Die Althessische Ritterschaft und das Stift Kaufungen. Группа авторов

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Die Althessische Ritterschaft und das Stift Kaufungen - Группа авторов

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Amtsträger der Kanzlei, der den König auf vielen Reisen begleitete. Die Forschung bezeichnet ihn als GA, den ersten neu fassbaren Schreiber (A) unter Kanzler Gunther (G).

      Die königliche Kanzlei war auch für die Besiegelung zuständig. Auch wenn das Wachssiegel auf anderen Diplomen (Abb. 2) besser erhalten ist als in unserer Ausfertigung, folgte die Ausgestaltung festen Vorgaben. Das sog. Majestätssiegel zeigt den bärtigen Herrscher frontal auf seinem Thron sitzend, im Schmuck seiner Insignien, mit der Königskrone auf dem Haupt, dem Zepter in der rechten Hand und dem Reichsapfel oder Weltglobus in der linken Hand. Seine Füße ruhen auf einem Schemel; er selbst sitzt, mit einer Tunika und einem von einer Fibel auf der rechten Schulter zusammengehaltenen Mantel bekleidet, aufrecht auf einem gepolsterten Thron mit Armlehnen. Aus dieser idealisierten Darstellung ist freilich nicht auf sein Auftreten im Alltag, etwa in Kaufungen, zu schließen, aber das Typar genannte Prägewerkzeug für dieses Königssiegel aus Wachs, das bis zum 1. Dezember 1013 in Gebrauch war und die Siegelumschrift + HEINRICVS D[E]I GRATIA REX (Heinrich von Gottes Gnaden König) trug, begleitete ihn auf allen Reisen durch sein Reich.16

      Zu beachten ist zudem, dass die Formulierung und die Ausstellung eines Rechtsgeschäfts durchaus nicht immer am gleichen Tag mit der Vollziehung erfolgen mussten; vereinzelt ist der Vollziehungsstrich auf dem Pergament sogar nie erfolgt. Ein Auseinandergehen beider Handlungen könnte also vielleicht erklären, dass die zuletzt aufgeführten Worte actum Coufungon womöglich in beiden Fällen nachgetragen wurden.

      Folgenschwer ist freilich die Vermutung, dass sowohl der Empfänger- als auch der Kanzleinotar oder sogar ein weiterer Schreiber den Ortsnamen in beiden Diplomen erst später hinzugefügt haben. Da nur noch das Hersfelder Original erhalten ist, können wir die verschiedenen Schreiberhände nicht mehr miteinander vergleichen. Die Verfasser, die den jeweiligen Rechtsakt zweifellos vorbereitet hatten, könnten den Ort der Ausstellung jeweils selbst in Kaufungen nachgetragen haben. In dieser frühen Phase der Kaufunger Entwicklung könnte man vermuten, dass die Notare bei der Niederschrift noch nicht wussten, ob die königliche Gesellschaft im August 1011 tatsächlich mehrere Tage oder gar mehrere Wochen in Kaufungen bleiben oder nicht etwa die baulichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen in Kassel bevorzugen würde. Denn zumindest der Kanzleiangehörige GA, der schon am 18. Juli in Trebur bei Heinrich weilte,17 dürfte im königlichen Gefolge mitgereist sein und muss daher die Reisepläne gekannt haben. Alternativ bliebe nur die unwahrscheinliche Lösung, dass er, im Wissen um das spätere Eintreffen des Erzbischofs, das Magdeburger Privileg einschließlich der Datumszeile schon vor der Ankunft im Kasseler Becken vorbereitet hatte.

      Standort und Gründung der klösterlichen Gemeinschaft in Kaufungen

      Die beiden im Abstand von zehn Tagen ausgestellten Diplome vom August 1011 entsprechen den üblichen Verwaltungstätigkeiten, die am Königshof jeweils vor Ort stattfanden und uns heute erlauben, die Reisebewegungen des Königs durch sein Land nachzuvollziehen. Selbst wenn der Ort nachgetragen wurde, bedeutet dies trotzdem, dass sich die früher in der befestigten Siedlung Kassel ausgeübten Dienstaufgaben nach Kaufungen verlagert hatten. Wir wissen allerdings nicht, warum Heinrich und Kunigunde die königliche Unterkunft von der geschäftigen Betriebsamkeit des Kasseler Wirtschaftshofes in den untergeordneten Nebenhof mit Wallburg verlegt haben, auch wenn in dessen Nähe der Königsforst des Kaufunger Waldes hervorragende Jagdmöglichkeiten bot. Unabhängig vom Kasseler Fronhof werteten sie damit langfristig den Nebenhof zum Grundstock der späteren Stifts- oder Klostergründung auf.

      In der Forschung ist umstritten, ob der Kasseler Zentralhof bei diesem Vorgang zu einem Nebenhof herabgestuft und von der curtis Kaufungen aus verwaltet wurde oder ob der zentrale Wirtschaftshof weiterhin in Kassel verblieb, während nur die Pfalz nach Kaufungen abwanderte. Grundproblem ist, dass der Begriff curtis sowohl den Zentralhof mit einer Unterkunft für den König und seine engere Umgebung als auch die königliche Hofhaltung bezeichnen konnte.18 Zudem divergieren die historischen Begriffe für die königlichen Aufenthaltsorte, wobei curtis und villa eher einen grundherrschaftlichen Wirtschaftshof, castrum und castellum eine befestigte Anlage bezeichneten. Wenn der bekannte Geschichtsschreiber Thietmar von Merseburg also behauptet, dass der Kaiser 1015 in Kaufungen weilte, wohin er seinen Hof (curtis sua) aus der Stadt Kassel transferiert hätte,19 dann sind beide Deutungen möglich: die Verlegung des gesamten Wirtschaftshofes oder die Verlegung allein der Pfalz nach Kaufungen.20

      Es ist jedoch anzunehmen, dass die persönliche Wendung curtis sua eher auf die Hofhaltung, speziell die Einrichtungen für die Beherbergung des Königs, deutet als auf den Kasseler Zentralwirtschaftshof. Gegen dessen Verlegung spricht auch, dass die neue Kaufunger Stiftsvillikation 1019 aus dem östlichen Kasseler Königsgut herausgelöst wurde, ein Schritt, der den Oberkaufunger Wirtschaftsnebenhof (villa) erst zur curtis, also zum Haupthof, eines neu eingerichteten eigenen Güterkomplexes aufwertete. Dieser Vorgang ergibt nur dann einen Sinn, wenn der alte Kasseler Zentralhof weiterhin das übrige Königsgut verwaltete.21 Die Interpretation, dass sich nur die Hofhaltung nach Kaufungen verlagerte, würde obendrein durch einen Vergleich mit einem nur wenige Jahre später ablaufenden Geschehen im niedersächsischen Raum gestützt: Die bei Wolfenbüttel liegende Pfalz Werla siedelte 1015 in das nicht weit entfernte Goslar über, ohne dass Werla dabei den Verwaltungssitz verloren hätte.22

      Über Alter und Bedeutung des Ortsnamens Coufungon kann nur spekuliert werden. Der Name selbst lässt keine Rückschlüsse auf einen alten Handelsplatz zu, dessen verkehrstechnische Voraussetzungen diejenigen in Kassel übertroffen hätten. Beide Standorte ergänzten sich vielmehr gegenseitig: Kaufungen lag bekanntlich an einem Ost-West-Handelsweg, der durch den Kaufunger Wald nach Thüringen führte, Kassel hingegen an einer günstigen Nord-Süd-Strecke, die sich nördlich der Stadt in drei Zweige aufteilte, nach Nordwesten zum Niederrhein, nach Norden zur Weser und nach Nordosten in das Leinegebiet. Auch die 1019 an Kaufungen verliehenen und 1041 erweiterten Marktrechte23 knüpften keineswegs an alte Handelsprivilegien an.

      Trotzdem könnte die Namensform weiter zurückreichen, wenn wir annehmen, dass das Doppeldorf Kaufungen zusammen mit Kassel, Vellmar, Wehlheiden und Zwehren zu den vorkarolingischen Siedlungen der Kasseler Beckenlandschaft gehörte24 und als Zentrum jenes Gebiets östlich der Fulda zu erschließen ist, das 813 als Erbe eines dux Gerhao um den Kaufunger Wald ergänzt wurde.25 Es könnten Teile dieses an das Königtum gefallenen Erbes gewesen sein, die Heinrich II. zur Ausstattung des Kaufunger Stifts verwendete. Denn dem Ort ist als Verwaltungssitz des Kaufunger Waldes schon vor 1008 eine Sonderstellung innerhalb des Kasseler Königsgutes zuzuschreiben. Anhand der Topographie hat Klaus Sippel zudem eine mutmaßliche Wallburg für den Kirchberg erschlossen und festgestellt, dass sie spätestens in das 10. Jahrhundert, vermutlich aber noch wesentlich früher zu datieren sei.26

      Für frühe Besuche des Königs- und späteren Kaiserpaares in Kaufungen sprechen außer den beiden Ersterwähnungsdiplomen von 1011 und einer für das Kloster Fulda ausgefertigten Urkunde vom 11. Mai 1015,27 die zeitlich mit der besagten beiläufigen Bemerkung Thietmars von Merseburg harmoniert, noch weitere Indizien. Sie demonstrieren einleuchtend, dass vor diesen bekannten Kö nigsaufenthalten erste Planungsschritte erfolgt sein müssen. Archäologischen Befunden zufolge muss Heinrich II. im Kontext der in Ingelheim ausgestellten Schenkung vom Mai 1008 an seine Gemahlin den bescheidenen Bau der Eigenkirche St. Georg, der heutigen Georgskapelle, initiiert haben. Dem Herrscherpaar bot sie bei dessen Besuch im Mai 1011 eine Empore; später fungierte sie als Pfarrkirche.28 Dabei komplettierte sie die Pfalzanlage, zu der ein Burgwall zur Verteidigung und ein Palatium für Wohn- und Repräsentationszwecke gehörten.

      Größer und bedeutsamer war vermutlich ein dem hl. Benedikt geweihter Baukomplex, dessen Kryptareste sich bis heute im Keller des Rentereigebäudes erhalten haben. Dieses Gotteshaus mag aus dem ersten Pfalzstift hervorgegangen sein und dann als standesgemäße Pfalzkapelle mit Krypta gedient haben.29 Im Mai 1015 verbrachte jedenfalls

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