Hilfskreuzer „Chamäleon“ auf Kaperfahrt in ferne Meere. Heinz-Dietmar Lütje
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Читать онлайн книгу Hilfskreuzer „Chamäleon“ auf Kaperfahrt in ferne Meere - Heinz-Dietmar Lütje страница 10
Die Feindflugzeuge kamen aus dem Wirkungsbereich der Waffen und flogen im direkten Kurs weiter auf Kiel. „Feuer einstellen, Maschine Umdrehung für 10 sm“, kam das Kommando des Kommandanten und der Verband setzte seine Fahrt fort. Das führende Torpedoboot meldete sich, „ K an K, aussprechende Anerkennung zum ersten Abschuss. Von mir bestätigt“, ließ sich der Kommandant des Führertorpedobootes vernehmen. Korvettenkapitän Waldau fuhr sich mit dem Ärmel seines Bordjacketts über die vor Anspannung klatschnasse Stirn, „geben Sie zurück: K an K, vielen Dank, auch für Ihre segensreiche Unterstützung.“ Der Kommandant nahm noch einmal das Doppelglas vor das Gesicht, aber die Feindmaschinen waren nur noch als kleine Punkte in der Ferne auszumachen. Deutlich hörte man nunmehr auch, wie die Flakbatterien an Land sowie die Schiffsflak der im Hafen liegenden Marineeinheiten die Feindflugzeuge nunmehr unter Feuer nahmen. Kurz darauf dröhnten dumpf die Detonationen der Feindbomber über die Förde. Trefferwirkungen waren jedoch vom Schiff her nicht auszumachen.
„Na also“, meinte der IO und setzte das Glas ab, „haben die Tommys also nur die armen Fische erschreckt.“
„Nun lassen Sie mal, IO“, versetzte Waldau, „mir langt dieses Zwischenspiel als Ouvertüre zu unserer Unternehmung durchaus.
Der IO grinste den Kommandanten an, „habe ich’s mir nicht gedacht.“ „Was belieben zu denken, IO?“ Der Kommandant musterte seinen alten Freund und jetzigen ersten Offizier. Zwischenzeitlich spitzten auch die anderen Seeoffiziere sowie das sonstige Brückenpersonal gespannt die Ohren, um sich ja nichts vom Gespräch der beiden wichtigsten Männer an Bord, denn das waren Kommandant und IO im Hinblick auf die Schiffsführung allemal, entgehen zu lassen. Dem Kommandanten blieb die gebannte Aufmerksamkeit seiner Untergebenen selbstverständlich nicht verborgen und nach einem Blick in die Runde meinte er, „ na gut, Herrschaften, eigentlich solltet Ihr es ja erst in einigen Stunden erfahren, aber was soll’s. Die Unternehmung hat begonnen.“ Ob dieser Eröffnung des Kommandanten war es auf der Brücke so still, dass man die bekannte Stecknadel hätte zu Boden fallen hören können. Der IO, Graf Terra, wer sollte es auch anders sein, brach das andauernde Schweigen als erster und meinte, unbekümmert in die Runde blickend, „wenn das kein gutes Omen ist, kaum die Leinen gelöst und schon die Feuertaufe erfolgreich bestanden.“ Der Kommandant, der dieses Gespräch zumindest zu diesem Zeitpunkt nicht vertiefen wollte – insgeheim ärgerte er sich, dass ihm nun doch zu früh herausgerutscht war, dass die Feindfahrt bereits begonnen hatte – versetzte knapp, „nun verfallen Sie mal nicht in grenzenlosen Optimismus, IO, hierzu besteht wahrhaftig derzeit keinerlei Anlass. Die wirklichen Probleme stehen uns weiß Gott noch bevor.“ Allen auf der Brücke war klar, dass hiermit zunächst der Durchbruch in den freien Atlantik gemeint war.
Der Kommandant befahl den II AO sowie die Bedienungen der erfolgreichen Flakwaffen auf die Brücke und beglückwünschte ihn und die gesamte Geschützbedienung zu ihrem Erfolg. Bevor die gehobene Stimmung auf der Brücke ausufern konnte, versetzte der Kommandant knapp, „IO, weisen Sie die Ausgucks noch einmal an, ihre Sektoren genau im Auge zu behalten, vielleicht war das ja nicht die einzige Überraschung. Befehl an II AO: Flakwaffen besetzt halten, volle Kriegswache bleibt bestehen!“
Zwei Stunden später saßen Kommandant und wachfreie Offiziere in der Offiziersmesse beim Abendessen. Die Dunkelheit war hereingebrochen und das Schiff kriegsmäßig abgeblendet. Auf der Brücke stand der II O. Während das Schiff, nach wie vor im Geleit der beiden Torpedoboote, weiterhin mit kontinuierlicher Marschfahrt von 10 sm sich seinen Weg durch die leicht bewegliche Ostsee bahnte, beendeten die Offiziere ihr Abendessen. Nach und nach verstummte das Klappern der Bestecke und die als Ordonanz eingeteilten Seeleute räumten ab. Augenblicklich unterbrachen die Offiziere ihre in Gang gekommenen Einzelgespräche und es trat absolute Stille ein.
„Meine Herren“, begann der Korvettenkapitän Waldau seine Ansprache, „wie ja mittlerweile vom IO bis zum letzten Mann als bekannt vorausgesetzt werden darf, hat die Unternehmung begonnen. Wie Sie wissen, trägt das Schiff bisher keinen Namen, sondern lediglich – wie im Übrigen alle Hilfsschiffe – eine taktische Nummer, in unserem Falle Schiff 66. Die SKL hat, an die Tradition des Weltkrieges anknüpfend, mir gestattet, den internen Schiffsnamen selbst zu wählen.“ Bei diesen Worten des Kommandanten steigerte sich das Interesse seiner Zuhörer nochmals, schließlich wollten sie sich alle mit ihrem Schiff identifizieren und hierzu gehört selbstverständlich nicht nur eine taktische Nummer, sondern das Schiff musste einfach einen Namen haben, nach Möglichkeit einen solchen, der auch der Aufgabenstellung ihrer Einheit gerecht werden würde. „Ich habe mich daher entschlossen, unser Schiff 66, den Hilfskreuzer A der deutschen Kriegsmarine, also den ersten Hilfskreuzer in diesem Kriege auf deutscher Seite, „Chamäleon“ zu taufen.“
Der Kommandant schaute in die Runde und bemerkte sehr wohl, dass diese Namenswahl nicht überall sichtbare Zustimmung hervorrief. „ Ich sehe Ihnen an, meine Herren“, fuhr der Kommandant fort, „dass einigen von Ihnen dieser Name für unser Schiff zu missfallen scheint. Vielleicht haben Sie sich einen kriegerischen oder aber auch einen traditionsreichen Schiffsnamen gewünscht. Ich darf Ihnen aber versichern, dass ich diesen Namen mit Bedacht gewählt habe.“ Der Kommandant machte eine Pause und nahm einen Schluck aus dem vor ihm stehenden Glas mit Fruchtsaft, in der Marinesprache Kujambel genannt. Alkohol war bekanntlich während einer Kriegsfahrt an Bord deutscher Kriegsschiffe, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht gestattet.
„Aber meine Herren“, fuhr der Kommandant fort, „ich will Ihnen begründen, was mich zu dieser Namenswahl veranlasst hat und ich hoffe und wünsche mir sehr, dass Sie mir dann beipflichten werden.“ Der Kommandant erteilte Raucherlaubnis, steckte sich selbst einen Glimmstängel an und fuhr fort, „ Aufgabe eines Hilfskreuzers ist es bekanntlich, feindliche Handelsschiffe aufzubringen bzw. zu versenken und allein durch seine bloße Anwesenheit den Gegner zu zwingen, zum Schutz seiner Versorgungslinien und zur Jagd auf einen Handelsstörer Seestreitkräfte von anderen Aufgaben abzuziehen, die somit zwangsläufig an anderen Brennpunkten fehlen und somit insgesamt die Schlagkraft der gegnerischen Flotte schwächen.“ Der Kommandant führte weiter aus, dass Hauptaufgabe eines Hilfskreuzers nicht unbedingt nur die Versenkung oder Aufbringung einer großen Zahl feindlicher Handelsschiffe sei, sondern insbesondere darin liege, sich dem Zugriff des übermächtigen Gegners solange irgend möglich zu entziehen, um den Gegner insoweit nicht zur Ruhe kommen zu lassen, in dem Bewusstsein, der Handelsstörkreuzer könne heute hier oder morgen dort zuschlagen, so dass der Gegner gezwungen war, seine Kräfte zu zersplittern, um seinen Nachschublinien den erforderlichen Schutz angedeihen zu lassen.
„Dieses Ziel, meine Herren“, setzte der Kommandant seine Ausführungen fort, „können wir nur erreichen, indem wir durch bestmögliche Tarnung und heimliches Verhalten sowenig Argwohn wie möglich wecken. Zuschlagen, aufbringen oder versenken und baldmöglichst wieder in der Weite der See zu verschwinden, ist die Devise. Unsere stärksten Waffen werden also beileibe nicht die 15-Zentimeter Kanonen oder die Torpedos sein. Vielmehr wird es weitgehend von unserer Tarnung abhängen, ob wir überleben oder nicht bzw. wie lange wir in See bleiben können? Und da Tarnung