Weltordnungskrieg. Robert Kurz

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Weltordnungskrieg - Robert Kurz

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(Reagan) niederzuringen, musste der US-Imperialismus gewissermaßen zum „ideellen Gesamtimperialisten“ werden, also auf einer Meta-Ebene jenseits der bloß nationalen Expansion operieren.

      Es ging insofern nicht um eine neue Konstellation innerhalb der alten Logik der Konflikte, sondern um einen transitorischen Charakter des Konflikts selbst. Schon der Ausdruck „Weltpolizist“, ursprünglich wohl in einem kritischen Sinne gemeint, verweist ja ungewollt darauf, dass es dabei um die Option eines militärisch gestützten globalen Kontrollmonopols jenseits der nationalökonomischen Grenzen ging statt um deren Hinausschieben als Erweiterung des eigenen Territoriums.

      Auf dieser Ebene war also nicht mehr der Gedanke eines eigenen imperialen „Großraums“ und einer dazugehörigen „Großraumwirtschaft“ bestimmend, sondern die globale Absicherung der kapitalistischen Produktionsweise als solcher. Die USA wurden insofern gewissermaßen zur weltweiten „Schutzmacht“ des Kapitals überhaupt, wobei dieses nur in seiner westlichen, privat- und konkurrenzkapitalistischen Form akzeptiert wurde und die östlich-südlichen Varianten des Staatskapitalismus als feindliches Störprinzip erschienen.

      Der Drang ging dahin, den eisernen Vorhang zu durchbrechen und die gesamte Welt für den privatkapitalistischen Zugang (welcher Nationalität auch immer) zu „öffnen“, also ein einheitliches kapitalistisches Weltsystem herzustellen. In diesem Sinne gründeten die USA 1949 die NATO, deren Organisationsrahmen dazu diente, die zweit- und drittrangig gewordenen europäischen Nationalstaaten direkt in die strategischen Operationen der weltkapitalistischen US-„Schutzmacht“ einzubinden und sie als „Flugzeugträger“ der US-Army zu benutzen.

      Weil aber dieser Weltmacht-Status den Charakter eines „ideellen Gesamtimperialisten“ implizierte und nicht mehr unmittelbar identisch sein konnte mit einem nationalimperialen Expansionsinteresse, machte sich der Widerspruch zwischen den USA als Nationalstaat und den USA als Weltmacht neuen Typs durch zunehmende Reibungsverluste bemerkbar. Zwar verwenden die USA bis heute für ihr globales Vorgehen als „Weltpolizist“ gewohnheitsmäßig und geradezu unschuldig den Begriff des „nationalen Interesses“, und sie nutzen ihre Weltmachtposition, die Rolle des Dollar als Weltgeld etc. natürlich auch weidlich für sich selbst aus, wo es nur möglich ist. Trotzdem waren der im Verlauf des Kalten Krieges erlittene Verlust jener am Ende des Zweiten Weltkriegs erreichten absoluten ökonomischen Übermacht, der Rückgang des nationalen Weltmarktanteils, das relative Zurückfallen in der industriellen Produktivität und schließlich die exorbitante Innen- und Außenverschuldung zu großen Teilen auf die kapitalistisch unproduktive Last des politisch-militärischen „Weltmachtkonsums“ zurückzuführen.

      Dieser Sachverhalt ist mehrfach beschrieben und beklagt worden, zuletzt wieder von Paul Kennedy, der dabei Analogien zu den früheren Vormächten der Modernisierungsgeschichte seit dem 16. Jahrhundert aufmacht (Kennedy 1991/1987). Die Rolle als „Weltpolizist“ oder „ideeller Gesamtimperialist“ blieb daher in den außen- und gesellschaftspolitischen Debatten der USA stets umstritten; aber gleichzeitig waren diese durch die weltkapitalistische Entwicklung gewissermaßen zu dieser Rolle verdammt.

      Zum andern wurde die alte nationalimperiale Annexionspolitik aber nicht nur durch die äußerliche weltpolitische Konstellation des Kalten Krieges und seiner bipolaren Machtstruktur obsolet, sondern auch durch den inneren ökonomischen Prozess der kapitalistischen Produktionsweise selbst - wofür allerdings die weltumspannende politische Vereinheitlichung des Privatkapitals durch die Supermacht USA durchaus eine Rahmenbedingung bildete. Denn unter dem Dach der Pax Americana wurde der bereits von Lenin und Rudolf Hilferding als neues Strukturmerkmal des Kapitals ausgerufene Kapitalexport überhaupt erst in einem großen Maßstab real.

      Lenin hatte den Kapitalexport (im Unterschied zum bloßen Warenexport) noch in der alten Konstellation der nationalökonomisch zentrierten „Ausdehnungsmächte“ gesehen. Aber auf diesem Entwicklungsniveau des Weltkapitals konnte der Kapitalexport noch gar kein relevantes Ausmaß annehmen. Bis 1913 expandierte zwar der Welthandel unter den kapitalistischen Nationalökonomien stetig, aber die Auslandsinvestitionen (vor allem in Sachkapital) blieben fast ganz auf die eigenen nationalen Kolonien oder Einflusszonen beschränkt, also auf den jeweiligen nationalimperialen „Großraum“. Im polyzentrischen Kampf der europäischen Großmächte um die kapitalistische Hegemonie war gar nichts anderes möglich.

      Im Rahmen der Pax Americana nach dem Zweiten Weltkrieg dagegen wurde nicht nur das politische Weltsystem unter den bipolaren „Systemkonflikt“ zwischen Privat- und Staatskapitalismus subsumiert, sondern gleichzeitig die westliche Hemisphäre bereits monozentrisch ausgerichtet. Unter der politischen Glocke dieses Monozentrismus wurde überhaupt erst die Bedingung für ein rapides Anwachsen des Kapitalexports geschaffen: nämlich die Möglichkeit, innerhalb der entwickelten industriekapitalistischen Länder selber Kapital in einem nie dagewesenen Umfang zu exportieren, also große Produktionsunternehmen im früheren „Feindesland“ zu eröffnen. Pax Americana bedeutete in dieser Hinsicht nichts anderes, als dass sich die in diesem Rahmen entstehenden multinationalen Konzerne (Multis) allmählich gegen ihren nationalökonomischen Zusammenhang zu verselbständigen begannen. Damit wurde schon die Krisenstruktur eines neuen Widerspruchs von Einzelkapital einerseits und Nationalökonomie bzw. Nationalstaatlichkeit andererseits in ersten Konturen sichtbar.

       Vom nationalen „Gutmenschen“-Pazifismus zum globalen Interventions-Bellizismus

      Im Prozess der betriebswirtschaftlichen Globalisierung machte die Ideologie des zum „ideellen Gesamtimperialisten“ gewordenen US-Imperialismus eine eigenartige Metamorphose durch, die dem Status der USA gemäß zur westlich-privatkapitalistischen Gesamtideologie mutierte. In den USA hatte es gegen die alte nationalimperiale Annexionspolitik stets eine idealistische „Gutmenschen“-Opposition gegeben, die sich aus den demokratischen Illusionen über den Charakter des Kapitalismus speiste und das bürgerliche Ideal (ein Kantischer „ewiger Friede“ zwischen den Handel treibenden Nationen) gegen die damalige kapitalistische Wirklichkeit (nationalimperialistische Raubkriege) einklagte. Dieser ursprünglich antiimperialistische Pazifismus entpuppte sich in der Nachkriegsgeschichte allmählich als neue imperialistische Legitimation für die veränderte Rolle der USA als „Weltpolizist“.

      War diese Ideologie nämlich in der alten Konstellation grundsätzlich „isolationistisch“ gewesen, also gegen eine äußere Interventionspolitik der USA gerichtet, so konnte sie in der neuen Konstellation mit den USA als alleiniger Vormacht des Westens plötzlich umgekehrt selber als Rechtfertigung von Interventionen fungieren. Denn nun ging es ja nicht mehr in erster Linie um die Ausdehnung des vom nationalen US-Imperialismus definierten „Großraums“, sondern um die globale Erhaltung und Ausdehnung des privatkapitalistischen, wirtschaftsliberalen „Prinzips“ und seiner demokratischen Legitimationsmuster. Das bürgerliche Ideal konnte in diesem Sinne mit der immer noch unfriedlichen kapitalistischen Wirklichkeit scheinbar zur Deckung gebracht werden, weil es nun nicht mehr so sehr um allzu durchsichtige nationale Raubinteressen ging, sondern um die angebliche Erhaltung und Durchsetzung des „demokratischen Weltfriedens“ gegen sogenannte „undemokratische Friedensfeinde“; in der bipolaren Supermachtstruktur zunächst definiert als das „totalitäre“ östliche „Reich des Bösen“ und dessen Vasallen.

      Die neue Weltmachtrolle der USA konnte also mit einem fast schon religiösen Sendungsbewusstsein aufgeladen werden: Die westliche Supermacht mutierte zum globalen Propagandisten und geradezu Missionar der privat- und konkurrenzkapitalistischen Produktions- und Lebensweise einschließlich ihrer kulturellen Komponenten („American Way of Life“). In diesem Sinne hatte Präsident Truman bereits 1947 die nationalimperial beschränkte Monroe-Doktrin verworfen und mit der „Truman-Doktrin“ die angebliche Hilfe der USA für die „in ihrer Freiheit bedrohten freien Völker“ beschworen, die den Interventionismus auf einer Meta-Ebene des Weltsystems jenseits bloß nationaler Ausdehnungsinteressen implizierte.

      Truman

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