Schwein im Glück. Astrid Seehaus
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„Was ist los, Ben, die zweite?“, fragte er mich, seine Schwester, die, die nach ihm auf die Welt gekommen war, wenn auch nur Minuten später.
Ich lächelte müde. „Hast du jemals darüber nachgedacht, im Varieté aufzutreten?“
Er lachte auf. „Die Börse ist auch ein verrückter Zirkus.“ Er sah auf sein Smartphone und checkte kurz Dax und Dow Jones.
„Eine neue Freundin?“, fragte ich möglichst unschuldig. Ich kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass seine Nervosität mit einer neuen Frau zu tun hatte. „Irgendwann wirst du mit deinen Parallelwelten auf die Nase fallen. Irgendwann wird die eine der anderen begegnen, und wie willst du dich dann herausreden?“
Er sah mich lächelnd an. „Gar nicht. Sie wissen voneinander.“
Ich hob die Augenbrauen. „Und sind dir nicht böse?“
„Bille-Maus“, sagte Ben herablassend, und auch wenn ich meinem Bruder von Herzen zugetan war, diese Attitüde machte mich wahnsinnig. „Sie lieben mich. So wie du und Mam.“
„Klasse, dass du mich schon auf eine Stufe mit Mama stellst.“ Ich sah ihm dabei zu, wie er auf die Tastatur seines Gerätes drosch, und wunderte mich, wie er es schaffte, sich nie zu vertippen. „Was ist? Fallen deine Kartoffelpreise?“
„Ich habe in einen Mikrofinanzfond investiert und schaue mir gerade die Zahlen an.“
„Ist das gut?“
Er nickte. „Auf jeden Fall. Es wirft nicht viel ab, aber es ist eine gute Idee, Kleinunternehmer in den Drittweltländern zu unterstützen, und das tue ich hiermit.“
Nachdem er alle Zahlen gecheckt hatte, legte er das Smartphone beiseite und sah mich direkt an. Sein Blick war ernst, und ich wusste, dass er in meinen Gedanken zu lesen versuchte.
„Du steckst wieder in Schwierigkeiten“, stellte er folgerichtig fest.
„So würde ich das nicht nennen“, wand ich mich und wäre am liebsten unter meine Decke gekrochen.
Wir saßen auf meinem Bett, das noch das bequemste Möbelstück im Zimmer war. Schon früher haben wir oft auf unseren Betten gesessen und bis tief in die Nacht über Solschenizyn, Thomas Mann und wie man am schnellsten ein Mädchen rumkriegt, diskutiert. Ich sehnte diese Zeiten zurück. Ben war einfach zu wenig zu Hause, als dass man ihn noch zur Familie gehörig empfand. Er war eher zu einem durchreisenden Zugvogel geworden. Er blieb nicht lange genug, als dass man sich wieder an ihn gewöhnen konnte, und wenn er ging, hinterließ er eine unbestimmte Form von Sehnsucht. Bei mir wie auch bei unserer Mutter.
„Ich habe einen neuen Vorgesetzten, der mir das Leben zur Hölle macht.“ Ich wusste, dass ich übertrieb. Niemand machte mir das Leben zur Hölle außer ich selbst. Ich hätte Damian Winter auch weniger Beachtung schenken können. Ihn wie Weber behandeln können. Aber Weber und Winter waren, abgesehen von den gleichen Initialen, so unterschiedlich wie die Farben Rot und Grün. Es gab noch mehr Unterschiede zwischen den Männern, Weber war nicht sonderlich attraktiv und alt wie Methusalem. Damian Winter führte mir dagegen jeden Tag vor Augen, was es hieß, ein lebendiges Wesen zu sein, das irgendwann einmal Sex gehabt hatte. Ich konnte mich an den Sex mit Carlo nicht mehr erinnern. Aber daran, dass es etwas gab, das einem den Puls hochschnellen ließ, durchaus. Winter ließ meinen Puls hochschnellen.
Ben nickte verständnisvoll. „Du hast dich in ihn verknallt.“
„Ach Quatsch!“, murmelte ich. „Ich hasse Männer.“
Ben bleckte grinsend die Zähne. „Oh ja, so gut sieht er also aus.“
Ich blitzte ihn böse an.
„Du redest von einem Mann, der dir die Knie schlottern lässt. Und? Ist er denn auch an dir interessiert?“
„Du Schwachkopf, ich bin es, die nicht interessiert ist. Schau mich doch an. Ich sehe so durchschnittlich aus, wie man nur aussehen kann.“
Ich versuchte, Esmes Worte vom Vormittag aus dem Kopf zu bekommen. Würde sie mich jetzt hören, wie ich auch bei Ben nach Komplimenten fischte, würde sie mich überhaupt nicht mehr ernst nehmen. Aber ich brauchte diese doppelte Zusicherung – die von Esme und Ben. Ich war so unglaublich bedürftig und musste einfach sicher gehen, dass ich von den zwei Menschen, die ich am meisten liebte, mit allen meinen Fehlern und Unzulänglichkeiten akzeptiert wurde. Nicht nur das: Ich brauchte diese Bestätigung, dass ich trotzdem in Ordnung war.
Ben strahlte mich an. „Du weißt genau, wie hübsch du bist. Du hast Modelmaße, ich muss das ja wissen, ich bin ein Mann.“
„Du bist ein Bruder.“
„Da verwechselst du was“, widersprach er. „Wir sind beide über einen Meter achtzig groß, wir sind schlank, haben tolles braunes Haar.“
„Köterblond“, unterbrach ich ihn.
„In New York heißt die Farbe Melange. Und unsere Augen sind umwerfend. Jedes Mal wenn ein Mädchen sich in mich verliebt, dann wegen meiner sanften, braunen Augen.“
„Ja, du Reh. Und ich heiße Angelina und schleudere meine kaum vorhandenen Brüste ins Gesicht eines jeden Mannes, der sich, erschlagen von so viel Weiblichkeit, in mich verknallt.“
Er sah auf meine Oberweite, die ich, gemessen an Esmes, für kaum wahrnehmbar hielt, und sagte: „Dein Busen ist schön. Mehr würde den Männern Angst machen. Du hast eine natürliche Ausstrahlung. Andere beneiden dich um dein Aussehen.“
Ich starrte ihn an. „Wer?“
Er runzelte die Stirn und dachte nach, bis ihm der Name der Verflossenen wieder einfiel. „Salva.“
„Die aus Italien?“
„Slovenien.“
„Die sah aber doch selber so hübsch