Hilfskreuzer „Chamäleon“ auf Kaperfahrt in ferne Meere. Heinz-Dietmar Lütje

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Hilfskreuzer „Chamäleon“ auf Kaperfahrt in ferne Meere - Heinz-Dietmar Lütje

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beide Torpedos Vorschiff und Vorderkante Brücke aufgeschlagen haben.

      Zwei weitere Torpedoeinzelschüsse brachten das gleiche Ergebnis. Beide Übungstorpedos trafen.

      „Verdammt und zugenäht“, verkündete der Kommandant auf der Brücke des Hilfskreuzers zu den ihn erwartungsvoll anstarrenden Offizieren, „das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen.“ Er winkte seinem Läufer und befahl, „Winkspruch an Zielschiff und Barkasse, sofort Rückkehr an Bord. FT-Spruch an Begleitschiffe: Übung abbrechen, einlaufen Kiel!“

      Im Kriegshafen Kiel angelangt, machte der Hilfskreuzer an einem abgesperrten Kai fest. Die SKL, die zwischenzeitlich durch verschlüsselten Funkspruch vom Torpedodebakel unterrichtet worden war, hatte bereits veranlasst, dass sämtliche Torpedos sofort von Bord zu geben und von der Torpedoversuchsanstalt in Flensburg geprüft werden würden. Wie sich bereits zwei Tage später herausstellte, waren die meisten an Bord befindlichen Torpedos Blindgänger, zurückzuführen auf einen Fehler in der Aufschlagzündung. Sabotage nicht auszuschließen, hieß es lapidar. Der Kommandant wurde zur Berichterstattung nach Berlin befohlen.

      Bei der SKL wurde dem Kommandanten bedeutet, dass, noch während die Besprechung mit ihm in Berlin stattfände, sein Schiff für die künftige Unternehmung ausgerüstet werde. Es sei sichergestellt, dass nur einwandfreie Torpedos an Bord kämen. Auch die Marschbefehle für die noch fehlenden Besatzungsmitglieder seien ausgefertigt und diese – einschließlich der vorgesehenen acht Prisen-Offiziere, Handelsschiffskapitäne und Offiziere der Handelsmarine mit Kapitänspatent, alle im Range eines Leutnants zur See (S), werden sich ebenfalls bereits bei Rückkehr des Kommandanten an Bord befinden. Es sei leider, bedingt durch die Kriegslage, keine Zeit mehr, Kommandant und Besatzung Möglichkeit zu weiteren Übungsfahrten zu gewähren.

      „Herr Korvettenkapitän Waldau“, verkündete Admiral Scheidel persönlich dem Kommandanten, „leider gebietet die Kriegslage, dass Sie mit Ihrem Schiff schnellstens auslaufen müssen, um gegnerische Seestreitkräfte zu binden und der Versorgung des Gegners durch Versenkung, Aufbringung und evtl. auch Zurückbehaltung gegnerischer Handelsschifftonnage in den Häfen, einen Schlag zu versetzen.“ Der Admiral führte weiter aus: „Wie Ihnen bekannt ist, steht insbesondere die U-Bootswaffe bereits am Feind und hat auch das Panzerschiff Graf Spee erste Erfolge erzielt. Durch das Auftreten weiterer Überwasserseestreitkräfte, also als nächstes auch Ihrem Hilfskreuzer, verspricht sich die SKL über die zu erwartenden Versenkungen hinaus durch die beim Gegner zu stiftende Verwirrung erhebliche negative Auswirkungen hinsichtlich der Versorgungslage der britischen Inseln.“

      Am 20. November 1939, dem Tag der Einführung einer sogenannten Reichskleiderkarte für den Bezug von Textilien im Deutschen Reich, macht der Handelsstörkreuzer seeklar. Die Ausrüstung des Schiffes war zwischenzeitlich beendet. Als Bordflugzeuge wurden zwei Arado 196 A 1 an Bord genommen, deren Aus- und Einsetzen nicht ein einziges Mal auf dem Schiff selbst überhaupt manövermäßig geübt werden konnte. Eine Maschine befand sich einsatzklar, unter Persenningen getarnt, an Oberdeck, die zweite in Einzelteilen verpackt in einem der Laderäume. Im Bedarfsfall würde diese später von den Bordmechanikern nach mitgelieferten Bauplänen zusammenzusetzen sein. Als Fliegeroffizier war Leutnant Spaß und als Flugzeugführer der Feldwebel Schütze an Bord kommandiert. Die Werft hatte zwischenzeitlich ebenfalls wahrhaft erstaunliches geleistet. Ein Tarnschornstein, der im Bedarfsfalle aufgebaut und entfernt werden konnte, sowie ein Originalschornstein, der sich durch Ein- und Ausfahren beliebig verlängern oder verkürzen ließ, war installiert. Ebenso zu Tarnzwecken befanden sich an Bord Masten, Lüfter, Pfosten, Decksaufbauten und Ladegeschirr, die heute aufgebaut, morgen wieder beseitigt werden konnten. Unvorstellbare Mengen an Verpflegung und Material aller nur denkbaren Art waren an Bord genommen und verstaut. Eisenbahnwagenweise Proviant, insgesamt fürs erste rund 350 t Verpflegung, hektoliterweise Bier, zentnerweise Kaffee, Tee, Fruchtsäfte, Fette aller Art, Bekleidung für Tropen und Nordpol. Ebenso waren sämtliche Munitionskammern des Schiffes gefüllt, ein Sollbestand von 32 Torpedos und 100 Minen an Bord genommen worden, Die Ausrüstung des Schiffslazaretts war ebenso wie die Ausrüstung aller anderen Abteilungen vervollständigt. Alle Ölbunker waren zum Bersten gefüllt. Insgesamt wurden 5.320 t Heizöl übernommen und auf die verschiedenen, im ganzen Schiff untergebrachten, Bunker verteilt. Die Ölvorräte gaben dem Schiff die Möglichkeit, bei der sparsamsten Fahrt von ca. 10 bis 11 Seemeilen in der Stunde über ein Jahr, ohne Ergänzung, von der Heimat fern zu bleiben. Dieses bedeutete einen Fahrbereich von annähernd 70.000 Seemeilen, ein gewaltiger Aktionsradius. Bemerkt werden darf noch, dass selbstverständlich außer Proviant, Getränken, Wasser, Schmiermitteln sämtlicher Art, Flugzeugbenzin und Munition auch Damen- und Kinderbekleidung in größeren Mengen übernommen wurde. Diese selbstverständlich in Kisten verpackt und nur dem zuständigen VO (Schiffsverwaltungsoffizier), sowie Kommandant und Offizieren bekannt. Schließlich musste ja damit gerechnet werden, dass von gegnerischen Schiffen außer der männlichen Besatzung und Passagieren auch Frauen und Kinder zu übernehmen sein werden, ohne dass es immer möglich wäre, deren persönliche Habe an Bord zu nehmen.

      Gegen 16.00 Uhr hieß es „Leinen los.“ Der Kommandant fuhr das Ablegemanöver selbst und im Geleit von zwei Torpedobooten ging es fördeaufwärts. Das Schiff war als normaler Sperrbrecher getarnt und die Besatzung nahm an, es stehen lediglich ein weiteres gefechtsmäßiges Übungsschießen o.ä. Rollenübungen auf dem Programm. Dass es sich um den Beginn der tatsächlichen, von vielen ersehnten, von manchen auch mit Bangen erwarteten, Feindfahrt handelte, war außer dem Kommandanten niemandem wirklich bekannt, obwohl aufgrund der übereilten Ausrüstung und der diversen an Bord gekommenen Proviantmenge sowie der kriegsmarschmäßigen Ausrüstung an Munition und Treibstoff sich zumindest die Offiziere darüber im klaren waren, dass die endgültige Ausfahrt unmittelbar bevorstand.

      Langsam wurde die Förde breiter und das Land wich weiter zurück. Der Kommandant befahl, „Umdrehungen für 10 sm!“ Plötzlich schnarrte das Brückentelefon, der IO, Graf Terra, hob ab und meldete, „Funkraum meldet, dass Einflug feindlichen Bomberverbandes auf Kiel gemeldet worden ist.“

      „Verdammt noch mal“, versetzte der Kommandant, „ und das ausgerechnet jetzt. Fliegeralarm.“ Die Alarmsirenen gellten durch das Schiff. „Schotten dicht, Flakwaffen enttarnen!“ Die weiteren Kommandos des Kommandanten erfolgten sofort. „Feuererlaubnis nur auf mein Kommando!“ Kommandant und Offiziere auf der Brücke sowie die Ausgucks auf Oberdeck hoben die schweren Marinegläser und suchten gewissenhaft ihre Sektoren ab. Gleichzeitig mit dem eingehenden FT-Spruch des vorausfahrenden Torpedobootes entdeckte auch Oberleutnant zur See Graf von Terra die von Steuerbord voraus anfliegenden Feindflugzeuge. Die britischen Bomber vom Typ Lancaster hatten offenbar Befehl, die Werftanlagen und im Hafen befindliche Einheiten der Kriegsmarine anzugreifen. In einer Höhe von lediglich 2.000 bis 2.500 Metern näherten sich die Bomber, bereits aufgefasst vom vorderen E.-Messgerät. „Höhe 2500 Meter, Entfernung sechzig Hundert“, meldete das E.-Messgerät. Der Kommandant griff zum Hörer und befahl dem für die Flakwaffen zuständigen zweiten AO, „Ziel auffassen, sowie in Reichweite, Feuererlaubnis!“ Die Sekunden währten ewig. „Entfernung 30 hm (30 Hektometer = 3.000 Meter), Höhe 2.000“, meldete das E.-Messgerät. Gleichzeitig eröffnete das vorauslaufende Torpedoboot, das seine Geschwindigkeit, deutlich sichtbar am silbern aufquirlenden Kielwasser, erhöht hatte und auf volle Fahrt gegangen war, das Feuer und die Flakgranaten zischen dem Feind entgegen. Deutlich ließ sich die Leuchtspur verfolgen. Sekundenbruchteile später fielen auch die 3,7 Zentimeter Flakwaffen des Hilfskreuzers ein. Die gegnerischen Bomber versuchten ihrerseits durch Ausweichmanöver dem gezielten Feuer der Schiffsflak zu entkommen. Acht Flugzeuge waren nunmehr von allen Mann an Bord deutlich zu erkennen und näherten sich von Sekunde zu Sekunde dem Verband. Die ersten beiden Maschinen entschlossen sich, den vermeintlichen Frachter als Ziel anzunehmen. „Maschine dreimal AK, Ruder hart Backbord“, befahl der Kommandant. Währenddessen öffneten sich bei den beiden, das Schiff von Steuerbord voraus anfliegenden, Bombern bereits die Klappen der Bombenschächte, mit dem bloßen Auge schon gut zu verfolgen. Zwischenzeitlich hatten die beiden Torpedoboote ebenfalls erkannt,

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