Hilfskreuzer „Chamäleon“ auf Kaperfahrt in ferne Meere. Heinz-Dietmar Lütje

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Hilfskreuzer „Chamäleon“ auf Kaperfahrt in ferne Meere - Heinz-Dietmar Lütje

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einleitenden Satz musterte Korvettenkapitän Waldau sein Gegenüber. Er sah einen stämmigen, untersetzten alten Fahrensmann mit durch Sonne und Wind gekerbten Zügen von ca. 50 Jahren. Dieser schaute ihn offen aus dunkelbraunen Augen, umkränzt von buschigen Augenbrauen, die über der Nase zusammengewachsen waren, an. „Hornsby, Master William Hornsby“, stellte sich der englische Handelskapitän vor. „Tun Sie, was Sie glauben tun zu müssen.“ sprach dieser den deutschen Kommandanten zu dessen nicht gelinder Überraschung an, der seine vorherigen Worte ohne weiter nachzudenken auch in Deutsch an den Master des britischen Schiffes gerichtet hatte. „Oh, execuse me, Kapitän, ich freue mich, dass Sie offenbar nicht nur Deutsch verstehen, sondern auch hervorragend sprechen“, entgegnete der sichtlich überraschte Waldau. „Wenn Sie es wünschen, dürfen Sie gern an Deck bleiben und zuschauen, wie Ihr Schiff in“ – Waldau schaute auf die Uhr – „etwa 10 Minuten durch die von meinen Feuerwerkern angebrachten Sprengladungen auf Grund gehen wird.“ Waldau bemerkte, wie sich die Gesichtszüge seines Gegenübers in offensichtlicher Verbitterung verzogen und fuhr schnell fort, „selbstverständlich habe ich aber dafür auch allergrößtes Verständnis, Herr Kapitän, wenn Sie sich diesen Anblick ersparen möchten. Wenn Sie es wünschen, lasse ich Sie selbstverständlich auch sofort unter Deck geleiten – selbstverständlich zu Ihrer Mannschaft.“ „Ich bitte darum“, versetze der Kapitän der aufgebrachten „Jolante“ und wandte sich ab. „Führen Sie den Herrn Kapitän zu seinen Leuten, IO“, brummte Waldau zu seinem Freund Terra gewandt und richtete seine Augen wieder auf den gegnerischen Frachter.

      Wenige Minuten später detonierten die angebrachten Sprengkapseln auf der ersten Beute des „Chamäleons“ und langsam sackte das Schiff auf ebenem Kiel tiefer, um nach ca. 10 Minuten von der Wasseroberfläche verschwunden zu sein. „Chamäleon“ hatte hiermit seine erste Beute versenkt, „unter Deck geschoben“, wie es in der Kriegsmarine hieß.

      Mit südlichem Kurs durchpflügte „Chamäleon“ den Nordatlantik Richtung Äquator. Seit der ersten Versenkung war kein weiterer Gegner mehr in Sicht gekommen. Unablässig beobachteten Brücke und Ausguckposten die ihnen zugewiesenen Sektoren. Trotz des relativ guten Wetters, verbunden mit weiter Sicht, wollte keinerlei über der Kimm aufsteigende Rauchfahne eine weitere Beute ankündigen.

      Tage später, gegen 10.00 Uhr vormittags – der Kommandant hatte gerade sein zweites Frühstück eingenommen – ließ sich bei diesem der zweite Offizier, Oberleutnant Uwe Semmler, melden und wurde von Waldau sofort empfangen. Nach dessen militärischer Meldung bot Waldau seinem IIO Platz vor seinem Schreibtisch, der am Boden fest verankert war, um auch bei schwerer See nicht Gefahr zu laufen, sich selbständig zu machen, an und schaute sein Gegenüber erwartungsvoll an. „Na, Semmler, was gibt’s?“ „Ich habe auftragsgemäß die persönlichen Habseligkeiten der Gefangenen überprüft“, berichtete der IIO, „Herr Kaptän.“ Der Kommandant merkte seinem Untergebenen sofort an, dass dieser kaum abwarten konnte, ihm offenbar außerordentlich interessante Feststellungen zu melden. Waldau grinste ob des kaum verhohlenen Eifers des jungen Offiziers und ermunterte ihn, „na, was interessantes dabei?“

      „Das kann man wohl sagen, Herr Kaptän“, meldete der junge Oberleutnant und zog einen Briefumschlag aus der Innentasche seines Bordjacketts. „Dieses stammt aus der Jacke des Funkers.“ Der Kommandant nahm den Umschlag entgegen und betrachtete ihn zunächst von beiden Seiten. Gerichtet war der Brief an einen Edward Simmons, Funkoffizier, MS Jolante, Liverpool.

      „Der Absender“, platzte Semmler heraus, um sich sofort zu entschuldigen, „Verzeihung Herr Kaptän, der Absender erscheint mir sehr interessant.“ Waldau wendete den Brief und staunte ehrlich.

      „Sir Walter Hawkens, Rear-Admiral, London“, las er zu seiner Überraschung und widmete sich nunmehr mit größtem Interesse dem Brief selbst.

      Dieser trug ebenfalls den Kopf des Rear-Admirals, der neben vielen persönlichen Floskeln in diesem Schreiben seinen Neffen, um diesen handelte es sich nämlich bei dem Funkoffizier der aufgebrachten Jolante, wissen ließ, dass er ein Kreuzergeschwader im Südatlantik übernehmen werde und seinen geliebten Neffen aufforderte, sich unmittelbar nach Beendigung der Fahrt als Reserveoffizier der Royal-Navy zur Verfügung zu stellen und ihn sofort über die Admiralität in London zu informieren, damit er ihn, seinen Neffen, für eines seiner Schiffe anfordern könne.

      „Das ist ja wirklich interessant“, versetzte Waldau, „leider hilft es uns wenig weiter, wir werden aber entsprechende Mitteilung über die zu erwartenden Operationen eines Kreuzergeschwaders im Südatlantik per FT an die SLK senden. Gibt es sonst noch irgendetwas von Bedeutung unter den Habseligkeiten der Männer?“

      „Nein, Herr Kaptän“, antwortete der IIO. „In Ordnung, Semmler“, versetzte Waldau, „dann veranlassen Sie, dass den Leuten ihre persönlichen Sachen zurückgegeben werden. Im Übrigen möchte ich Sie dann bitten, sich neben Ihren Aufgaben als II WO auch als „Gefangenenoffizier“ zu betrachten und sich um Sorgen und Probleme der Gefangenen zu kümmern. Sprechen Sie mit den Leuten, kümmern Sie sich auch um persönliche Wünsche und Bedürfnisse und sorgen Sie vor allem dafür, dass alle nur denkbaren Erleichterungen gewährt werden können. Versuchen Sie hierbei auch weitere für uns interessante Einzelheiten in Erfahrung zu bringen. Kurzum, versuchen Sie, für die Gefangenen nicht der böse Hunne zu sein, sondern bemühen Sie sich – soweit möglich selbstverständlich – auch um einen kameradschaftlichen Ton.“

      Damit entließ der Kommandant seinen IIO.

      Am folgenden Morgen – Waldau saß gerade mit seinen Offizieren – mit Ausnahme des IIO, der als diensthabender Offizier zur Zeit den Hilfskreuzer fuhr – in der Offiziersmesse nach dem zweiten Frühstück zusammen und erörterte die Lage – als eine erneute Sichtmeldung erfolgte. Waldau und Terra stürzten auf die Brücke.

      „Rauchfahne Backbord querab, Herr Kaptän“, meldete Oberleutnant Semmler als wachhabender Offizier. Waldau und Terra hoben die schweren Marinegläser an die Augen und starrten angestrengt in die angegebene Richtung. Endlich, nach dem Nachjustieren der Gläser, erkannte der IO, Graf Terra, den feinen verwischten Strich an der Kimm und bedeutete dem Kommandanten die genaue Richtung. Jetzt sah es dieser auch. „Verdammt gute Sicht, also verdammt weit weg“, brummte Waldau. „Was meinen Sie, IO, wollen wir das Flugzeug erstmals aussetzen?“ „Wäre sicherlich empfehlenswert, Herr Kaptän.“ „Gut, veranlassen Sie das IO.“

      Kurz darauf meldete sich der Fliegeroffizier, Leutnant Elmar Spaß mit dem Flugzeugführer, Feldwebel Gottfried Schütze, bei dem Kommandanten. Beide erklärten, es bestehen keine Bedenken gegen den Einsatz des Bordflugzeuges, das kurz darauf gestartet wurde.

      Kommandant und IO, sowie alle Mann, soweit es ihnen möglich war, blickten dem startenden Bordflugzeug nach, dass sich ohne Schwierigkeiten von der glatten See erhob, noch eine Ehrenrunde über den Hilfskreuzer drehte und dann Kurs auf die gesichtete Rauchfahne nahm.

      „Na, nun heißt es abwarten“, brummte der IO und grinste den Kommandanten an.

      Die Arado stieg schnell auf etwa 600 Meter Höhe und nahm Kurs auf das gesichtete Schiff. Nach wenigen Minuten bereits war von Leutnant Spaß klar auszumachen, dass es sich bei der erhofften zweiten Beute des „Chamäleons“ um einen tief im Wasser liegenden, also bis zur Halskrause vollgelutschten, Tanker von etwa 7.000 BRT handelte.

      Das Schiff war eindeutig anhand der britischen Handelsflagge als Gegner zu identifizieren.

      „Lohnenswerte Beute“, bedeutete der Fliegeroffizier seinem Flugzeugführer. Feldwebel Schütze, der gerade die Maschine in eine leichte Linkskurve legte, um das Ziel in etwa 500 Meter Höhe zu umrunden, nickte, „hoffentlich funkt er nicht gleich.“

      „Wollen wir unser Glück versuchen“,

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