Weltordnungskrieg. Robert Kurz
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Man könnte einwenden, der den phantastischen Verschuldungsprozess der USA tragende Zustrom von Geldkapital aus aller Welt sei eben der Tribut, den diese kapitalistische Welt ihrer Führungsmacht zollen muss. Aber es handelt sich dabei nicht um einen Tribut herkömmlicher Art, wie ihn stets besiegte oder unterlegene „Völker“ und „Nationen“ als solche entrichten mussten, sondern um einen Zustrom von transnationalem privatem Geldkapital, das als Kreditgeld eine gefährliche Forderung an die US-Ökonomie darstellt, weil es jederzeit abgezogen werden (oder durch Finanzkräche gewissermaßen „verdampfen“) und dadurch die ganze Weltmachtherrlichkeit zum Einsturz bringen kann.
Diese Gefahr betrifft nicht zuletzt den Hightech-Militärapparat selbst, der ja permanent Unsummen verschlingt und damit erst recht am Tropf des transnationalen Finanzkapitals hängt. Denn es handelt sich dabei um eine abgeleitete Finanzierung, die somit reell auf einer eigenständigen nationalökonomischen Potenz beruhen müsste, die den USA jedoch schon längst abhanden gekommen ist. Das militärische Potential für sich allein ist in seiner gewissermaßen „naturalen“ Gestalt nicht lebensfähig, da es eben wie alles in der kapitalistischen Welt durch das Nadelöhr der „Finanzierbarkeit“ hindurch muss.
Das gilt keineswegs allein für sozialstaatliche Leistungen oder die medizinische Versorgung, sondern ganz genauso für Cruise Missiles, Stealth-Bomber und Flugzeugträger. Rein ökonomisch gesehen unterscheiden sich Sozialstaat und Militärapparat nicht, in beiden Fällen ist eine vermittelte, externe Finanzierung durch staatliche Geldabschöpfung erforderlich. Und wer oder was auch immer sich durch Raketen und Fernbomber in die Knie zwingen lässt, die transnationalen Finanzmärkte gehören jedenfalls nicht dazu. Wenn also die globale Finanzblase platzt, wird die militärische Welthoheit der USA gleich mit in die Luft fliegen.
Der arrogante und militärisch muskelstrotzende Koloss der letzten Weltmacht steht auf tönernen Füßen. Aber nicht mehr deswegen, weil noch einmal ein anderer Koloss heranwachsen würde, der ihn stürzen könnte. Sondern allein aus dem Grund, dass die aller modernen Weltmacht zugrunde liegende kapitalistische Produktionsweise an ihre absolute Grenze zu stoßen beginnt. Die USA können nicht mehr an einer konkurrierenden Weltmacht scheitern, aber sie werden an ihrer eigenen Logik scheitern, und das ist die Logik des kapitalisierten Geldes. Die globale Kontrollfähigkeit der letzten Weltmacht geht zusammen mit der Pseudozivilisation des Geldes unter.
Deshalb kann es auch keinen Weltkrieg vom Typus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts mehr geben, der daraus entstanden war, dass gleichwertige Weltmächte innerhalb eines polyzentrischen Weltsystems im Kampf um die Hegemonie aufeinander prallten. Schon in der bipolaren Struktur des Kalten Krieges war dieser Zusammenstoß durch das atomare „Gleichgewicht des Schreckens“ blockiert worden; die Sowjetunion konnte nicht in einem Weltkrieg besiegt, sondern musste ökonomisch niederkonkurriert und militärisch totgerüstet werden.
In der monozentrischen Hegemonie der letzten Weltmacht gibt es auf dieser Ebene überhaupt keine Konkurrenz mehr, also noch viel weniger das Potential für einen Weltkrieg zwischen ebenbürtigen Großmächten. Aber die transnationale Krisenkonkurrenz lässt erst recht keinen „kapitalistischen Weltfrieden“ zu (was ein Widerspruch in sich wäre), sondern setzt als ihre Fortsetzung mit anderen Mitteln neue Formen bewaffneter Zusammenstöße frei, die nicht mehr auf der Ebene der alten Großmachtkonflikte liegen und nicht mehr in deren Kategorien beschrieben werden können. In dieser neuen Weltkrisenkonstellation vollendet sich eine tiefgreifende qualitative Metamorphose des imperialen Zugriffs, die ihren Anfang schon in der bipolaren Supermachtstruktur der Nachkriegsgeschichte genommen hatte.
Vom territorialen Nationalimperialismus zum „ideellen Gesamtimperialismus“
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts sind die USA nicht nur die letzte und andererseits „erste wirkliche“ Weltmacht, sondern sie sind damit auch in einen anderen Status als alle vorherigen imperialen Mächte eingerückt. Der monozentrische Charakter dieser Weltmacht, die an den historischen Grenzen der kapitalistischen Produktionsweise gewissermaßen die globalen Widersprüche verwalten muss, verweist auf eine Transformation des Imperialismus, in der dieser nicht mehr seinem bisherigen Begriff entspricht, sondern auf einer anderen Widerspruchsebene angesiedelt ist.
In der Reife ihrer Macht müsste die Position der USA - vom Standpunkt des alten, bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gültigen Verständnisses aus gesehen - sogar als eine gewissermaßen „postimperialistische“ erscheinen. Gewaltsamkeit, Brutalität und Zynismus der Zugriffe und ihrer Legitimation sind um keinen Deut geringer geworden, aber der Inhalt hat sich qualitativ vom ursprünglichen Begriff eines modernen „Imperiums“ entfernt. Den drei Entwicklungsstadien der polyzentrischen, der bipolaren und der monozentrischen politisch-militärischen Hegemonie in der modernen Welt entspricht ein fortlaufender Veränderungsprozess im Charakter des Imperialismus, der den Übergang von der Aufstiegs- und Durchsetzungsgeschichte des kapitalistischen Weltsystems zu seiner Krisenreife widerspiegelt.
In der Epoche des alten, polyzentrischen Imperialismus der industriekapitalistischen europäischen Mächte (ungefähr von 1870 bis 1945) ging es vor allem um die territoriale Aufteilung der Welt in nationale Kolonien und „Einflussgebiete“. Dieser klassische europäische Nationalimperialismus war im territorialen Prinzip des bürgerlichen Nationalstaats verwurzelt, wie es sich im Gegensatz zum dynastischen oder personalen Prinzip der feudalen Agrargesellschaft herausgebildet hatte. Die territoriale Expansion der kapitalistischen Nationalstaaten, die schon in der frühen Neuzeit begonnen hatte, setzte sich dabei auf industrieller Grundlage und im großen Maßstab fort; Ziel war stets die Ausdehnung der eigenen territorialen Kontrolle. Kein grenzenloser Weltmarkt lag dieser Entwicklung zugrunde und schon gar keine transnationale Globalisierung des Kapitals, sondern genau umgekehrt eine zunehmend staatsökonomische und nationalzentrierte Formierung des Akkumulationsprozesses. Die Expansion der ökonomischen Bewegung nahm daher die Form eines Strebens nach bloß partiellen und relativen, von nationalen „Großreichen“ kontrollierten „Weltwirtschaften“ (im nationalen Plural) an.
Ganz in diesem Sinne war in allen europäischen Großmächten des Kapitals die außen- und gesellschaftspolitische Debatte nach einem Wort des wilhelminischen Generals Friedrich von Bernhardi von der nationalzentrierten Parole „Weltmacht oder Niedergang“ (zit. nach: Gollwitzer 1982/2, 25) gekennzeichnet. Als Grundlage für strategische Orientierungen entwickelte sich dabei die sogenannte „Geopolitik“, in Deutschland vor allem durch Karl Haushofer (1869-1946), der im Nazireich zum führenden strategischen Stichwortgeber aufstieg. Schon der Titel seines dreibändigen Werkes „Macht und Erde“ verweist auf den territorialen Charakter der damaligen imperialen Expansionstendenz. In einem anderen exemplarischen Text Haushofers heißt es dementsprechend: „Großmächte sind ‚Ausdehnungsstaaten‘… Deshalb sehen wir sie alle mit einem größeren oder kleineren Anhang von Einflussgebieten auftreten, die zum Begriff der Großmacht gehören wie der Schweif zum Kometen…“ (zit. nach: Gollwitzer, a.a.O., 562).
Ein zentraler Begriff dieser territorialen Expansion war der des „Großraums“, d.h. eines nationalimperial beherrschten partiellen Weltreichs auf der Grundlage einer kohärenten kapitalistischen „Großraumwirtschaft“, die nichts anderes sein konnte als die Erweiterung einer großen Nationalökonomie um Kolonien, abhängige Zonen und schlicht annektierte Gebiete. Der unheimliche Jurist und reaktionäre Gesellschaftstheoretiker Carl Schmitt, der sich lange Zeit den Nazis zur Verfügung stellte, verfasste dazu zeitlich passend 1939 (mit der 4. Auflage schon 1941) die rechtstheoretische Schrift „Völkerrechtliche