Aleister Crowley & die westliche Esoterik. Группа авторов

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Verbreitung der neuen Glaubenswahrheit war, die er gefunden hatte, war es nur eine Frage der Zeit, bis der Widerspruch zu seinen früheren, naturalisierenden Interpretationen zum Vorschein kam. Genau diese Spannung war es, die Crowley zunehmend dazu brachte, seinen eigenen Schutzengel mit Aiwass zu identifizieren, und damit implizit den rein mystischen Wert des Erlebnisses von sich zu weisen, das im Buch Abramelin beschrieben wird. Aiwass hatte nicht in seinem Geiste zu existieren, sondern in den Reichen einer spirituellen Realität, die mindestens ebenso objektiv war wie die materielle. Darum war die Psychologisierung der Magie und verwandter spiritueller Praktiken, obwohl sie eine in der Esoterik noch nie dagewesene Kühnheit erreichte, nicht vollkommen – und konnte es gar nicht sein.

      Ein Vergleich von Crowleys Ideen mit denen eines seiner interessantesten Schüler, Israel Regardie, ist hier sinnvoll.99 Es ist unmöglich, hier ins Detail zu gehen, doch ein Zitat von Regardie kann uns eine Vorstellung davon geben, wie er die Magie – besonders in Verbindung mit der (analytischen) Psychologie – verstand:

      Analytische Psychologie und Magie umfassen meiner Einschätzung nach zwei Hälften oder Aspekte eines einzigen technischen Systems. Wie auch Körper und Geist keine voneinander getrennten Einheiten sind, sondern einfach die duale Manifestation eines dynamischen inneren „Etwas“, so umfassen Psychologie und Magie gleichermaßen ein einziges System, dessen Ziel die Integration der menschlichen Persönlichkeit ist.100

      Für Regardie scheinen Psychologie und Magie nahezu vollends gleichgestellt zu sein, soweit, dass sie sogar dasselbe Ziel verfolgen („die Integration der menschlichen Persönlichkeit“). Metaphysische Aspekte bezüglich der magischen Praxis scheinen noch weiter aus seinem Blickfeld zu verschwinden als bei Crowley. Während Crowley den Weg der Naturalisierung und Psychologisierung nicht bis zum Ende gehen konnte, weil er den Universalanspruch seiner Religion bewahren musste, gab es diese Begrenzung für Regardie nicht. Weil er kein Interesse daran hatte, eine neue Religion zu erschaffen oder die Crowleys anzunehmen, war er imstande, den Prozess der Psychologisierung der Magie bis zur letzten Konsequenz fortzuführen, indem er insbesondere psychoanalytische Theorien anwandte. Für Regardie nutzten Magie und Psychoanalyse ähnliche Mittel, um gleiche Ziele zu erreichen, und es bestand für ihn keine Notwendigkeit, einen Glauben an übernatürliche Wesenheiten aufrechtzuerhalten, wie Crowley es tat.

       Die Geburt eines neuen Äons

      DISPENSATIONALISMUS UND MILLENARISMUS IN DER THELEMISCHEN TRADITION1

       Henrik Bogdan

      Nach dem britischen Okkultisten Aleister Crowley markierten die Frühlingstagundnachtgleiche von 1904 und der „Empfang“ des Liber AL vel Legis (The Book of the Law [dt.: Das Buch des Gesetzes]) zwei Wochen später eine fundamentale Wende in der Menschheitsgeschichte.2 The Book of the Law, ein gechannelter Text, der aus 220 Versen besteht, die in drei Kapitel unterteilt sind, identifiziert Crowley als „das Tier 666“, den Propheten einer neuen Religion „Thelema“. Das damals gegenwärtige Zeitalter bzw. der Äon des Osiris war gekennzeichnet von der Gestalt eines leidenden und sterbenden Gottes, der, wie das Buch verkündete, von einem kraftvollen neuen Zeitalter, dem Äon des Horus, abgelöst würde, „des gekrönten und erobernden Kindes“.3

      Die Kernlehre dieses neuen Bekenntnisses von Thelema wurde in drei kurzen Sätzen ausgedrückt: „Tu was du willst, sei das ganze Gesetz“,4 „Liebe ist das Gesetz, Liebe aus eigenem Willen“,5 und „jeder Mann und jede Frau ist ein Stern“.6 Ferner warnte The Book of the Law, dass der Wechsel vom Äon des Osiris zum Äon des Horus kein friedlicher sein werde; vielmehr wurde er nahezu biblisch als eine Zeit der Katastrophen und des Zusammenbruchs vergegenwärtigt, begleitet von Krieg, Zerstörung und Chaos.

      In diesem Kapitel geht es um das apokalyptische und millenaristische Geschichtsverständnis in der thelemischen Tradition, wie es Aleister Crowley in seinen Schriften, vornehmlich in seinen eigenen Kommentaren zu The Book of the Law, beschreibt. Ich werde ausführen, dass die millenaristische Geschichtsbetrachtung der Thelemiten, trotz der erbitterten antichristlichen Beschaffenheit Thelemas, eigentlich tief in einem westlich-esoterischen Verständnis von der biblischen Apokalypse, sowie auch im Dispensationalismus John Nelson Darbys, verwurzelt ist. Auch werde ich kurz einige nach Crowley entstandene Neuinterpretationen des thelemischen Dispensationalismus ansprechen.

       Die Geburt eines neuen Äons

      Auf der Grundlage der Offenbarungen von The Book of the Law sah Crowley die Geschichte der Menschheit in drei Zeitalter oder Äonen unterteilt, von welchen jedes einzelne etwa zweitausend Jahre dauert. Diese Zeitalter markieren evolutionäre Sprünge in der Entwicklung der Menschheit, und in jedem herrschen bestimmte magische Formeln vor.7 Dem neuen Äon des Horus gingen die Äonen von Isis und Osiris voraus, und in der Zukunft wird er vom vierten Äon, dem der Maat (Ma/​Hrumachis) abgelöst werden, der auch der „Äon der Gerechtigkeit“ genannt wird. In dem als „alter Kommentar“ bekannten Text (zu The Book of the Law) erklärt Crowley die vier Äonen so:

      Die Hierarchie der Ägypter gibt uns diese Ahnenreihe: Isis, Osiris, Horus. Die „heidnische“ Periode ist die der Isis: ein ländlicher, natürlicher Zeitabschnitt der einfachen Magie. Als nächste kamen Buddha, Christus und andere im Äquinoktium des Osiris; als Kummer und Tod die wesentlichen Dinge in den Gedanken des Menschen waren, und seine magische Formel ist die des Opfers.

      Nun kommt, vielleicht mit Mohammed als Wegbereiter, im Äquinoktium des Horus das junge Kind, das (mit seinem Zwilling Harpokrates) stark und alles erobernd aufsteigt, Osiris zu rächen und das Zeitalter der Pracht und Stärke hervorzubringen.

      Seine Formel wird noch nicht ganz verstanden.

      Nach ihm wird das Äquinoktium der Ma, der Göttin der Gerechtigkeit aufsteigen, vielleicht in hundert oder tausend Jahren ab jetzt; denn die Berechnung der Zeit ist hier nicht wie dort.8

      Die Vorstellung, dass Religion sich durch eine Reihe von Stufen oder Evolutionssprünge entwickelt, stimmte mit der wissenschaftlichen Literatur zur Religionsgeschichte überein. Darwins Evolutionstheorie wurde von führenden Gelehrten der aufkommenden Disziplinen der Religionsgeschichte (oder vergleichenden Religion) und der Anthropologie übernommen, und von religiösen Gedanken wurde oft angenommen, dass diese sich vom Matriarchat zum Patriarchat entwickelt haben – was in der Begriffssprache von The Book of the Law den Äonen der Isis und des Osiris entspricht.

      Der Schweizer Anthropologe und Antiquar Johann J. Bachofen (1815 - 1887) erörterte darüber hinaus die Theorie von der Ersetzung der „primitiven“ Verehrung weiblicher Fortpflanzungskraft durch ein „rationales“ Wissen um männliche Vaterschaft und die anschließende Verschiebung von der Anbetung von Fruchtbarkeitsgöttinnen (wie sie oft als die Große Göttin vergegenwärtigt werden) hin zur Verehrung männlicher Götter in seinem 1861 erschienenen bedeutenden Werk Das Mutterrecht. Nach Bachofen hat sich die menschliche Kultur in vier Stufen entwickelt. Die erste davon war eine primitive, nomadische, polyamore „tellurische“ Stufe, in welcher eine frühe Ausprägung der Fruchtbarkeitsgöttin Aphrodite die vorherrschende Gottheit ist. Die zweite Stufe war die „mutterrechtliche“, die Bachofen als eine Epoche des Mondes beschreibt, in deren Mittelpunkt Landwirtschaft, Gesetzeswesen und Mysterienkulte standen. Die vorherrschende Gottheit dieser Stufe war die Göttin Demeter, die als Verkörperung von Fruchtbarkeit und Weiblichkeit verehrt wurde. Bachofens Beschreibung der „mutterrechtlichen“ Periode war von prägendem Einfluss auf spätere Konzepte eines mutmaßlichen Matriarchates, von dem angenommen wurde, dass es vor dem Aufkommen patriarchaler Kultur-

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