Hilfskreuzer „Chamäleon“ auf Kaperfahrt in ferne Meere. Heinz-Dietmar Lütje

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Hilfskreuzer „Chamäleon“ auf Kaperfahrt in ferne Meere - Heinz-Dietmar Lütje

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später, längst hatte der Hilfskreuzer „Chamäleon“ seinen Geleitschutz entlassen und nachdem problemlos durch Skagerrak und Kattegat in die Nordsee eingelaufen wurde, befand sich der Hilfskreuzer nunmehr auf Durchbruchkurs in den Atlantik. Der eingeschiffte Bordmeteorologe hatte Sturm und Regen, evtl. auch Hagel und Schnee für die nächsten Tage vorausgesagt. Ideales Durchbruchwetter. Vertrauend auf die Voraussagen des Meteorologen ging „Chamäleon“ auf Durchbruchkurs. Der Kommandant befahl nordwestlichen Kurs und später westlichen Kurs Richtung Grönland, um den Durchbruch in der folgenden Nacht zu versuchen. Fast auf die Stunde genau, wie vom hervorragenden Bordmeteorologen, Dr. Steinhusen, vorausgesagt, begann es in den Nachmittagsstunden aus Nordwest zu wehen. Mit Hagel durchsetzter Schneeregen prasselte aus grauen, sehr tief hängenden Wolken, auf die See herab. In den frühen Abendstunden brauste der Sturm über Deck des Schiffes. Schwer arbeitete „Chamäleon“ in der See. Der Kommandant stand in der rechten Steuerbordbrückennock, das schwere Marineglas vor der Brust hängend, und grinste den neben ihm stehenden IO an. „Na, Terra, unser Laubfrosch (Spitzname für den Bordmeteorologen) behält wohl Recht.”

      „Jawohl, Herr Kaptän, hoffen wir das Beste“, versetzte der Freund und rechte Hand an Bord. Selbstverständlich wurde auch unter Freunden, die Kommandant und IO seit Jahren waren, an Bord, zumindest in Gegenwart Untergebener, die Disziplin durch förmliche Anrede gewahrt.

      Der Sturm nahm zu und in der kochenden und brodelnden See rollte und stampfte das Schiff schwer. Es braute sich ein Polarorkan zusammen. Unter Deck im vorderen Mannschaftslogis meinte ein von der Handelsschifffahrt zur grauen Dampferkompanie, wie die Kriegsmarine im Jargon genannt wurde, eingezogener Seemann zu seinen Kameraden: „Ihr werdet Euch noch wundern, Jungs, ich als alter Kap-Horn Fahrer kann dazu nur sagen, dass dieses gegen die brüllenden Vierziger noch gar nichts ist. Aber die wird von Euch in diesem Kriege wohl kaum jemand zu sehen bekommen.“

      Ein junger Matrosengefreiter entgegnete, „weiß man’s? Vielleicht doch.“ Ein Dritter mischte sich in das Gespräch ein, „Reiz mich doch nicht zum Lachen, du Süßwasserseemann. Mit diesem Dampfer in den Südatlantik, in Englands ureigenes Meer? Das kann ich mir beim Teufel nicht vorstellen.“ Ähnlich sprachen sich die meisten der Besatzungsmitglieder aus, die eigentlich alle zu diesem Zeitpunkt davon ausgingen, dass die Reise allenfalls in den Nordatlantik ging.

      Der Hilfskreuzer lief weiter mit Marschfahrt von 10 Meilen durch die hochgehende Quersee. Immer wieder überspülten gewaltige Wogen das geräumige Oberdeck, dessen Betreten nur angeseilt, das heißt mit einem Palstek um den Bauch, gestattet war.

      Das Unwetter hatte seinen Höhepunkt noch nicht erreicht. In Anbetracht der gewaltigen Elemente, die immer stärker wüteten, gab der Kommandant seine Absicht, das Nord-Kap vor Island schon gegen Morgen zu runden, auf. Die derzeitige Marschfahrt von 10 Meilen konnte nicht beibehalten werden und so gab Waldau Anweisung, auf Umdrehungen für 7 Meilen zurückzugehen. Die Sicht wurde immer schlechter und auch nach dem Hellwerden würde die Sicht nur wenige 100 Meter betragen. Ideales Durchbruchwetter. Gegen 2.00 Uhr morgens war aus dem Sturm ein wilder alles verschlingender Orkan geworden, der langsam auf Nordost zu drehen begann. Alles an Bord war gezurrt. Die Besatzungsmitglieder, denen noch keine Seebeine gewachsen waren, erhielten nun einen Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte. Die ersten Verletzten, meistens Platzwunden durch Stürze – auch ein Unterschenkelbruch –, wurden im Bordlazarett versorgt. Freistehend vermochte sich niemand mehr an Deck zu halten. Das ganze Schiff war mit einer glatten Eisschicht überzogen.

      Immer wieder wälzten sich schwere, schräg von vorn anlaufende Brecher über Bord.

      Gegen Vormittag des folgenden Tages steuerte „Chamäleon“ auf die Enge der Dänemark-Straße zu. In den Sommermonaten ist die Dänemark-Straße zwar eisfrei und in dieser Zeit auch ca. 300 Kilometer breit, in dieser Zeit der Stürme allerdings sind Wellenhöhen von bis zu 15 Metern nicht selten. Hinzu kommt, dass der natürliche Stau in der engen Dänemark-Straße, die sich auf Land zu wälzenden Wassermassen aufstaut, wodurch – wie auch jetzt zum Durchbruch der „Chamäleon“ Kreuzseen mit wirr durcheinanderlaufenden systemlosen Wellen erzeugt wurden, in denen das mehr als seetüchtige zum Kriegsschiff umgebaute Frachtschiff wie ein Spielball in den Wellen hin und her geworfen wurde. Das Schiff arbeitete einfach fürchterlich, torkelte hin und her, wie ein weit unterlegener Boxer unter den Hieben eines Schwergewichtsmeisters wie Max Schmeling. Die Besatzung wurde über Gebühr beansprucht. Dieses galt selbstverständlich auch für die Schiffsführung, die, ob Kommandant oder erster Offizier, keine Minute die Brücke verließ. Die Freiwache verkeilte sich mit Knien, Füßen und Ellenbogen in den Kojen bzw. Hängematten, wobei nur altgediente Seeleute auch noch etwas Schlaf fanden.

      Angestrengt spähten Ausgucks und Offiziere auf der Brücke durch die schweren Marinegläser in die Dunkelheit. Besorgt schaute der Kommandant auf das Wüten der Elemente. Mit leichtem Grinsen sah er den 2. Offizier an und meinte aufmunternd, „ Na, Semmler, noch nicht ganz seefest?“

      „Nein, Herr Kaptän“, versetzte der II.O, dessen Gesicht mit leicht grünlicher Farbe überzogen war, „wer dieses Wetter erlebt, kann sich über den Feind nur noch freuen.“ Der Kommandant grinste, „na, na, mein Lieber, seien Sie froh, dass Sie dieses Wetter nicht auf einem Kreuzer abreiten müssen.“ „Nein, Herr Kaptän“, entgegnete der II O, dem man ansah, wie schlecht es ihm ging, mit Galgenhumor, „aber auf einem getauchten U-Boot auf 40 bis 50 Meter Wassertiefe, wäre mir bestimmt wohler.“ Der Kommandant freute sich, die Stimmung an Bord war nach wie vor gut und das schlechte Wetter geradezu ein Himmelsgeschenk, bestand schließlich kaum Gefahr, von einem der Überwachungskreuzer des Feindes gesichtet zu werden.

      Ständig drehte sich die Haube des Dete-Gerätes im Vormars, Der Kommandant ließ bis zur äußersten Sicherheitsgrenze auf den Eisrand zudrehen und das Schiff setzte seinen Durchbruchkurs fort. Gegen Mittag hatte die Sicht noch weiter abgenommen, der Orkan schwächte sich aber ab. Das Schiff lag jetzt bei genau achterlichem Wind etwas ruhiger in der See. Im Schiffsinneren wurde aufgeklart und Ordnung geschafft.

      In den Nachmittagsstunden war die See jetzt unwirklich langgestreckt. Der Intervall zwischen Wellental und Wellenberg betrug über 200 Meter. Die schweren, das Schiff überflutenden Brecher, hatten abgenommen, dennoch bestand weiter Lebensgefahr die mit einer spiegelglatten tückischen Eisschicht überzogenen Decks zu betreten.

      Unablässig arbeitete das Echolot, um die Wassertiefen zu kontrollieren. Der Navigationsoffizier verglich die angezeigten Tiefen mit den in den Seekarten eingetragenen Angaben. Nach wie vor war es unmöglich eine warme Mahlzeit in der Kombüse zu bereiten. Der Kommandant wanderte ruhelos in seiner Brückennock auf und ab und befahl schließlich: „Smutje auf die Brücke!“ Kurz darauf erschien der für das leibliche Wohl der Besatzung wichtigste Mann, der Kochobermaat Sven Pagelsdorf und baute sein Männchen. „Mein lieber Pagelsdorf“, versetzte der Kommandant, „ich habe volles Verständnis für Ihre Probleme, aber ich erwarte einfach, dass die Männer etwas warmes in den Magen bekommen. Das haben wir alle verdient.“

      „Jawohl, Herr Kaptän“, versetzte Kochobermaat Pagelsdorf, „eventuell ließe sich ja eine heiße Erbsensuppe, natürlich nur aus Dosen, mit Wursteinlage, bereiten.“

      „Gut, mein Lieber“, zeigte sich der Kommandant befriedigt, „dann mal los, ich verlasse mich auf Sie.“ Mit einem Grinsen und den Worten: „Mir knurrt nämlich auch der Magen“ verabschiedete der Kommandant den von ihm sehr geschätzten Küchenmeister.

      Und tatsächlich, 2 Stunden später, war es Wirklichkeit geworden und alle Mann an Bord löffelten mit Behagen die hervorragend bereitete kräftige Eintopfmahlzeit.

      Gegen Abend betrug die Sicht knapp 200 Meter. Die engste Stelle der Dänemark-Straße war bereits passiert, als das Dete-Gerät aus 5.000 Meter Steuerbord querab ein Ziel ortete. Der Hilfskreuzer wich aus, vergrößerte damit den Abstand und bald wanderte das Ziel aus. Wahrscheinlich ein britischer Kontrollkreuzer,

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