Aleister Crowley & die westliche Esoterik. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Aleister Crowley & die westliche Esoterik - Группа авторов страница 21

Aleister Crowley & die westliche Esoterik - Группа авторов

Скачать книгу

materieller Natur: Magie kann ebenso eingesetzt werden, um mit geistigen Wesenheiten zu kommunizieren oder um mittels Astralreisen die „astrale Ebene“ zu erkunden, wie es Crowley beim Golden Dawn gelernt hatte. Die Botschaften, die er durch diese magischen Praktiken empfing, waren oft von besonderer Bedeutung für seine eigene spirituelle Entwicklung (doch konnten sie oft auch die Entwicklung der gesamten Menschheit betreffen, wie im Fall von The Book of the Law). Andererseits dachte Crowley daran, durch diese Praktiken seine Kenntnisse des Netzwerks der symbolischen Korrespondenzen zu verbessern, mit welchen sich eine vereinigende Verbindung zwischen allen Teilen des Universums herstellen lässt. Es ist erwähnenswert, dass Crowley, insbesondere im Zusammenhang mit dieser ersten, pragmatischen Vorstellung von Magie, für sich eine wissenschaftliche, rationale Annäherungsweise reklamierte – wiederum etwas, das in der Okkultliteratur nichts Außergewöhnliches ist.

      Die andere Weise, in der Crowley Magie verstand, wurde von ihm selbst sicherlich als die wichtigste angesehen, wobei sie auch als eine Ergänzung zur ersten betrachtet werden kann. Nach dieser zweiten Auffassung ist die Magie nicht so sehr an direkten Ergebnissen orientiert, sondern eher an der Erlangung dessen, was für Crowley das übergeordnete Lebensziel war: der spirituellen Verwirklichung. Die Magie verliert dabei ihren instrumentellen Charakter und wird stattdessen zu einer weltanschaulichen Praxis, die alle Lebensbereiche einer Person umfasst. Alles in allem liegt der Unterschied weniger in der Art der angewandten Techniken als in deren Interpretation. Traditionelle Zeremonialmagie und Sexualmagie können aus Crowleys Sicht beide sowohl für unmittelbare Zwecke als auch als Mittel zur Erreichung ultimativer spiritueller Verwirklichung eingesetzt werden. Im letztgenannten Fall sollte sich das Individuum, wie oben angesprochen, vollkommen diesem Ziel hingeben und bereit sein, dafür alle irdischen Besitztümer und Neigungen zu opfern. Crowley verwendet verschiedene Formulierungen, um das Ziel der Magie in diesem spirituellen Sinne zu definieren. In manchen Passagen vergleicht er es mit der mystischen „Vereinigung mit Gott.“ In Magick in Theory and Practice beschreibt er, was er für das ultimative Ziel magischer Praxis hält:

      Es gibt eine einzige Hauptdefinition für das Ziel aller magischen Rituale. Es ist die Vereinigung des Mikrokosmos mit dem Makrokosmos. Deshalb ist das höchste aller Rituale die Anrufung des Heiligen Schutzengels, oder – in der Sprache der Mystiker – die Vereinigung mit Gott.63

      Wir haben gesehen, dass Crowley diese Auffassung auch mit Samâdhi gleichsetzt. Im Zusammenhang mit dem Golden Dawn wurde dieselbe Vorstellung als „Vereinigung mit dem Höheren Selbst“ bezeichnet.64 Doch in seiner wahrscheinlich bekanntesten Definition spricht er vom „Wissen um und der Konversation mit dem Heiligen Schutzengel“, einem Begriff aus dem berühmten Book of the Sacred Magic of Abra-Melin, einem magischen Text, den S. L. MacGregor Mathers in der Bibliothèque de l’Arsenal in Paris entdeckt und 1898 editiert hatte, im selben Jahr, als Crowley dem Golden Dawn beitrat.65 In diesem Buch, dessen Ursprünge bis in das sechzehnte oder siebzehnte Jahrhundert zurückreichen, wird ein System ritueller Praktiken beschrieben, die darauf abzielen, den Kontakt zum individuellen Schutzengel herzustellen – damit ist das Engelwesen gemeint, das sich bei einer Person aufhält, um diese zu beraten und zu beschützen, wenn sie in Schwierigkeiten steckt. Daher ist das Ziel dieses magischen Systems das „Wissen um und die Konversation mit dem Heiligen Schutzengel.“66 Unter den Mitgliedern des ursprünglichen Golden Dawn (vor 1900) war Crowley sicherlich derjenige, der von diesem Buch (welches, wie wir uns erinnern, nie zu den offiziellen Lehrbüchern des Ordens gehört hatte) am stärksten beeinflusst wurde. Vermutlich ist er auch der Einzige unter den Mitgliedern des ursprünglichen Ordens, der wirklich versucht hatte, die Instruktionen darin in die Praxis umzusetzen.67 1906 behauptete Crowley, das in dem Buch beschriebene Ziel erreicht zu haben – was bestimmt ein sehr wichtiger Schritt in seiner spirituellen Laufbahn war.

      Doch wer war dieser Schutzengel? Die Bedeutung, die dieser Wesenheit im Zusammenhang mit magischen Praktiken zugemessen wird, dürfte nicht überraschen. Am Ende insistiert die traditionelle Zeremonialmagie, wie sie in einer Vielzahl von Grimoires gelehrt wird, ausnahmslos darauf, dass es für den praktizierenden Magier notwendig sei, mit nichtmenschlichen oder übermenschlichen Wesen zu kommunizieren, deren Aufgabe es ist, dem Magier zu helfen oder ihm zu Diensten zu sein. Damit sind natürlich hauptsächlich Engel oder Dämonen gemeint, doch manchmal auch andere Wesenheiten, wie (zum Beispiel in der Nekromantie) die Geister der Toten oder der Elemente. Dem Schutzengel scheint jedoch in diesem Heer unsichtbarer Geschöpfe eine besondere Rolle zuzukommen, da er eine ganz spezielle, einzigartige Beziehung zum Magier hat.68

      Diese Beziehung war für Crowley mit der mystischen Erfahrung verwandt, die für ihn eines der essentiellen – wenn nicht gar das essentielle – Ziel der Magie war. Doch bevor wir uns Crowleys diesbezügliche Vorstellungen näher ansehen, ist es vielleicht noch interessant, einen Blick auf seine grundsätzliche Einstellung gegenüber den Wesenheiten zu werfen, mit denen der Magier während seiner magischen Handlungen in Kontakt treten soll. Dies ist vor allem in Bezug auf Crowleys rationalisierende Annäherung an spirituelle Angelegenheiten relevant, die ich bereits angesprochen hatte.

      1904 veröffentlichte Crowley eine Version der Goetia, eines Teils aus einem berühmten Grimoire, The Lesser Key of King Solomon [Der kleinere Schlüssel König Salomons] (oder Lemegeton).69 Mathers, mit dem Crowley inzwischen zerstritten war, hatte eine Überarbeitung (die nicht wirklich als Übersetzung bezeichnet werden kann) in modernem Englisch vorgelegt. Mathers’ Bearbeitung und Veröffentlichung dieser alten magischen Texte kann als Teil jener magischen Synthese verstanden werden, die seit der Gründung des Golden Dawn zu dessen Hauptanliegen gehörte.70 Das zuvor bereits erwähnte Buch Abramelin war ebenfalls ein Ausdruck dieses Versuchs einer Synthese. Das erklärt, warum verschiedene Ideen, die aus diesen Texten abgeleitet sind, zu einem schlüssigen theoretischen Rahmenkonzept für die magischen Aktivitäten der Mitglieder des Golden Dawn zusammengefügt werden konnten. Als ein Beispiel dieses magischen Synkretismus kann man die Anwendung eines Rituals anführen, das aus einem griechisch-ägyptischen Papyrus aus der hellenistischen Epoche stammt und üblicherweise als das „Bornless Ritual“ bezeichnet wird.71 Nach Crowleys Interpretation sollte das in diesem Text enthaltene Ritual Zugang zum „Höheren Genius“ oder „Höheren Selbst“ gewähren – ein Begriff, der in den Lehren des Golden Dawn von großer Bedeutung ist und auf den ich noch zurückkommen werde.

      Als Crowley Mathers’ Bearbeitung der Goetia veröffentlichte, fügte er einen kurzen einführenden Aufsatz mit dem Titel „The Initiated Interpretation of Ceremonial Magic“ hinzu, in welchem er die Beschaffenheit der Wesenheiten, die in dem Grimoire beschrieben werden, und die Wirkmacht der Magie ansprach.72 Er brachte in diesem Text die Ansicht zum Ausdruck, dass es nicht nötig sei, diese Geister und Dämonen als „real existent“ – damit ist gemeint, vom Selbst des Magiers unabhängig existierend – anzunehmen. Im Gegenteil, sie können auch als „Teile des menschlichen Gehirns“ angesehen werden.73 Durch die Anrufung eines dieser Geister werde ein bestimmter Teil des Gehirns des Magiers stimuliert, der mit diesem besonderen Geist korrespondiert. Bei Crowley wird diese Vorstellung so beschrieben:

      Wenn ich mit Salomon sage: „Der Geist Cimeries lehrt Logik“, meine ich damit: „Diese Teile meines Gehirns, die den logischen Fähigkeiten dienen, werden angeregt und entfalten sich durch den Prozess, der als ‚Anrufung von Cimeries’ bezeichnet wird.“ Und dieses ist eine rein materialistische, rationale Aussage.74

      Aus diesem Zitat scheint deutlich zu werden, dass Crowley, zumindest in bestimmten Zusammenhängen, beabsichtigte, die Wirkungen der Zeremonialmagie und die Wesenheiten, die traditionell damit verbunden sind, in rein physiologischen (nicht einmal psychologischen) Begriffen zu interpretieren. Magische Phänomene werden aus einer streng materialistischen Perspektive heraus erklärt: sie finden einfach im Gehirn statt, und dadurch entsteht als Nebeneffekt die illusionäre Wahrnehmung geistiger Wesenheiten. Natürlich ist dies eine Art reduktionistische Erklärung für die Magie, die sicherlich selbst jemand wie Maudsley im Zusammenhang mit Crowleys Ausführungen über Yoga bemerkenswert gefunden hätte. Und wieder scheint es – wie auch bezüglich Yoga – offensichtlich, dass diese Annäherung von dem Wunsch genährt

Скачать книгу