Aleister Crowley & die westliche Esoterik. Группа авторов

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Amalantrah und wie die Mahatmas der Theosophischen Gesellschaft.89 Wenn Crowley andererseits aber Aiwass als seinen Schutzengel wahrgenommen hätte, dann hätte er den Empfang von The Book of the Law als das „Wissen um den Heiligen Schutzengel und das Gespräch mit ihm“ interpretiert, wie im Buch Abramelin beschrieben steht. Doch dergleichen hat Crowley nie behauptet. Er interpretierte das Wissen und das Gespräch stets als eine mystische Erfahrung, die ihren Bezugsrahmen in den Lehren des Golden Dawn und in William James’ psychologischen Theorien hatte. Dieses wird verdeutlicht durch die Tatsache, dass Crowley erst im Jahre 1906 angab, des Wissens und des Gesprächs teihaftig geworden zu sein (und den mit dieser Erfahrung einhergehenden Einweihungsgrad erlangt zu haben) – also zwei Jahre nach der Offenbarung des Book of the Law. Das bedeutet, dass er, in seiner eigenen Wahrnehmung, dieses Ziel noch nicht erreicht hatte, da er den Kontakt zu Aiwass nicht als das Wissen um und den Austausch mit seinem Schutzengel deutete. Interessant ist, dass er das Ritual, mit dem er 1906 das letzte Ziel der Magie von Abramelin erreichte, „Augoeides“ nannte – dies ist eine ausdrückliche Bezugnahme auf die Konstellation von Prinzipien (Heiliger Schutzengel, Höheres Selbst/​Genius, Augoeides, Adonai), die er seit seiner Zeit im Golden Dawn aus unterschiedlichen Quellen zu vereinheitlichen bestrebt gewesen ist.90

      Das Ritual des Augoeides ist deshalb interessant, weil es fast ausschließlich in einem gedachten rituellen Raum durchgeführt wurde.91 Als es während einer langen Chinareise nicht möglich war, einen physischen Ritualraum zu schaffen und die Vorkehrungen zu treffen, die im Buch Abramelin beschrieben sind, beschloss Crowley, nur seine Vorstellungskraft zu gebrauchen. Dazu hielt er sich sorgfältig an die Anweisungen des Buches, nur dass er dabei die Handlungen, die zur Durchführung des Rituals erforderlich waren, wie auch den besonderen Ritualraum, in dem es stattfinden sollte, lediglich visualisierte. In seiner Autobiographie behauptet er, am Ende dasselbe Ergebnis – das Wissen und das Gespräch – erzielt zu haben, als hätte er das Ritual physisch durchgeführt. Es war eine mystische Erfahrung, die von ihm als eine der wichtigsten in seinem ganzen Leben wahrgenommen wurde.

      1929 veröffentlichte Crowley Magick in Theory and Practice, in dem seine Sicht der Magie auf systematische Weise dargestellt wird. Für unser Thema ist interessant, dass wir in diesem Buch eine radikale Neuerung beobachten können, was Crowleys Auffassung vom Heiligen Schutzengel betrifft: er identifiziert diesen plötzlich mit Aiwass. Im Rahmen einer Diskussion über schwarze Magie und die Existenz des christlichen „Teufels“ fügt er in einer Fußnote an:

      „Der Teufel“ ist, historisch betrachtet, derjenige Gott eines jeden Volkes, gegen den eine persönliche Abneigung besteht. Dieses hat zu so viel Gedankenverwirrung geführt, dass DAS TIER 666 es vorgezogen hat, Namen stehen zu lassen, wie sie sind, und lediglich zu verkünden, dass AIWAZ – der solar-phallisch-hermetische „Lucifer“ – Sein eigener Heiliger Schutzengel ist und „Der Teufel“ SATAN oder HADIT in unserem besonderen Stück des Sternenuniversums.92

      Die Gleichsetzung von Aiwass mit Satan ist an sich interessant genug und hat natürlich denjenigen, die Crowley als einen Satanisten betrachten, einige Argumente geliefert.93 Besonders wichtig für uns hier ist jedoch die Änderung der Sichtweise, was den Heiligen Schutzengel betrifft. Wenn Crowleys Schutzengel Aiwass ist und wenn er Aiwass als eine eigenständige Entität annimmt, dann ist der Schutzengel kein höherer Aspekt des „Selbst“, der durch bestimmte magische Techniken oder durch Yoga erweckt werden und zu dem man Zugang erlangen muss. Er ist nicht mehr der „Höhere Genius“ des Golden Dawn. Auf den ersten Blick wird der Grund für diesen Perspektivenwandel nicht klar ersichtlich. Meine Annahme, warum Crowley so tief davon überzeugt war, besteht darin, dass Aiwass nicht auf die gleiche Weise erklärt werden kann, wie die Geister aus dem Lemegeton oder das Höhere Selbst. Crowley fand, dass die völlige Autonomie von Aiwass mit den religiösen Universalitätsansprüchen von Thelema besser vereinbar war. Andererseits blieb das Wissen von und das Gespräch mit dem Heiligen Schutzengel ein individuelles Erlebnis, das hauptsächlich den spirituellen Fortschritt einer einzelnen Person betraf. Aber warum setzte Crowley an einer Stelle dann Aiwass mit dem Schutzengel gleich? Eine mögliche Erklärung liegt in Crowleys persönlicher Entwicklung und in seiner seit den 1910er Jahren wachsenden Überzeugung, dass er der Verkünder einer universellen religiösen Botschaft sei.94 Magick in Theory and Practice ist voll von Bezugnahmen auf The Book of the Law und von Erörterungen thelemischer Prinzipien. Darum ist die Annahme plausibel, dass Crowley es an einem Punkt für nötig befand, Aiwass mit seinem Schutzengel zu identifizieren, weil er sich nun selbst voll in seine Rolle als Prophet und Messias eingesetzt fühlte. Der Mensch Crowley wurde zunehmend durch das Tier 666, den Logos des Äons ersetzt. Alles wurde von da an neu interpretiert und im Rahmenwerk der neuen Religion zusammengefasst.

      Diese neue Ausdeutung änderte Crowley in späteren Jahren nicht mehr. In seinem letzten Buch, das posthum veröffentlicht wurde, kommt Crowley zu einem Schluss, der bereits der Gleichsetzung von Aiwass mit dem Schutzengel innewohnte und meine Annahme bestätigt:

      Wir werden bereitwillig zustimmen, dass der Augoeides, der sokratische „Genius“ und der „Heilige Schutzengel“ Abramelins des Magiers identisch sind. Doch können wir das „Höhere Selbst“ nicht darin einschließen; denn der Engel ist ein tatsächliches Wesen mit seinem eigenen Universum, genauso, wie es auch ein Mensch ist oder meinetwegen auch eine Schmeißfliege. Er ist keine bloße Abstraktion, keine Auswahl und keine Erhöhung der eigenen Lieblingseigenschaften, so wie es das „Höhere Selbst“ zu sein scheint.95

      Im selben Kontext weist Crowley schließlich jede psychologische Erklärung für die Existenz übermenschlicher Wesen zurück: „Sie sind objektiv, nicht subjektiv.“96 Offensichtlich bemerkte er, dass dieser Gedanke mit dem, was er im Vorwort zum Lemegeton oder im ersten Teil seines Book Four geschrieben hatte, nicht übereinstimmte. In beiden Fällen hatte Crowley eine rationalisierende, psychologische Erklärung für Wesen gegeben, die in magische Praktiken involviert sind. Doch sobald der „Schutzengel“ oder der „Höhere Genius“ zu einer eigenständigen Wesenheit wird, sind die Dinge nicht mehr dieselben. Der Kontakt, den ein Magier möglicherweise zu seinem Schutzengel hat, ist nicht länger zwangsläufig mit spiritueller Selbstverwirklichung verbunden. Jetzt ist diese Verbindung eher eine „der Freundschaft, der Gemeinschaft, der Bruderschaft oder Vaterschaft [sic].“97 Dann finden wir, von der psychologischen Interpretation, die Crowley angenommen zu haben schien, zurück zu einer traditionelleren: der Magier ruft die Geister um ihre Hilfe an, wie jemand bei Bedarf nach einem Arzt oder einem Klempner ruft. Diesbezüglich ist es auch interessant, dass Crowley in Magick without Tears eine explizite, scharfe Trennung zwischen Magie auf der einen Seite und Mystik und Yoga auf der anderen zieht, und dabei seine Präferenz für erstere zum Ausdruck bringt.98 Diese Trennung hätte in seinen früheren Jahren, als er Book Four und Magick in Theory and Practice schrieb, keinen Sinn ergeben.

       Schlussbemerkungen

      Der Einfluss, den Autoren wie James und Maudsley auf einen Okkultisten wie Crowley hatten, kann nur im Zusammenhang mit den allgemein unter Okkultisten des neunzehnten Jahrhunderts verbreiteten Bestrebungen verstanden werden, sich mit der Moderne zu arrangieren. Dieser Einfluss formte nicht nur Crowleys Auffassung von Magie, sondern auch sein Verständnis von Yoga, und ermöglichte ihm eine vergleichende Perspektive auf spirituelle Praktiken, die ihm eine Gleichstellung westlicher Ritualmagie mit östlichem Yoga erlaubte. Der Wunsch, Gemeinsamkeiten zwischen unterschiedlichen spirituellen Traditionen zu finden, war in der Esoterik sicherlich nicht neu. Was wohl neu war, war die Idee, dazu eher neue psychologische und wissenschaftliche Theorien heranzuziehen als mystische Erkenntnisse oder überliefertes Weistum.

      Crowley war von dem naturalistischen, wissenschaftlichen Gedankengut, das im England des neunzehnten Jahrhunderts weite Verbreitung fand und sich auch in neuen psychologischen Theorien artikulierte, die auf die Religion übertragen wurden, spürbar beeinflusst. Dieses Bestreben, die Magie durch ihre Psychologisierung und Naturalisierung zu modernisieren, stieß jedoch mit der religiösen Offenbarung von

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