Hitlers Vater. Roman Sandgruber

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Hitlers Vater - Roman Sandgruber

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in ihrer Heimat zum Einsatz kamen und oft versetzt wurden, um verwandtschaftliche Netzwerke und regionale Seilschaften möglichst schon im Ansatz zu unterbinden. Alois Hitlers erste Station war Salzburg, das erst seit 1816 dauernd zu Österreich gehörte und wo die Unzufriedenheit mit dem neuen Staat immer noch groß war und viele der früheren fürstbischöflichen Unabhängigkeit und den Beziehungen nach Bayern und ins »Reich« nachtrauerten. Entsprechend hoch war unter der Bevölkerung die Bereitschaft zu Widersetzlichkeiten. Viele alte Bindungen über die neuen Grenzen hinweg waren noch intakt. Das sogenannte »kleine deutsche Eck«, wo der Warenverkehr zwischen Salzburg und Tirol zwangsläufig über bayerisches bzw. deutsches Gebiet führte, war ein Eldorado für Schmuggler. Hoch oben, wo die Pfade unwegsam und die Verhältnisse unüberblickbar wurden, kannten sich die Holzknechte, Senner und Wildschützen viel besser aus als die Zöllner.

      Eine Respektsperson mit Wohlstandsbäuchlein und blinkenden Knöpfen: k.k. Zollamtsoberoffizial Alois Hitler in seiner Ausgehuniform. In seiner Bartmode folgte er dem 45 Kaiser.

      Alle haben sich beteiligt, auch die Zollbeamten. Arm waren sie ja alle und alle brauchten sie Geld. Notwendig waren Zähigkeit und Mut. Geschmuggelt wurde alles, was es hüben oder drüben nicht gab oder was billiger zu haben war: Pfeifentabak und Zigarren, Zucker und Kaffee, Speck und Butter, Alkohol und Salz, Textilien und Eisenwaren, lebende Hühner und Gänse, aber auch ausgewachsene Rinder und Pferde. Gesucht wurde natürlich auch nach staatsgefährdenden oder pornografischen Schriften und nach gefährlichen Revolutionären und flüchtigen Kleinkriminellen. Gearbeitet wurde mit allen erdenklichen Tricks, um über die Grenze zu kommen, am besten in mondlosen Nächten, bei Nebel und Regen, einzeln oder in ganzen Banden, auf damals wie heute gefährlichen Steigen und Schleichwegen. Vor allem das Salz war der Stein des Anstoßes: »Bayern, welches einen sehr großen Theil des Salzes, das wir an den Grenzen zu speisen bekommen, durch den Schmuggel zu uns herüberschafft, verkauft sein Salz zu 4 und 5 fl per Zentner, bei uns beträgt der Preis des Salzes 8, 10, auch 11 fl.«, klagte der Abgeordnete Ignaz Mayer 1868 im Wiener Reichsrat.60

      Die Schmuggler waren zu allen Zeiten erfinderisch: Junge Ferkel wurden mit Schnaps betäubt und in Heuwagen versteckt, Rindern und Pferden zur Schalldämmung die Hufe mit Stofffetzen eingebunden. Man arbeitete mit schlauen Tricks und mit roher Gewalt. Einmal soll Alois einen großen Diamanten, eingewickelt in eine Zigarre, beschlagnahmt haben, erzählte Adolf seinem Wiener Kumpanen Reinhard Hanisch.61 Meist aber ging es um Zuckerhüte, Salzküfel, Solinger Messer oder den neuen chemischen Süßstoff Saccharin.62 Beschreibungen von Situationen, in denen man den Verfolgern von der Zollwache nur knapp und mit kühnen Taten entkam, sind zentrale Bestandteile klassischer Schmugglergeschichten, auch wie man den »Wiener« Zöllnern auf geschickte Weise ein Schnippchen schlagen oder sie »lächerlich« machen konnte. Neben »Schläue« wurde den Schmugglern immer auch körperliche Kraft attestiert. Die mussten auch die Zöllner haben. Zahlreiche Erzählungen beschreiben die großen Anstrengungen, die ihnen bei diesem Katz-und-Maus-Spiel mit den Schmugglern abverlangt wurden.63 »Der Körper der Zöllner muss gegen Schweiß und Witterung geschützt werden. Um ihn abzuhärten, ist das Waschen im kalten Brunnenwasser allmorgendlich sehr zu empfehlen«, hieß es in den Handbüchern. Auch der mäßige Genuss von Branntwein sei der Abhärtung zuträglich: »Durch die imponierende Uniform, durch seine Haltung, seinen Gang, seinen freien und durchdringenden Blick sowie durch sein determiniertes Auftreten kann der Zöllner den Leuten Furcht vor ungesetzlichen Handlungen einflößen und in entscheidenden Augenblicken einem Widerstand vorbeugen«, empfahlen die Dienstvorschriften. Dieses Respekt gebietende Gehabe musste auch außerhalb der Dienstzeit zur Schau gestellt werden.64

      Die »Schwärzer«, so benannt nach der schwarzen Farbe, die sie sich ins Gesicht schmierten, um sich unkenntlich zu machen, suchten die Dunkelheit der Wälder und fanden in abgelegenen Häusern und Almhütten Unterschlupf. Solch verwegene Burschen trafen auf ebenso raue Grenzwächter. Man brauchte Männer, die Strapazen gewohnt waren. Denn Verfolgungsjagden zwischen den organisierten Schmugglerbanden und den kontrollierenden Grenzorganen konnten zu regelrechten Feuergefechten ausarten. Immer wieder gab es Tote. Schmuggler und Zöllner, Wildschützen und Jäger, Räuber und Gendarmen waren die Helden der ländlichen Widerstands- und Rebellengeschichten. Manche Schmuggler hatten es zu regionaler Berühmtheit gebracht. Aber auch die Zöllner hatten ihre Helden und Erfolge. Alois zeigte noch viel später voll Stolz manche Trophäen, die er erjagt hatte. Die Moritaten der Bänkelsänger erzählen von wilden Verfolgungsjagden, hochnotpeinlichen Razzien, tödlichen Schüssen und hinterhältigen Messerstichen:

       Doch plötzlich kracht Musketen Knall Dem Schmugglervolk entgegen. »Ergebet Euch!« so ruft es her – doch nein – man greift zur Gegenwehr …« 65

      Die romantische Rede von den Sozialrebellen ist aber nur die eine Seite der Medaille. Denn das Alltagsgeschäft an der Grenze bestand in penibler und bürokratischer Kontrolle. Kontrolliert wurden nicht nur die Kaufleute, die wenigen Touristen und der tägliche kleine Grenzverkehr, sondern vor allem viel fahrendes Volk: »Zigeuner«, Wanderhändler und Hausierer, unter denen sich auch Juden befanden oder zumindest vermutet wurden. Man fahndete nach Kriminellen und Revolutionären, nach Betrügern und Staatsfeinden und nach aufrührerischen, kirchenkritischen Büchern und Pornografie. Das erklärt auch, warum sich im Zoll eine spezifische Subkultur herausbildete, in der die Abneigung gegen Randgruppen, Minderheiten und Juden besonders groß wurde. Antisemitismus hatte im Zoll eine besondere Tradition. Das war auf der Führungsebene beim Leiter der Wiener Zollbehörde Franz Holzer, der sich von ganz unten hinaufgedient hatte, nicht anders als bei den untergeordneten Chargen. Man muss daher auch bei Alois Hitler, obwohl das nie ausgesprochen wurde, mit einer entsprechenden antisemitischen und minderheitenfeindlichen Grundhaltung rechnen.

      Alois kam von ganz unten, wie seine Gegner, die Schmuggler. Wohin sollte er seine Sympathien wenden? Im Staatsdienst fragte man nicht viel. Er hatte Disziplin gelernt, ohne viel zu hinterfragen: Alois selbst umschrieb die Diensterfordernisse in einem Brief als unbedingten Gehorsam, als Willen, viel zu lernen, und schließlich als Bereitschaft, bei jedem Wetter Dienst zu tun, bei Tag und bei Nacht. Trinker, Spieler, Schuldner und andere Nichtstuer hätten hier nichts verloren. An eine Verwandte schrieb er 1876 bei einer Erbschaftsangelegenheit: Onkel Franz habe zu viel getrunken und viel zu viel Zeit in den Gasthäusern verbracht. »Wie ein Mann lebt, so stirbt er.« Er habe daher auch nichts hinterlassen, war Alois Resümee.66

      Alois stieg rasch auf und machte viele Erfahrungen, immer an der bewegten Grenze zwischen Österreich und Bayern, im Salzburger Pinzgau und im oberösterreichischen Innviertel. Die fünfziger und sechziger Jahre waren politisch umstrittene Zeiten: Neoabsolutismus, Krimkrieg, Kämpfe in Italien, Konflikte um die deutsche Einigung und um die Vorherrschaft im Deutschen Bund, Krieg Preußens und Österreichs gegen Dänemark, Krieg Österreichs gegen Preußen und Italien, zuletzt Krieg Preußens gegen Frankreich. Das militarisierte die Gesellschaft. Auch die Bedeutung der Zollwache hatte zugenommen, weil die Überwachung immer mehr an die Außengrenzen verlegt und die Schutzzollbewegung immer stärker wurde.

      Für Alois Hitler war 1864 ein wichtiges Jahr. Obwohl nur mit Volksschulabschluss und ohne höhere Bildung, hatte er im Zolldienst rasch Karriere gemacht: Nach dem Eintritt in die k.k. Finanzwache im Jahr 1855 war er 1860 bereits Finanzwache-Oberaufseher in Wels.67 In einem Brief aus 1862 nennt er als seine Adresse den Salzburger Zollgrenzbezirk Saalfelden. 1864 hatte er mit der Ernennung zum »provisorischen Amtsassistenen« der 11. Dienstklasse und mit der Übernahme in den Beamtenstatus sein wichtigstes Ziel erreicht: eine pragmatisierte Position als Staatsbeamter im Zolldienst, den er im Nebenzollamt Mariahilf in der Gemeinde Schardenberg im »Finanz-Inspektoratsbezirk Wels« antrat.68 Elf Tage nach dieser Beförderung heiratete er zum ersten Mal, und zwar ein Mädchen aus seinem Vorgesetzten- oder Kollegenkreis: Anna Glassl-Hörer, angeblich

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