. Mein Finger kreiste in der Luft herum und versuchte, den nicht vorhandenen Knopf zu treffen. „Wie so etwas. Wie ein fehe-lender Knopf. Ich bin und werde es immer sein: unzuhu-länglich. Er ist perfekt.“

      „Niemand ist perfekt“, sagte sie.

      „Du kennst ihn nicht. Er ist perfekt. Er trägt den perfekten Anzug, dazu eine perfekte Krawatte, farblich perfekt aufeinander abgestimmt. Er trägt perfekte Schuhe. Er zeigt ein perfektes Benehmen. Er ist ein Mann ohne Makel.“

      „Das schreit ja regelrecht danach, dass du willst, dass er dir an die Wäsche geht!“ Esme kicherte. „Und ich dachte schon, er sei arrogant und ein Wiesel.“

      „Das habe ich nie behauptet. Ich habe gesagt, er ist arrogant und ein Schnösel.“

      „Ach so. Na dann.“ Sie wurde schlagartig ernst. „Ich meine es gut, Bille, wenn ich sage, dass du wieder einen Mann in dein Leben lassen solltest. Man wird seltsam, wenn man allein ist.“

      „Willst du damit andeuten, ich sei seltsam?“, fragte ich irritiert.

      „Schau dich an! Dein Haar ist so schön, aber du trägst eine Frisur …“, sie deutete auf meinen Knoten im Nacken, „die dich wesentlich älter macht, als du bist. Du trägst eine zerknitterte Bluse mit einem fehlenden Knopf. Warum eigentlich? Hast du nur eine in deinem Kleiderschrank?“ Sie schaute auf meinen Rock, schwarz und schlicht. „Du siehst nicht wie eine Frau aus, die mit Kinderbüchern zu tun hat. Man könnte annehmen, du arbeitest für die Addams Family. Was sollen denn diese schwarzen Kostüme und die weißen Blusen?“

      „Das gilt allgemein als seriös.“

      „Ach Schätzchen“, seufzte sie. „Sieh mich an! Wirke ich in bunten Farben weniger seriös?“

      Ich musterte ihre Kleidung. Ihre Turnschuhe (ein Zugeständnis ans Fahrrad, sonst trug sie Pumps) waren auf ihr rotes Kleid abgestimmt und ein farblich passender rot changierender Schal wie ein Gürtel um ihre Taille gebunden. Ein ähnliches Tuch hielt ihr kastanienbraunes, dickes Haar aus dem Gesicht.

      „Du bist schön. Du kannst alles tragen.“

      Ungeduldig winkte sie ab. „Das lasse ich nicht gelten. Deine Attraktivität steht meiner in nichts nach. Du wälzt dich halt nur gerne wie ein alter Klepper in Selbstmitleid.“

      Das war mir nicht neu. Ich tat es bereits seit über drei Jahren. „Du hast Recht“, gab ich zu. „Ich weiß, dass ich seit Carlo Angst habe, mich auf eine neue Beziehung einzulassen. Ich dachte, er wäre der Richtige. Und alles, was ich mal wollte, ein eigenes Übersetzungsbüro oder einen eigenen kleinen Verlag, habe ich nicht erreicht. Du kennst meinen Traum: Kinderbücher machen. Ich habe es nicht geschafft, Esme. Das hat mich für Jahre gezeichnet.“

      „Ja gut, aber diese Jahre sind vorbei. Ich hoffe doch, dass du daraus keinen Dauerzustand werden lässt. Du kennst meine Meinung: Deine Eltern, besonders deine Mutter, regieren zu sehr in deinem Leben herum. Es konnte niemand wissen, dass Carlo sich so verhalten würde. Er ging nach Amerika und hat dich nicht nachgeholt. Deine Eltern wären auch furchtbar traurig gewesen, wenn du gegangen wärst, aber das heißt nicht, dass du dich ihnen mit Haut und Haaren überlassen musst.“ Sie beugte sich vor und tätschelte meine Hand. „Du hast aufgegeben.“

      Ich fühlte mich tatsächlich wie ein Hund, der von seinem Herrchen im Stich gelassen wurde. „Das stimmt“, schniefte ich vernehmlich. Ich fühlte mich schlimmer als ein Hund, ich fühlte mich wie eine Versagerin.

      „Und jetzt gehen wir shoppen.“ Esme lehnte sich zurück und winkte der Bedienung. „Die Getränke gehen auf mich.“

      „Ich muss zurück ins Büro.“

      „Sag deiner Nesrin, dass du dir einen Magen-Darm-Virus eingefangen hast.“

      „Das glaubt sie mir nie.“

      „Dann sag, dass du ihr Winter überlässt.“

      Ich nickte. Ja, so könnte es funktionieren.

      Benita und Benjamin. In der Pubertät hatte ich mich oft gefragt, ob unsere Eltern für uns eine Zukunft als Varietékünstler geplant hatten. Benjamin hatte nie etwas gegen seinen Namen gehabt. Es war für ihn in Ordnung, Ben gerufen zu werden, oder Benni. Mir blieben die Spitznamen Ben-zwei, Benitalein, Die-Schwester-von-Ben.

      Ben war ein guter Bruder, einer, den jede Schwester sich wünscht: beschützend, verständnisvoll, loyal. Und – und das war wohl der ausschlaggebende Punkt, ihn für immer lieb zu haben –, er verteidigte mich vor unseren Eltern, als ich mit vierzehn beschloss, mich Bille rufen zu lassen. Ich hatte den Namen Benita bis dahin abgrundtief hassen gelernt.

      Unsere Mutter Jette hatte – natürlich – dagegen protestiert. Sie hatte den Namen Benita für mich ausgesucht, und Bastian, unser Vater, hatte sich – bestimmt wieder – herausgehalten. Wie sonst auch wird er sich an seine Zeitung geklammert haben,

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