Hilfskreuzer „Chamäleon“ auf Kaperfahrt in ferne Meere. Heinz-Dietmar Lütje
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8. Kriegsrat
Drei Tage später, am 20. Dezember 1939, hielt der Kommandant mit seinen Offizieren Kriegsrat. Der Tod der beiden Engländer ließ ihn nicht unberührt.
„Meine Herren, was können wir tun um auch die Verluste beim Gegner möglichst gering zu halten und wenn es irgend geht, auch im eigenen Interesse, nicht nur um Munition zu sparen, sondern darüber hinaus auch möglichst unbeschädigte Gegnerschiffe aufzubringen, damit wir uns nicht evtl. eine wertvolle Prise selbst in Klump schießen“, fragte Waldau, nachdem er Raucherlaubnis erteilt hatte und bis auf die zwei Nichtraucher alle ihre Zigaretten bzw. drei der älteren Sonderführer, die an der Besprechung teilnahmen, ihre Zigarren und Graf von Terra seine unvermeidliche Pfeife in Brand gesetzt hatten. Der von der Luftwaffe abkommandierte Fliegeroffizier, Leutnant Elmar Spaß, hob die Hand: „Feldwebel Schütze hat möglicherweise eine Idee.“
„Und die wäre“, fragte Graf von Terra und stieß eine gewaltige Rauchwolke aus. Der neben ihm sitzende Oberleutnant z.S. Carstens wedelte diese mühsam beiseite und deutete einen Erstickungsanfall an. Alle lachten. Der Kommandant wurde wieder ernst: „Na dann mal her mit unserem Feldwebel, mal sehen was er zu sagen hat! Welche Idee hat er denn? Nun mal raus damit“, der Kommandant schaute den Luftwaffenleutnant fragend an. Dieser versuchte im Sitzen leicht Haltung anzunehmen, wurde aber sofort vom Kommandanten unterbrochen: „Hören Sie auf mit dem Spaß, Spaß, wir sind hier nicht auf dem Kasernenhof, sondern auf Feindfahrt!“
„Das sollte auch dieser Schlipssoldat langsam gemerkt haben“, gab Graf von Terra seinen unvermeidlichen Senf dazu und spielte mit der Bezeichnung Schlipssoldat darauf an, dass bei den Luftwaffenuniformen Hemd und Schlips üblich waren, was beim Heer gar nicht und bei der Marine nur bei Offizieren und höheren Feldwebeldienstgraden zur Ausgehuniform der Fall war. Der Backschafter (Bursche) des Kommandanten, Matrosenobergefreiter Karl „Kalle“ Kerst öffnete nach kurzem Klopfen die Tür und Feldwebel Gottfried Schütze trat ein und nahm Haltung an: „Herr Kaptän haben mich rufen lassen.“
„Ja, mein lieber Schütze“, versetzte der Kommandant, „Leutnant Spaß berichtet, Sie hätten eine Idee, wie wir vielleicht auch ohne den Gebrauch unserer Kanonen zukünftig die Gegner am Funken hindern können. Nun schießen Sie mal los!“ In strammer Haltung wollte Feldwebel Schütze seine Ausführung beginnen, als er nochmals von seinem Kommandanten unterbrochen wurde: „Nicht so steif, mein lieber Schütze, nehmen Sie Platz – am Besten neben Ihrem Flugzeugführer“, deutete Waldau mit einer kurzen Handbewegung auf die Längsbank an der Backbordseite der von ihm bewohnten ehemaligen Kapitänskabine, die im Gegensatz zu entsprechenden Unterkünften auf regulären Kriegsschiffen geradezu luxuriös und geräumig wirkte. Etwas unsicher nahm der Flugzeugführer Platz und kam dann schnell zur Sache: „Ich wollte vorschlagen, Herr Kaptän, dass wir vielleicht an den Kufen des Bordflugzeuges eine Stahlschlinge befestigen, die dann im Flug zwischen den Schwimmern herabhängt, also mehr oder weniger ein großes U oder auch unter Berücksichtigung der Arado ein großes O bildet. Damit könnten wir evtl. den Frachtern die Antenne kappen.“
Einige Offiziere guckten etwas ungläubig den Feldwebel an.
„Mann Gottes, wie soll das denn gehen“, drang aus einer Wolke von Pfeifenrauch Graf Terras Stimme, „dabei können Sie doch höchstens Bruch machen und unseren schönen Flieger verschrotten.“
„Verzeihung“, mischte sich der LI Oberleutnant (Ing.) Wessels ein, „Herr Kaleu, dass könnte schon klappen, wenn die Schlinge oder wohl besser der Sliphaken richtig konstruiert ist. Die Antenne leistet schließlich keinen großen Widerstand. Und sollte der Haken sich in den Aufbauten verfangen, oder gar am Mast, muss dieser so konstruiert sein, dass er dann ohne das die Maschine durch einen zu starken Ruck abstürzt, vom Schwimmer gleitet bzw. die Verbindung reißt. Das sollte vielleicht tatsächlich klappen. Zumindest halte ich dieses technisch für durchaus nicht ausgeschlossen.“
„Durchaus nicht ausgeschlossen, welch eine Rede“, grinste Terra aus seiner Qualmwolke.
„Nun mal ruhig Kameraden“, ergriff der Kommandant das Wort. „Sie, Wessels setzen sich mit Schütze und Spaß zusammen, diskutieren die Sache aus, bauen so’n Haken und überlegen wie wir das vielleicht zunächst einmal am eigenen Schiff testen können. Da hat doch unsere Zusammenkunft evtl. schon etwas gebracht. Sonstige Wortmeldungen oder Vorschläge?“ Der Kommandant schaute in die Runde, aber niemand meldete sich. „Ich bin ja etwas enttäuscht, dass von unserem Ersten kein konstruktiver Vorschlag kommt“, wollte der Kommandant seinen Freund und IO, Graf von Terra, gerade anfrotzeln, als es klopfte. Einer der zwei Funk-Obermaaten, die neben dem 2. Funkoffizier das Funkpersonal des Kreuzers vervollständigten, trat ein und reichte dem Kommandant ein FT. Dieser warf einen Blick darauf. Alle Anwesenden bemerkten, wie die Gesichtszüge des Kommandanten erstarrten. Dieser warf noch einen Blick auf das erhaltene FT (Funkspruch), erhob sich und sprach: „Unser Panzerschiff Admiral Graf Spee hat sich vor der Hafeneinfahrt von Montevideo selbst versenkt, der Kommandant, Kapitän zur See Langsdorff, meldet zumindest Uruguay-Radio, soll sich erschossen haben!“
Das eben gehörte drückte die Stimmung erheblich. Betreten verließen die Offiziere und der Flugzeugführer, Feldwebel Schütze, das Reich des Kommandanten. Nur Graf von Terra blieb zurück und meinte: „So’n Schiet, da haben wir unser erstes Dickschiff verloren.“
„Ja, und außerdem haben wir einen unserer wohl fähigsten Kommandanten verloren, auch das wiegt schwer – vielleicht sogar genauso schwer.“
Didi Waldau stellte die Gläser auf den Tisch und holte aus dem in der Kapitänskajüte vorhandenen Kühlschrank – auch das gab es schon bei neuesten Frachtschiffen in der Kapitänskajüte zu dieser Zeit – zwei gut gekühlte Flaschen Becksbier heraus. Terra stopfte erneut seine Pfeife während Waldau eine neue Zigarette anzündete.
„Didi, was hältst Du eigentlich von der Idee unseres wackeren Fliegers“, versuchte Bodo Graf von Terra das Gespräch wieder auf die aktuellen Probleme zu lenken.
„Tja, wenn auch der LI meint, dass das durchaus funktionieren kann, wollen wir das zumindest probieren. Meine viel größere Sorge sind aber im Moment noch unsere Teufelseier an Bord. Wenn der Tommy – wie im ersten Krieg – seine Frachter wieder bewaffnet, kann möglicherweise ein Schuss in die Minenlast reichen und von unserem Pott ist nichts mehr übrig.“
Terra hob sein beschlagendes Glas. Die beiden Offiziere stießen an und leerten ihre Gläser jeweils zur Hälfte. „Aaah, das tut gut“, ließ sich Waldau vernehmen und drückte die Zigarette aus.
„Mal was ganz anderes“, wechselte der Graf erneut das Thema und nahm den letzten Schluck aus seinem Bierglas. „Wir laufen ja stetigen Südkurs. Gibt es eigentlich eine Äquatortaufe oder fällt so was in Kriegszeiten aus?“
„Schau’n wir mal, ne’ kleine