Hilfskreuzer „Chamäleon“ auf Kaperfahrt in ferne Meere. Heinz-Dietmar Lütje
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„Ein Glück, Herr Kaptän“, versetzte der IO, Graf Terra, der ebenso wie der Kommandant seit mehr als 24 Stunden auf den Beinen war, „dass der Gegner nicht über unsere technischen Möglichkeiten verfügt.“
Getarnt als norwegischer Frachter Olav V stand der Hilfskreuzer „Chamäleon“, Schiff 66 der deutschen Kriegsmarine, gegen 6.00 Uhr am Morgen des darauffolgenden Tages bereits hinter der engsten Stelle der Dänemark-Straße mit Marschfahrt von 15 Seemeilen. Man sah an Bord den Durchbruch schon fast als erfolgreich abgeschlossen. Der Kommandant, Korvettenkapitän Waldau, hatte sich im an die Brücke angrenzenden Kartenraum in voller Montur zur Ruhe begeben.
„Meldung von Dete-Gerät“, meldete der Befehlsübermittler, Matrosengefreiter Müller II. Der wachhabende IO, Graf Terra, zuckte zusammen und griff den ihm entgegengereichten Hörer der Bordsprechanlage. „IO, was liegt an?“
„Dete-Gerät fasst Ziel rechtweisend 30 °, Entfernung 55 hm (Hektometer) auf“, folgte sofort die Meldung des wachhabenden Funkmess-Gasten.
„Verstanden, Schiff dreht Backbord zwanzig, alle Veränderungen sofort melden!“, Terra legte auf und wies den Rudergänger an, 20 ° nach Backbord abzudrehen. „Backbord 20 liegt an, Herr Kaleu“! Die Bestätigung erfolgte postwendend. „BÜ, Kommandant wecken!“, befahl der IO. Knapp zwei Minuten später war der Kommandant auf der Brücke.
„Dete-Gerät hat Ziel an Steuerbord, Entfernung 5500 aufgefasst, Herr Kaptän. Ich habe 20 ° nach Backbord abdrehen lassen“, meldete der IO seinem Freund und Kommandanten.
„Danke, Terra“, versetzte dieser. In diesem Moment schrillte erneut das Bordtelefon. Der Kommandant nahm selbst ab.
„Zweites großes Ziel Backbord 30 °, Entfernung 60 hm“, meldete der diensthabende Funkmess-Gast.
„Verstanden.“ Der Kommandant legte auf und befahl, „klar Schiff zum Gefecht!“ Sekunden später gellten die Alarmglocken durch das Schiff und ein jeder Mann an Bord hastete auf seine Gefechtsstation.
„Vermutlich britischer Kontrollkreuzer“, versetzte der Kommandant, Ausgucks verdoppeln!“ Nach wie vor umfing glücklicherweise fast absolute Dunkelheit das Schiff. Lediglich das Kielwasser sowie der Schnauzbart am Bug des Schiffes leuchteten silbern auf. Waldau überlegte fieberhaft, was zu tun sei? Sollte er die Geschwindigkeit erhöhen und versuchen, zwischen beiden Zielen durchzustoßen, trotz der Gefahr, dass das dann heller aufwirbelnde Kielwasser evtl. bei noch weiterer Annäherung der Gegner zum Verräter werden würde oder sollte er die Fahrt aus dem Schiff nehmen in der Hoffnung, dass der Gegner an ihm vorbeistoßen möge? Das erneute Summen des Bordtelefons unterbrach seine Überlegungen. „Ziel an Steuerbord wandert aus“, kam die Meldung vom Dete-Gerät. „Ziel an Backbord aufkommend, Entfernung jetzt 4000.“
„Steuerbord 20, Maschinen Umdrehen 14 Meilen! Feuererlaubnis nur auf mein ausdrückliches Kommando!“, kamen die nächsten Befehle der Kommandanten. Alle Ausgucks einschließlich der Offiziere auf der Brücke starrten angestrengt durch die schweren Marinenachtgläser in Richtung der Gegnerpeilung. In Anbetracht der Unsichtigkeit allerdings noch ein vergebliches Unterfangen.
„Ziel an Steuerbord ist ausgewandert, keine Peilung mehr – Ziel Backbord weiter aufkommend, Entfernung 3000, Gegner-Peilung nunmehr Backbord 90 °.“
Alle Augen auf der Brücke richteten sich auf den Kommandanten. Dieser reagierte sofort, „Maschine Umdrehungen auf sieben Meilen reduzieren, Steuerbord 20 °!“ Der Kommandant verringerte die Fahrt weiter, um sich dem nunmehr auf gleicher Höhe befindlichen Gegner nicht durch das aufwirbelnde Kielwasser zu verraten. Die Sekunden strichen dahin, endlich kam die befreiende Meldung des Dete-Gerätes „Gegner wandert aus, Entfernung jetzt 4000.“ Kurz darauf „Entfernung 5000.“ Wieder einige Minuten später: „Keine Peilung mehr.“
Der Kommandant ließ den Kurs noch 30 Minuten beibehalten, um dann auf den ursprünglichen Auslaufkurs zurückzugehen. „Chamäleon“ strebte dem Nord-Atlantik zu. Der Durchbruch war gelungen.
6. Die erste Beute
Am Sonntagmorgen, der Kalender zeigte den 3. Dezember 1939, wurde die gesamte Besatzung – soweit auf ihren jeweiligen Stationen entbehrlich – zur Kommandantenmusterung gepfiffen. Von Tag zu Tag war es wärmer geworden und Mäntel, Schals, Südwester und ähnliche Ausrüstungs- und Kleidungsstücke waren längst aus dem Bordbild verschwunden. Die Besatzung trat im „Sommeranzug“ an und auch die Offiziere erschienen in weißen Hosen.
„Besatzung angetreten, Herr Kaptän“, meldete der IO, Graf Terra, dem Kommandanten. Korvettenkapitän Waldau dankte und musterte die angetretene Besatzung und betrat die für ihn aufgebaute Palaverkiste, ein vom Schiffszimmermann und seien Gehilfen gefertigtes Podest, das dem Kommandanten erlaubte, seine Besatzung insgesamt überschauen zu können.
„Offiziere und Besatzung – Kameraden! In der letzten Nacht haben wir die Linie des 40. Breitengrades überschritten – also etwa die Linie Madrid/New York – und damit unser erstes Operationsgebiet erreicht. Ab jetzt beginnt unsere eigentliche Aufgabe, nämlich die Führung des Handelskrieges. Unsere Aufgabe ist es in erster Linie, einzeln fahrende gegnerische Handelsschiffe anzugreifen, nach Möglichkeit zu stoppen, die Besatzung zu übernehmen und die Schiffe dann, wenn Wert des Schiffes und der Ladung dieses rechtfertigen, mit einem Prisenkommando zu bemannen und nach einem eigenen Hafen in Marsch zu setzten. Sollte dieses nicht in Betracht kommen – und das wird leider häufig der Fall sein – so ist es unsere Aufgabe, nach Übernahme der Besatzung des Gegnerdampfers, diesen zu versenken. Um Munition und vor allem auch Torpedos zu sparen, werden aufgebrachte Gegnerschiffe, die als Prisen nicht geeignet erscheinen, durch Anbringen von Sprengpatronen versenkt.“
„Es ist nicht unsere Aufgabe, gesicherte Geleitzüge anzugreifen. Hierzu ist das Schiff auch – wie Ihnen allen bekannt sein sollte – weder artilleristisch, noch von seiner Geschwindigkeit her in der Lage. Schon gar nicht dürften wir uns auf irgendwelche zweifelhaften Aktionen, bei denen wir selbst Treffer erhalten könnten, einlassen, da auch die „Chamäleon“ – wenn sie auch als Hilfskreuzer aufgrund ihrer durchaus respektablen Bewaffnung eine kampfkräftige Einheit darstellt – sie durch die nicht vorhandene Panzerung außerordentlich verwundbar bleibt. Ein unglücklicher Treffer allein kann die ganze weitere Unternehmung gefährden oder unmöglich machen. Ich sage dieses, damit Sie von vornherein verstehen, weshalb auf Geleitzüge oder auch durch Kriegsschiffe des Gegners gesicherte Frachter nicht operiert wird, sondern diesen auszuweichen ist. Das gleiche gilt übrigens auch für reine Passagierschiffe, auch wenn diese mutmaßlich als Truppentransporter angesehen werden können. Die Begründung hierfür liegt auf der Hand. Wie sollen wir schließlich evtl. tausend oder gar zwei- oder dreitausend Mann Besatzung und eingeschiffte Truppen an Bord nehmen?“
Waldau führte weiter aus, dass er soweit möglich sich seiner zusätzlichen Augen, nämlich des Bordflugzeuges, bedienen wolle und setzte abschließend für die erste Sichtung eine Kiste Becks Bier als Prämie für den erfolgreichen und aufmerksamen Ausguck aus. Für alle übrigen Sichtungen lobte er jeweils sechs Flaschen Becks Bier aus mit dem Hinweis, dass diese Prämie jedes Besatzungsmitglied erhalte, egal ob Ausguck oder nicht, was auch als zusätzlicher Ansporn für Freiwächter und sonstige nicht als Ausgucks eingeteilte Seeleute gedacht war. Eine Maßnahme, die mit lautem Beifall begrüßt wurde.
Am nächsten Morgen hatte es aufgebriest, die See ging etwa mit Stärke 6 und das Schiff arbeitete merklich in der bewegten See. Aus diesem Grunde hatte sich Waldau entschlossen, auf den Start des Bordflugzeuges zu verzichten, um Beschädigungen der verwundbaren Maschine zu vermeiden. In weiten Suchschlägen kämmte der Hilfskreuzer die See ab. Alle Ausgucks – acht an der Zahl – beobachteten unablässig die ihnen zugewiesenen Sektoren. Kommandant und IO hatten sich zusammen