Hitlers Vater. Roman Sandgruber
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Ein gehöriges Stück Unmoralität schwingt da schon mit: »Die Moralität im Innviertel ist äußerst schlecht«, hatte schon 1819 der Linzer Bischof Sigismund Ernst von Hohenwart an Kaiser Franz I. berichtet: »Fast in allen Taufbüchern der visitierten Pfarren fand ich eine Menge der unehelichen Kinder.« Er führte dafür auch eine Reihe von Gründen an: die Kriege, die Tanzunterhaltungen und »leider, das muss ich mit traurigem Herzen sagen, die nicht gar erbaulichen Beispiele mancher Seelsorger«.89 Als besondere Untreue ist daher auch Hitlers Ménage-à-trois – oder gar à-quatre mit Anna, Franziska und Klara – im Innviertel offenbar nie wahrgenommen und gewertet worden. Als Alois noch mit Anna verheiratet war, soll die aus dem Waldviertel geholte Klara schon Anlass zu Ehezwist geliefert haben, musste aber dann doch gegenüber Franziska zurückstehen. Und auch als Franziska krank wurde und die Beziehungen mit Klara wieder auflebten oder weitergingen, scheint das niemanden gestört zu haben, weil Klara regelmäßig von Braunau nach Ranshofen hinauskam, um Franziska abwechselnd mit deren Mutter zu pflegen. Ziemlich zeitgleich mit dem Tod Franziskas war Klara schon schwanger geworden. Doch für eine Heirat gab es ein nicht vorhergesehenes Hindernis, nämlich die im Jahr 1876 erfolgte Legitimierung und Namensänderung des Alois Schicklgruber auf Alois Hitler. Denn damit war Klara Pölzl als Enkelin des Johann Nepomuk Hüttler juridisch zu einer nahen Verwandten des nunmehrigen Bräutigams Alois Hitler geworden.
Es liegt ein erotisch aufgeladener Schleier über Alois Hitlers Ehestrategien und Sexualleben. Erstens die sehr ungleichen Körper, die aufeinander trafen: junger Mann und alte Frau und hernach alter Mann und junge Frauen. Zweitens die vorehelichen und außerehelichen Beziehungen, die eine merkwürdig große Rolle spielen. Und drittens die Inzestsituation, die bei seiner dritten Frau Klara gegeben war, und das nicht nur bei ihrer eigenen Heirat, sondern auch schon bei der Eheschließung ihrer Eltern.
Die Heiratsstrategien des Alois Hitler waren durchaus ungewöhnlich. Während dort, wo es Gewerbeberechtigungen oder Bauernhäuser zu vererben gab, die Heirat junger Handwerksgesellen oder ausgesteuerter Bauernsöhne mit älteren Witwen, die ein solches Haus oder Gewerbe besaßen, als Aufstiegsstrategie häufig war, ebenso wie die Heirat verwitweter Bauern oder Gewerbetreibender mit sehr viel jüngeren Frauen, war dies bei Lohnabhängigen – sowohl bei Industriearbeitern als auch bei Beamten – eher ungewöhnlich. Voreheliche Beziehungen und eheliche Seitensprünge waren zwar häufig, obwohl sie als sündhaft gebrandmarkt wurden. Aber es gab sie vornehmlich als eine Art Probeehe, die mehr oder weniger rasch in eine Ehe mündete, oder als das Resultat fehlender Heiratschancen im Falle hausrechtlicher Abhängigkeit oder ungenügender Einkommen. Beides traf bei Beamten nicht zu. Uneheliche Kinder waren daher im Beamtenmilieu eher auffällig und stießen dort auch viel häufiger auf Kritik. Inzestsituationen hingegen waren dort am häufigsten, wo die Vermögen in der Familie gehalten werden sollten oder die Heiratskreise sehr eng waren: im hohen Adel, aber auch im vermögenden Judentum oder in abgeschiedenen dörflich-bäuerlichen Situationen, wie es in Spital bei Weitra der Fall war. Auch diesbezüglich gab Hitler Anlass für Tratsch, weil seine Stellung eine ganz andere war und es für inzestuöse Heiratsstrategien keinerlei logische Gründe gab.
Dass Alois Hitler neben seinen drei Ehen auch mehrere uneheliche Kinder zugeschrieben wurden, im Waldviertel, in Wien oder auch in Schwarzenberg im obersten Mühlviertel, wo er sicher nie war, gehört zur Mythenbildung, die sich in den 1930er Jahren entfaltete, als sein Sohn Adolf berühmt geworden war. Im Jahr 1867/68 soll es eine Affäre mit einer gewissen Thekla Penz, geboren am 24. September 1844 in Arbesbach, Bezirk Zwettl, gegeben haben, aus der eine Tochter namens Theresia hervorgegangen sei.90 Diese habe später in Schwertberg einen Johann Ramer geheiratet und mindestens sechs Kinder zur Welt gebracht, also Cousins und Cousinen Adolf Hitlers aus einem Seitensprung des Vaters.91 Eines dieser Kinder namens Fritz hätte mit Adolf Hitler eine derartige Ähnlichkeit gehabt, dass Jetzinger zu ihm in den 1950er Jahren gesagt haben will: »Wenn Sie sich weiter diese Hitler-Frisur machen, nehmen Sie die Amerikaner noch als vermeintlichen Adolf hopp!« und man diesem laut Jetzinger schon sieben Jahre früher im Sippenamt bedeutet haben soll: »Sie braucht man bloß anzusehen, dann weiß man, dass Sie vom alten Hitler stammen.«92 Ähnlich verhält es sich mit einem Cousin in Schwarzenberg, der noch mehr ein Phantom ist als Theresia Penz.93 Auch in Wien munkelte man über uneheliche bzw. außereheliche Kinder. Da könnte man aber auch an eine Verwechslung mit der Patenschaft denken. Und alle diese Geschichten tauchten erst in den 1930er Jahren auf.
Die dritte Heirat
Als Alois Hitler 1885 zum dritten Mal heiraten wollte, diesmal Klara Pölzl, ein Enkelkind von Johann Nepomuk Hüttler, ergaben sich aus seiner vorausgegangenen Legitimierung ernste Schwierigkeiten: Denn die auserwählte Braut Klara Pölzl war damit zu einer Großcousine und die formelle Verwandtschaft zu einem Ehehindernis geworden, für das eine päpstliche Inzestdispens erforderlich war. Und hätte sich Johann Nepomuk, der Großvater der Braut, 1876 als Vater von Alois deklariert, wäre eine Dispensierung gesetzlich überhaupt nicht möglich gewesen.
Was Alois zu der Heirat bewog, ob er sich einer inzestuösen Schuld bewusst war, wen er selbst für seinen Vater hielt und ob die Entscheidung aus Liebe, finanziellen Gründen oder schlicht aus dem Zwang erfolgte, rasch wieder eine Hausfrau und Mutter für die Kinder zu finden, muss offen bleiben. Nach Franziskas Krankheit und ihrem frühen Tod brauchte er jedenfalls möglichst sofort eine Hausfrau und Betreuerin für die Kinder. Wenn 1876 bei der Legitimierung die Aussicht auf einen Anteil an Johann Nepomuks zu erwartendem Erbe tatsächlich eine Rolle gespielt haben sollte, so war dies erst durch die Heirat mit dessen Enkelin wirklich in greifbare Nähe gerückt. Und erst als 1888 dessen Tod tatsächlich eintrat, konnte Alois an dem Erbteil, der Klara vielleicht zustand, als ihr Gatte partizipieren.
Vorerst war ein Ansuchen an den Bischof zu stellen, das dieser gar nicht selbst entscheiden durfte, sondern in lateinischer Übersetzung an den Papst nach Rom weiterleiten musste: »Die in tiefster Ehrfurcht Gefertigten sind entschlossen, sich zu ehelichen. Es steht aber denselben laut beiliegendem Stammbuch das kanonische Hindernis der Seitenverwandtschaft im dritten Grad berührend den zweiten entgegen. Deshalb stellen dieselben die demütige Bitte, das Hochwürdige Ordinariat wolle ihnen gnädigst die Dispens erwirken.« 94 Als Gründe wurden angeführt, dass Alois seit 10. August verwitwet sei und für zwei unmündige Kinder zu sorgen habe, für welche er notwendig einer Pflegerin bedürfe, da er als Zollbeamter den ganzen Tag, oft auch nachts, vom Hause abwesend sei und daher die Erziehung der Kinder nur wenig überwachen könne. Dass die Braut die Pflege der Kinder bereits nach dem Tod der Mutter übernommen habe und diese ihr sehr zugetan seien, erlaube ferner den Schluss, dass die Erziehung derselben gedeihen und die Ehe eine glückliche werden würde. Überdies habe die Braut kein Vermögen und es dürfte ihr daher nicht so leicht eine andere Gelegenheit zu einer anständigen Verehelichung geboten werden, wurde noch recht materialistisch hinzugefügt.
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