Hilfskreuzer „Chamäleon“ auf Kaperfahrt in ferne Meere. Heinz-Dietmar Lütje
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Zwischenzeitlich hatten die britischen Seeleute auf dem Tanker selbstverständlich das Flugzeug bemerkt und hielten dieses erkennbar für das Bordflugzeug eines eigenen Kriegsschiffes. Wie anders wäre das Winken der auf Oberdeck gekommenen Seeleute sonst zu erklären?
„Scheint zu klappen“, meinte der Flugzeugführer und legte die Maschine in eine neue Kurve, um erheblich tiefer den Tanker erneut zu überfliegen. Leutnant Spaß bereitete sich vor, den Beutel so abzuwerfen, dass dieser wirklich auf dem Vordeck des Handelsschiffes auftreffen möge.
Die Maschine verringerte deutlich Ihre Flughöhe. In ca. 40 Metern Höhe flog die Arado 196 von hinten an. Von achtern aufkommend hielt Leutnant Spaß – die Windrichtung wohlberechnend – den Beutel vor sich und warf diesen ab, als das Flugzeug etwa die achtere Heckreling des Tankers in etwa 40 bis 50 Meter Höhe überflog.
Erwartungsgemäß schlug der Leinenbeutel auf dem Vordeck des Schiffes – zwischen den verschiedenen Tanks- auf.
„Wollen sehen, was jetzt passiert“, schrie Spaß seinem Flugkollegen, Feldwebel Schütze, zu. Dieser nickte lediglich, obwohl er aufgrund des erheblichen Fluglärms, verbunden mit den starken Windgeräuschen, wohl kaum genau verstanden haben dürfte.
Die Maschine ging auf ca. 100 Meter Höhe und umkreiste den Tanker.
Bei der dritten oder vierten Runde bemerkten sowohl Spaß als auch Schütze, dass ihre Nachricht ohne Argwohn aufgenommen wurde. Der Leinenbeutel war auf die Brücke gebracht und einer der Schiffsoffiziere, an der Kopfbedeckung erkennbar, winkte dem Flugzeug zu.
Gleichzeitig ging das Flaggengensignal für „verstanden“ hoch und das Gegnerschiff verlangsamte deutlich erkennbar seine Fahrt.
Die Arado umkreiste noch mehrere Male den gegnerischen Tanker, bei der letzten Runde wurde mit leichtem Wackeln der Tragflächen angedeutet, dass das Aufnehmen und Befolgen der Nachricht verstanden war und nahm dann wieder Kurs auf den Hilfskreuzer.
Währenddessen auf „Chamäleon.“
Auf der Brücke standen die Offiziere zusammen und diskutierten, ob wohl der Einsatz des Flugzeuges den gewünschten Erfolg bringen möge? „Wird schon klappen“, äußerte sich Graf von Terra und verbreitete wohltuenden Optimismus. Anders der Kommandant, der – nach außen hin vollkommen ruhig und beherrscht, innerlich aber völlig aufgewühlt – an einen derartigen leichten Erfolg noch nicht glauben wollte. „Glaube ich kaum, wir haben wohl einen klassischen Fehler begangen.“ Alle schauten den Kommandanten bestürzt an. „Wieso, Herr Kaptän“, fasste sich Graf von Terra als erster.
Waldau musterte seinen ersten Offizier und meinte, „will Ihnen ja nicht die Hoffnung verderben – und mir bestimmt auch nicht – IO“, um nach einer längeren Pause fortzufahren, „aber in dem vorbereiteten Abwurfbeutel geben wir uns als britischer schwerer Kreuzer aus.“ Betretenes Schweigen bereitete sich auf der Brücke aus. Allen Offizieren und den sonstigen Besatzungsmitgliedern,die diese Äußerung aufnahmen, war klar, dass auf dem gegnerischen Tanker jeder bei Annäherung sofort erkennen würde, dass hier kein britischer schwerer Kreuzer herangebraust kam, sondern sich ein Handelsdampfer näherte.
Terra fasste sich wieder als erster und entgegnete, „dann, Herr Kaptän, dürfen wir uns eben erst bei Dunkelheit nähern.“
„Ha, Sie Spaßvogel, belieben einmal mehr zu scherzen, obwohl dieser Zeitpunkt absolut unangebracht ist“, versuchte der Kommandant seinen ersten Offizier zurechtzuweisen, um fortzufahren, „meinen Sie etwa, der Gegner wundert sich nicht, wenn nicht innerhalb der nächsten ein, zwei Stunden der erwartete Kreuzer in Sicht kommt?“
Graf von Terra äußerlich absolut ungerührt, „doch, muss das Flugzeug eben erneut mit ergänzenden Befehlen zum Tanker fliegen.“
„Hmmhmmhm“, überlege Korvettenkapitän Waldau, „Sie Teufelskerl, haben ja vollkommen Recht, wir könnten ja wesentlich weiter abstehen. Wollen wir sofort eine weitere Order schriftlich entwerfen.“
„Herr Kaptän“, meldete der Steuerbordausguck, „unser Bordflugzeug nähert sich.“ Alle rissen die Gläser an die Augen und sahen auch prompt – vom Ausguck die Richtung angedeutet – die Maschine sich nähern.
Näher gekommen, meldete Fliegeroffizier Spaß per Signallampe, dass es sich bei dem Gegner um einen Tanker handelt und dieser offenbar keinen Verdacht geschöpft hat, und gestoppt liegen bleibe, um die Ankunft des Kreuzers zu erwarten.
„Signalmaat auf die Brücke“, befahl der Kommandant. Sekunden später bedeutete er dem auf die Brücke kommenden Signalmaaten, Flaggensignal für Kmdt. des Flugzeuges: Neben dem Hilfskreuzer wassern!“
Im Flugzeug wurde dieses Signal mit gemischten Gefühlen aufgenommen. „Sollen wir etwa hier rumschwabbeln und nachher vom Schiff wieder aufgenommen werden, Herr Leutnant?“ Diese Frage stellte der Flugzeugführer seinem Fliegeroffizier. „Ich weiß auch nicht, Schütze, aber Befehl ist Befehl.“ Das Flugzeug flog eine ausgedehnte Kurve und wasserte dann in der Nähe des Kreuzers. Mit Verwunderung nahm die Flugzeugbesatzung davon Kenntnis, dass der Hilfskreuzer ein Boot aussetzte, das sich dem Flugzeug näherte. Das Bootskommando, geführt von Maat Lange, übergab Leutnant Spaß einen neuen Leinenbeutel mit dem Bemerken, „Herr Leutnant, Befehl des Kommandanten, erneut Kurs auf Gegner und erneutes Abwerfen neuerer Befehle.“ Spaß nahm den Beutel entgegen und sofort legte der Kutter wieder ab und strebte „Chamäleon“ zu.
„Na denn, Sie haben es gehört“, versetzte der Leutnant und Feldwebel Schütze drehte die Arado 196 in den Wind, um vom – glücklicherweise relativ ruhigen Wasser – zu starten.
Nach wenigen Minuten verlor sich die Silhouette des Flugzeuges in den Gläsern des Hilfskreuzers als kleiner schwarzer Punkt mit Kurs auf den Engländer.
An Bord des Flugzeuges hatte Leutnant Spaß zwischenzeitlich die neue Order für den Tankerkapitän gelesen und erläuterte den Inhalt seinem Kameraden und Flugzeugführer. „Wird schon klargehen“, entgegnete dieser lakonisch. Gut 50 Minuten später kam der Tanker erneut in Sicht. Schütze umkurvte – unter entsprechendem Wackeln mit den Tragflächen – erneut den Tanker, der ohne Fahrt in der langen Dünung des Atlantiks dümpelte.
Nach mehreren Kurven – jeweils unter erneutem Wackeln der Tragflächen und Anblinken mit der Morselampe – dass erneuter Befehl abgeworfen werden würde – flog Schütze erneut das Schiff von achtern an und der Flugzeugführer, Leutnant Spaß, platzierte ähnlich geschickt, wie beim ersten Anflug – obwohl bei jetzt ohne Fahrt dümpelndem Schiff etwas einfacher – erneut den Meldebeutel auf dem langen Vordeck des Tankers.
Wie beim ersten Mal wurde die Meldung schnellstens aufgenommen und der Schiffsführung überbracht. Es dauerte ca. 2 Minuten, bis erneut das Signal „verstanden“ an den Signalleinen am Mast des Tankers auswehte. Das Flugzeug kreiste noch einige Male über dem Tanker, bis schließlich erkennbar war, dass dieser Fahrt aufnahm und seinen bisherigen Kurs fortsetzte.
Nachdem der Abwurfsack auf dem Deck des britischen Tankers aufgenommen war und dem Kapitän, Master Stanley Meesen, vorgelegt war, äußerte sich dieser, „hmm, gar nicht gewusst, dass die Bordflugzeuge unserer Kreuzer einen derartigen Aktionsradius haben und derart hohe Geschwindigkeit fliegen können. Aber meine Herren, was soll’s, werden wir also