Hilfskreuzer „Chamäleon“ auf Kaperfahrt in ferne Meere. Heinz-Dietmar Lütje

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Hilfskreuzer „Chamäleon“ auf Kaperfahrt in ferne Meere - Heinz-Dietmar Lütje

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Diese machte der Kommandant aber nicht mit.

      Es ist ein kühler, wenn auch gleich, sonniger, Spätseptembertag, Donnerstag, der 28.09.1939, als der Kommandant die für seine künftige Besatzung vorgesehen Seeleute musterte. Der Korvettenkapitän geht die Front der angetretenen Seesoldaten ab und spricht mit jedem einzelnen Mann: Name, Zivilberuf, Familienverhältnisse und Herkommen, aktiv oder Reservist, welche bisherigen Kommandos, verheiratet, Geschwister, Stand der Eltern und dergleichen? Hierbei nimmt er wenig Rücksicht auf die ihm unter den Nägeln brennende Zeit. Dafür ist hier nicht der richtige Zeitpunkt. Mit seiner Besatzung soll er schließlich, evtl. ein Jahr, vielleicht sogar noch wesentlich länger, zusammen auf Feindfahrt gehen. Wenn er jetzt nicht ziemlich genau die Spreu vom Weizen sondert, würde er später, evtl. durch die Unzulänglichkeiten eines Einzelnen, sogar das Leben und die Gesundheit seiner Leute oder etwa gar das ganze Schiff aufs Spiel setzen.

      Und genau dieses berücksichtigt er in seiner Fragestellung: „Name?“

      „Matrosengefreiter Scholz, Herr Kaptän.“

      „Wie lange dabei?“

      „Knapp fünf Jahre, Herr Kaptän.“

      „Wieso dann immer noch Matrosengefreiter?“

      „Kommandant und Offiziere mochten mich nicht, Herr Kaptän.“

      „Abtreten!“

      Nur so konnte Waldau reagieren. Soldaten, die sich mit ihren Vorgesetzen nicht verstanden, waren bestimmt das Gegenteil von dem, was er sich für seine Besatzung wünschte.

      Von 286 angetretenen Seesoldaten übernimmt er gerade 192 für sein Kommando. Nach der Musterung lässt er gegenüber dem vergeblich protestierenden Personalreferenten durchblicken, dass er entsetzt sei, dass man ihm hier lauter „unliebsame Elemente“ unterschieben möchte.

      In diesem Sinne wendet sich der Kommandant sowohl an SKL als auch die Marinedienststelle Hamburg, der er für die Dauer der Personalauslese und Ausrüstung seines Schiffes unterstellt ist, und lässt anklingen, dass er auf diese Weise unmöglich binnen zwei Monaten seine Besatzung zusammen haben könne. Der Kommandant stellt weiter fest, dass er besonderen Wert auf Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaft lege, die bereits Auslandsfahrten auf Auslandskreuzern, Segelschulschiffen oder auch während des spanischen Bürgerkrieges auf den dort eingesetzten Panzerschiffen und Kreuzern hinter sich haben. Bei dieser Gelegenheit bemerkt Waldau gegenüber dem Personalgewaltigen der Marine, dass er selbst, seinerzeit als II.AO auf einem Panzerschiff am Spanien-Intermezzo der Marine teilgenommen habe und sich auch noch sehr gut daran erinnere, wie viele Tote das Panzerschiff „Deutschland“, als dieses von rotspanischen Flugzeugen in Folge einer Verwechslung mit einem nationalspanischen Kreuzer schwere Bombentreffer hatte hinnehmen müssen.

      „Solche Leute, die bereits etwas mitgemacht haben, benötige ich“, verschafft sich der Kommandant dem Verwaltungsbeamten für Personalangelegenheiten der Marine gegenüber Geltung, „und nicht die schrägen Typen, die Sie mir hier zum Teil unterschieben wollen.“

      Seine letzten fehlenden, noch über 100 Männer der Besatzung, musste der Kommandant schließlich aus der Schiff-Stammabteilung in Gotenhafen rekrutieren.

      Endlich steht zumindest die vorläufige Besatzung ihrer gedachten Sollstärke nach. Zwischenzeitlich ist auch der Umbau des Schiffes – vom Frachter zum Hilfskreuzer – beendet. Alle Waffen sowie Feuerleitanlagen, Munitionskammern und –aufzüge und dergleichen sind eingebaut. Laderäume wurden zu Mannschaftswohnräumen, Gefangenräume und Messen ausgebaut. Zwei leistungsstarke zusätzliche Kraftwerke wurden installiert, da die bisherigen Anlagen zwar für ein Frachtschiff voll und ganz ausreichten, für ein Kriegsschiff aber bei weitem nicht genug „Saft“ lieferten, um den erheblichen Energiebedarf für die komplizierten Waffensysteme zu erzeugen. Zusätzlich war eine Generalüberholung der Maschinenanlage vorgenommen und sämtliche Navigationsmittel kriegsmäßig ergänzt worden. Außerdem verfügte das Schiff nunmehr über ein leistungsfähiges eigenes Lazarett mit vorgesehenen 18 Betten, einem Operationsraum sowie einem Zahnbehandlungsstuhl und alle hierfür vorgesehene Ausrüstung.

      Leider war es Waldau nicht gelungen, der SKL praktikable und machbare Vorschläge zum Einbau einer Katapultanlage zum Start des Bordflugzeuges zu unterbreiten. Die Bordflugzeuge würden also künftig per Kran ausgesetzt und auf dem Wasser starten müssen. Die Landung der Bordflugzeuge musste ohnehin auf dem Wasser erfolgen. Schließlich war ein Hilfskreuzer kein Flugzeugträger. In der Rekordzeit von weniger als zwei Monaten konnte Waldau am 03.November 1939, dem Tag des deutsch-sowjetischen Abkommens über die Umsiedlung der Volksdeutschen aus der Westukraine in den Wartegau, der SKL sein Schiff seeklar melden.

      – Probleme über Probleme –

      Das nunmehr kriegsmäßig ausgerüstete Schiff, getarnt als Marinehilfsschiff „Großenbrode“, läuft nunmehr durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal in die Ostsee. Nachdem das Schiff die Kanaldurchfahrt mit Lotsenhilfe durchführen musste, verlässt der Lotse in Kiel-Holtenau das Schiff. Waffen und sonstige Ausrüstungen waren hervorragend getarnt, so dass der Zivil-Lotse diese gar nicht zur Kenntnis genommen hat. Er mag sich zwar über die hervorragende nautische Ausrüstung des Schiffes auf der Brücke etwas gewundert haben, ließ sich dieses aber nicht anmerken. Vielleicht nahm er diese auch für ein Hilfskriegsschiff als selbstverständlich an. Die Mannschaft blieb zum größten Teil unter Deck, so dass er sich auch über eine unverhältnismäßige Mannschaftsstärke nicht wundern brauchte. Nach Absetzen des Lotsen ging es weiter durch die Kieler Förde in die freie Ostsee. Hier war im sogenannten „Schießgebiet“ alles für die Erprobung der Waffen vorgesehen.

      Am Mittwoch, dem 08. November 1939, stand der Hilfskreuzer, weit außer Landsicht, in der Mitte der westlichen Ostsee und es stand zunächst die Erprobung der Flakwaffen auf dem Programm. Geschossen wurde mit den 3,7 bzw. 2-Zentimeter Flakwaffen auf, von Heinkel-Flugzeugen geschleppte, Ballone, die an einer Schlepptrosse von ca. 500 Metern von den Flugzeugen nachgezogen wurden. Während dieser zwei Tage dauernden Übungen wurde – nach zunächst mehr als mangelhaften Ergebnissen – schließlich ein durchaus brauchbares Resultat erzielt und der Kommandant zeigte sich mit der unter dem Kommando des II. AO stehenden Flakpersonals zufrieden. Am Abend des 9. November 1939 – nach Eintritt der Dunkelheit – wurde mittels Hilfe der relativ starken Scheinwerferanlage des Schiffes, die die Zielkörper anleuchtete, geschossen, war die Erprobung der Flakwaffen beendet. Am Abend in den 20.00 Uhr Nachrichten des Großdeutschen Rundfunks erfolgte, von der Besatzung größtenteils mit Bestürzung aufgenommen, die Meldung dass ein Attentat auf den Führer des Großdeutschen Reiches, Adolf Hitler, nach seiner Rede im Münchener Bürgerbräukeller mittels Sprengstoffes fehlgeschlagen sei. Der Kommandant nahm dieses zum Anlass, am darauffolgenden Tage, dem 10.11.1939, vor Beginn des vorgesehen Gefechtsschießens der schweren Batterie, der auf dem Achterdeck versammelten Mannschaft folgendes zu verkünden:

      „Soldaten der Deutschen Kriegsmarine! Wie Ihnen zwischenzeitlich sicherlich auch bekannt, haben irregeleitete Elemente am Abend des 8. November 1939 versucht, den Führer des Großdeutschen Reiches und Oberbefehlshaber der Deutschen Wehrmacht, Adolf Hitler, durch ein hinterhältiges Sprengstoffattentat zu ermorden. Glücklicherweise ist dieser feige Anschlag fehlgeschlagen und der Führer und Oberbefehlshaber der Wehrmacht unverletzt geblieben. Diese Tat ist umso verabscheuungswürdiger, als sich das Großdeutsche Reich seit dem 01. September1939, insbesondere seit dem Kriegseintritt Großbritanniens und Frankreichs, in einem heldenmütigen Kampf gegen weit überlegene Streitkräfte der Gegner befindet. Dieses betrifft, in Anbetracht der nicht wegzuleugnenden Überlegenheit – insbesondere der englischen Flotte – besonders die deutsche Kriegsmarine. Es mag in jedem Staat der Erde Andersdenkende geben. Es mag auch durchaus ehrenvoll sein, wenn sich Menschen aus Überzeugung gegen eine ungerechte Staatsführung, gemeint

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