Hitlers Vater. Roman Sandgruber

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Hitlers Vater - Roman Sandgruber

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verschiedenen Berufs- und Hobbygenealogen und Adabeis. Mehr oder weniger gute Ahnenforscher wurden tätig. Einer davon war der Wiener Friedrich von Frank. Am 29. Februar 1932 beauftragte ihn Hitler gegen ein Honorar von 300 Mark mit der Erstellung eines Stammbaums. Im April desselben Jahres wurde das Ergebnis vorgelegt. Ein Vorname in dieser Stammtafel fiel auf: »Katharina Salomon«, was auch in der Neuen Zürcher Zeitung am 16. Juni 1932 zu kritischen Kommentaren Anlass gab. Zwar hatte der Genealoge offenbar einen Fehler gemacht, den er umgehend korrigierte und die Katharina Salomon durch eine »Maria Hamberger« ersetzte.27 Aber damit war den Spekulationen erst recht Nahrung gegeben. War das eine Gefälligkeit gegenüber dem Auftraggeber? Auch als ein anderer Genealoge, der Wiener Rudolf Koppensteiner, eine revidierte Fassung des Stammbaums erstellte, die alle Zweifel beseitigen sollte, half das nicht viel, weil dieser als weitschichtiger Verwandter Hitlers erst recht unter den Verdacht der Voreingenommenheit kam.28

      Es war der mit dem Genealogen Friedrich von Frank zufällig namensgleiche berüchtigte Gauleiter des Generalgouvernements Dr. Hans Frank, der in seiner 1945 im Nürnberger Kriegsverbrechergefängnis verfassten Autobiografie Im Angesicht des Galgens die Geschichte von Hitlers jüdischer Abstammung neuerlich aufwärmte: Ein Grazer Jude namens »Frankenberger, Frankenreiter (oder so ähnlich)«, bei dem Maria Anna Schicklgruber als Köchin gearbeitet habe, sei Hitlers Großvater. Die Behauptung war ohne viel Substanz, nicht nur weil Maria Anna wohl kaum in dem vom Waldviertel so weit entfernten Graz eine Beschäftigung angenommen haben wird, sondern weil es in Graz zu der fraglichen Zeit nicht nur keinen Juden mit dem Namen Frankenberger »oder so ähnlich«, sondern überhaupt keine Juden gab.29

      Auch Salomon Rothschild, der reichste Kapitalist im vormärzlichen Österreich, der in Internet-Foren immer wieder als Hitlers Großvater genannt wird und dem man einen etwas lockeren Umgang mit kleinen Mädchen zuschrieb, ist mit Sicherheit auszuschließen, nicht nur weil Maria Anna kein junges Mädchen mehr war, sondern weil Salomon sich im fraglichen Jahr gar nicht in Wien aufhielt. Aber ein Propagandaerfolg wäre es tatsächlich gewesen, hätte man den nunmehr berühmt gewordenen Politiker und berüchtigten Antisemiten als Sohn eines Juden oder gar eines so bekannten Juden und Inbegriffs des Reichtums wie Salomon Rothschild entlarven können.30 Auch Adolf Pereira-Arnstein, den Ilse Krumpöck, die langjährige Leiterin des kunsthistorischen Referates im Wiener Heeresgeschichtlichen Museum, vor einigen Jahren in einer skurrilen »Romanbiografie« ohne haltbare Quellenbelege als »Hitlers Großvater« hervorzauberte, wohl wegen des Namens Adolf, vielleicht auch, weil dieser sein Palais in der Renngasse 6 hatte, nur wenige Meter von Rothschilds Renngasse 3 entfernt, kommt nicht infrage, wobei sie schon auf der ersten Seite ihre absurden Theorien mit dem obskuren Satz gegen jegliche Kritik zu immunisieren versuchte: »Jedes zweite Wort ist wahr.« Krumpöcks krause Zusammenstellung ist von Andreas Kusternig eindringlich korrigiert worden.31 Doch gegen Verschwörungstheorien ist nicht wirklich anzukommen. Sie geistern unausrottbar durch die Weltgeschichte und das Internet.

      Auch Hitler selbst versuchte seine Herkunft zu verschleiern. Wie viel wusste er? Wie sehr war er psychisch dadurch belastet? In Mein Kampf gibt es nur zwei kurze, sich zudem widersprechende Sätze über die Vorfahren seines Vaters: »Als Sohn eines armen, kleinen Häuslers hatte es ihn schon einst nicht zu Hause gelitten …« und später, anlässlich seines eigenen Wienaufenthalts: »… immer das Bild des Vaters vor Augen, der sich einst vom armen Dorf- und Schusterjungen zum Staatsbeamten emporgerungen hatte.«32 Er hat ausgerechnet bei diesen Sätzen sehr lange um die Formulierung gekämpft, ursprünglich hätte es »Häusler und Tagelöhner« heißen sollen. In welches Licht wollte und sollte er seine Herkunft setzen? In die schmerzliche Realität einer armen, niedrigen und ungeklärten Herkunft? Eines inzestuösen Verhältnisses? Einer Lüge?

      Hitlers Schwester Paula jedenfalls behauptete 1945 gegenüber der US-Armee, über die Herkunft ihres Vaters im Unterschied zu jener der Mutter praktisch nichts zu wissen: »Der Vater hat sich um die Verwandtschaft nicht gekümmert. Ich habe niemand von den Verwandten meines Vaters gekannt, sodass wir, meine Schwester Angela und ich, öfter gesagt haben: wir wissen gar nicht, der Vater muss doch auch Verwandte gehabt haben.«33 Und auch Adolf Hitler selbst wollte nicht darüber sprechen. Am 21. August 1942 sagte er in der Wolfsschanze: »Von Familiengeschichte habe ich gar keine Ahnung. Auf dem Gebiet bin ich der Allerbeschränkteste. Ich habe auch früher nicht gewusst, dass ich Verwandte habe. Erst seit ich Reichskanzler bin, habe ich das erfahren. Ich bin ein vollkommen unfamiliäres Wesen, ein unsippisch veranlagtes Wesen. Das liegt mir nicht. Ich gehöre nur meiner Volksgemeinschaft an. Ich finde das Ganze uninteressant, belanglos. Ich hatte einen Mann in der Partei, er hat mir ein paar Mal das vortragen wollen, was er in langem Studium über die Geschichte seiner Familie in Erfahrung gebracht hat. Ich sagte ihm: Pfeffer, das interessiert mich nicht! Da ist er ganz geistesabwesend dagestanden!«34 Mit Pfeffer war wohl der später in Ungnade gefallene westfälische Freikorpsführer Franz Pfeffer von Salomon gemeint.35 Aber Hitler hätte auch den oberösterreichischen Archivbeamten Dr. Franz Pfeffer meinen können, der 1938 im Amt des Reichsstatthalters von Oberdonau beauftragt war, Hitlers Herkunft und frühe Geschichte im »Ahnengau« zu erforschen.36

      Wir wissen aus vielen lebensgeschichtlichen Erzählungen, dass das Phänomen der Unehelichkeit oft von einer charakteristischen »Heimlichkeitssphäre« umgeben ist, welche die betroffenen Kinder zwar wahrnahmen, aber erst nach und nach zu durchdringen vermochten. Diffus erkannte Unstimmigkeiten über die eigene Herkunft wurden intuitiv zwar als Anderssein gegenüber anderen Kindern empfunden, deren Ursachen aber erst schrittweise erfassbar und beschreibbar gemacht.37 Unbestimmte Ängste konnten ein ganzes Leben aufrecht bleiben. Das mag auch bei Alois der Fall gewesen sein, der erst mit fast vierzig Jahren eine Legitimierung erreichte, die erst recht keine Klärung war. Auch bei Adolf Hitler, der die illegitime Herkunft seines Vaters und dessen Namen nicht nur aus politischen, sondern auch aus psychischen Gründen in einen starren Panzer der Verheimlichung einhüllte, wirkte das noch nach. Auch er verdeckte seine Herkunft, so gut es ging.

       Hitlers Großmutter

      Maria Anna, Adolf Hitlers Großmutter, geboren 1796 in Strones, stammte aus einer Bauernfamilie, deren Hof mit 19 Joch (10 ha) Grundbesitz in dieser kargen Gegend eher der kleinbäuerlichen Unterschicht, aber sicherlich nicht einer bäuerlichen Oberschicht zuzuordnen war. Über die Lebensverhältnisse im Waldviertel und über den Lebensstandard der Schicklgrubers lässt sich kein genaues Urteil fällen. Im späten 18. Jahrhundert hatte die Protoindustrialisierung den unterbäuerlichen und kleinbäuerlichen Familien mit Handspinnerei und Handweberei einen bescheidenen Wohlstand bringen können. Aber die Napoleonischen Kriege und die nachfolgende schwere Klima- und Hungerkrise hatten das weitgehend zunichte gemacht. Witterungsmäßig waren die Jahre 1816/17, als Johann Schicklgruber, Maria Annas Vater, den Hof an die nächste Generation übergab, die kältesten des ohnehin kalten 19. Jahrhunderts: 1816 war das Jahr ohne Sommer, mit schweren Missernten, Hungersnöten und einer galoppierenden Inflation.

      Den elterlichen Hof Maria Annas hatte im Jahr 1817 ihr Bruder Josef übernommen, mitten im schlechtesten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts. Der Vater erhielt ein Ausgedinge in einem kleinen Haus (Strones 22) mit recht detaillierten Naturalansprüchen, deren Geldwerte sich angesichts der 1817 herrschenden Teuerung unverhältnismäßig hoch ausnahmen und die in Naturalien zugeteilt in dieser Hunger-und Inflationszeit Goldes wert waren. Maria Anna zog zu ihrem seit 1821 verwitweten Vater: Das war ein zwar sicheres, aber doch recht freudloses Dasein: ihm den Haushalt führen, kochen, waschen, spinnen, weben, taglöhnern, ohne Möglichkeit, dem zu entkommen oder gar in die große Stadt zu gehen. Vielleicht ein bisschen tanzen, sich verlieben, träumen. Aber die industrielle Fabrikware drückte die Erlöse aus der Heimarbeit immer mehr. Dass sie den Vater jemals verlassen hätte, um nach Wien oder gar Graz in ein Dienstverhältnis zu gehen, und gar zu einer jüdischen Familie, von denen es damals in Österreich nur sehr wenige

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