In Dankbarkeit und Freude. Adalbert Ludwig Balling
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Dieser Mister Jakob sei willens, künftig auf einer Missionsstation zu arbeiten. Ob ich ihn haben wolle? – Meine Frage an den Bischof: Können Sie ihn empfehlen? Er antwortete, er kenne ihn nicht, aber Frau Dr. Hanna Davis-Ziegler kenne und empfehle ihn sehr; sie halte Mr. Jakob für einen tüchtigen Mann, er sei katholisch und aus gutem Hause. Der Bischof fügte hinzu: Seine Kündigungsfrist bei Cooks betrage vier Wochen; wenn ich einverstanden sei, käme er nächsten Monat. – Ich sagte zu, und vier Wochen später brachte ihn Schmitt zu uns auf die Station. Wir hatten uns vorher weder gesprochen noch gesehen. Doch von der Sekunde unseres Kennenlernens an verstanden wir uns; John wurde mein bester Helfer und Berater; mein Sekretär und Stellvertreter, der fast alle englische Korrespondenz für mich erledigte, vor allem den Briefverkehr mit den Regierungsstellen in Salisbury, zum Beispiel mit dem Social- und Educational Departments. Aber das war nur ein Bruchteil dessen, was John in den kommenden Jahren auf der Station bewältigte.
Schon nach wenigen Wochen zeigte es sich, dass er neben der Büroarbeit (amerikanische Buchführung) schon bald zum Man of all Trades wurde, ein Fachmann für (fast) alles: Er verstand sich auf (alte) Autos, die nicht mehr richtig funktionierten, aufs Reparieren von Wasser- und Stromleitungen und vieles mehr. Auch über die Probleme der Landwirtschaft sowie des Bauwesens machte er sich kundig und natürlich über alles, was den Schulbetrieb betraf. Viele handwerkliche Kenntnisse hat er von Bruder Mauritius gelernt; die beiden verstanden sich bestens. Kurzum, ohne John ging in Embakwe fast nichts mehr.
Wenn ich mal für ein paar Tage oder Wochen abwesend war, wie z. B. während zweier Trips nach Mariannhill im heutigen Kwa-Zulu-Natal, dann machte ich John zum Finanzmeister der Station. Er verfügte dann als einziger vom gesamten Missionsteam über die Schlüssel zum Safe. Damit waren alle anderen des Teams einverstanden, Ordensleute und Laien. John arbeitete umsonst, ohne Lohn; er verzichtete sogar auf ein Taschengeld. Kost und Unterkunft waren für ihn frei, auch Zigaretten und Drinks. Oder was er sonst für den täglichen Gebrauch unbedingt nötig hatte.
1965, als ich Embakwe verlassen musste (um nach einer Ausbildung zum Journalisten die Redaktion der Mariannhiller Zeitschriften und Kalender in Deutschland zu übernehmen), blieb John zunächst vor Ort, aber nicht mehr lange. Es kam zu Unstimmigkeiten zwischen John und meinem Nachfolger, was zur Folge hatte, dass John die Station verließ und vorübergehend bei einem benachbarten weißen Farmer unterkam – als Hilfsarbeiter in der Landwirtschaft und bei der Viehzucht. Als er mich in dieser Zeit in Köln besuchte, riet ich ihm dringend, wieder in den Dienst der Kirche zu treten, zuvor aber einen Vertrag mit Bischof Schmitt abzuschließen und künftig, eventuell auf diözesaner Ebene, die Arbeit eines Büroleiters der missionsärztlichen Hospitäler zu übernehmen – mit Sitz in St. Lukes, wo Dr.Davis-Ziegler schon seit der 1950er Jahre tätig war. Das tat er denn auch. Damit hatte er wieder einen sinnvollen Job, der ihn ausfüllen würde – bis zu seinem Tod. John starb, viel zu früh, nach einem operativen Eingriff in Johannesburg. War es Lungenkrebs, war es Magenkrebs? Oder beides? Wahrscheinlich beides ...
Notre-Dame-Schwestern aus England, Schottland, Irland ...
Unsere High School in Embakwe wäre ohne die fachlich nach britischen Standards gut ausgebildeten Notre-Dame-Schwestern (SND) nicht möglich gewesen. Wir Mariannhiller hatten im gesamten Bistum nur ein paar wenige Schulfachleute; außer Pater Possenti meines Wissens nur noch ein oder zwei – und, ja, nicht zu vergessen, eine Anzahl Mariannhiller Missionsschwestern vom Kostbaren Blut in Regina Mundi, Empandeni und Bushtick.
Die High School in Embakwe durfte damals nur farbige Kinder (Mischlinge) aufnehmen; das war staatliche Vorgabe; eine Weisung, die an die strengen Apartheidgesetze in Südafrika erinnerte. Geleitet wurde unsere High School von einer Headmistress, einer SND-Nonne, und das war gut so. Ohne die Schwestern wären wir nicht in der Lage gewesen, diesen hohen schulischen Standard zu halten.
Unsere farbigen Kinder und Jugendlichen kamen übrigens von überall her, aus dem ganzen Land, und darüber hinaus auch aus Botswana, Malawi und Sambia. Embakwe hatte die erste und lange Zeit einzige Schule für Mischlinge (Farbige) landesweit! Zum Abschluss machten sie das Cambridge-Examen; das heißt, ihre Prüfungs-Arbeiten wurden nach England gesandt und dort benotet. Das waren jedes Jahr aufregende Tage; und alle, die während der Examenszeit die Aufsicht führten, mussten namentlich nach Cambridge gemeldet und entsprechend vereidigt werden.
Ich erinnere mich immer noch gerne an unsere Lehr-Schwestern; sie übernahmen, zusammen mit mehreren farbigen Laien-Lehrerinnen und Lehrern die Organisation des schulischen Betriebs, wenngleich die letzte Verantwortung beim Prinzipal lag; sprich – beim Stationsoberen. Auch betreuten die Schwestern das Mädchen-Internat. Nur, und das waren wahrlich nicht wenige, die Kontakte zu den staatlichen Stellen (Kultus- und Sozialministerium), blieben in meiner Verantwortung, und waren somit auch Johns Aufgabe.
Es ist hier nicht möglich, die Arbeit aller Ordensschwestern im Einzelnen aufzulisten. Allen bin ich nach wie vor sehr dankbar für ihre Dienste. Aber ein paar von ihnen möchte ich doch namentlich erwähnen. Ich beginne mit Sr.Veronica Chapman. Sie war Oberin des Schwesternkonvents und gleichzeitig Lehrerin an der High School. Eine kluge und rücksichtsvolle Frau; ehe sie über etwas urteilte, hörte sie die Meinung mehrerer Leute an. John und ich kamen glänzend mit ihr aus. Sie unterschied sich in mancherlei Hinsicht von den anderen Nonnen, nicht nur durch ihre Geburt. Sie stammte als einzige der 13 Schwestern aus Südafrika. Eine weiße Südafrikanerin, die sich während des Zweiten Weltkriegs in England der Gemeinschaft der SNDs angeschlossen hatte und sich dort auch als Lehrerin hatte ausbilden lassen. Ihr Großvater väterlicherseits gehörte noch zur Gruppe der Afrikaforscher und Großwildjäger, die mithelfen wollten, den schwarzen Kontinent für die westliche Zivilisation zu erschließen. Er hatte nachweislich die später nach der britischen Königin benannten Victoria-Fälle am Sambesi entdeckt, aber noch ehe er dies der Weltpresse mitteilen konnte, kam ihm der zeitgleich forschende schottische Missionar David Livingstone zuvor.
Sr. Veronica vermittelte immer wieder zwischen unserem, von John geführten Büro und den anderen Lehrerinnen und Lehrern der High School. Das war nicht immer einfach. Warum nicht? Weil eine ihrer Mitschwestern, die Headmistress der High School, eine damals noch typisch britische Haltung mir gegenüber einnahm. Warum? – Weil ich als Deutscher (und dazu noch als einziger Deutscher auf der Station) das letzte Wort hatte, auch die schulischen Belange betreffend. Natürlich auch die Hauptverantwortung. Wenngleich Sr. Headmistress alleine über den Stundenplan entscheiden konnte, so musste sie doch die Anstellung (und Entlassung) von Laien-Lehrern mit meinem Büro abstimmen. Das, und so manches mehr, bekam ihr nicht sonderlich gut. Zuweilen hörte man sie sagen: These bloody Germans lost the War, and now, look at them, they are back again! (Diese schrecklichen Deutschen, schau nur; sie haben den Krieg verloren – und jetzt sind sie schon wieder da!) Das war nicht die feine britische Art! Schon gar nicht von Seiten einer Ordensfrau. Und genau da sprang dann Sr. Veronica ein und mühte sich um Schlichtung. John allein hätte es wohl auch nicht geschafft.
Mit Sr. Veronica verband mich noch über Jahre eine anhaltende Korrespondenz; sie besuchte mich in Köln, einmal auch in unserem Generalat in Rom. Über sie (und via John) blieb ich bestens informiert über die mitunter prekäre Lage in Rhodesien während der Bürgerkriegs-Unruhen in den 1970er Jahren. Ihren Lebensabend verbrachte sie (gegen ihren Willen) in einem Seniorenheim in England, zuletzt, wie ich hörte, erkrankt an schnell fortschreitender Demenz ...
Embakwe, die Missionsstation, wurde, als die schwarzen Rebellen immer grausamere Überfälle verübten, für einige Monate ganz geschlossen – und ausgeplündert, mehrheitlich von Leuten der Umgebung.
Damals wurden zehn Mariannhiller Missionare6