Mit Kindern wachsen. Jon Kabat-Zinn

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Mit Kindern wachsen - Jon Kabat-Zinn

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Ganzheit vor dem Himmel betrachten können, müssen wir selbst völlig eigenständige Personen sein.

      Das ist nicht immer leicht. Im familiären Alltag achtsam zu sein ist für Eltern harte Arbeit. Es bedeutet, dass wir uns innerlich gut kennenlernen und dass wir an jenem Berührungspunkt arbeiten, an dem unser eigenes inneres Leben und das Leben unserer Kinder zusammentreffen. Besonders hart ist diese Arbeit heute deshalb, weil die Kultur, in der wir leben, immer stärkeren Einfluss auf das häusliche Leben und auf das Leben unserer Kinder nimmt.

      Ein Grund für meine regelmäßige Meditationsübung ist, dass ich auf diese Weise versuche, angesichts der ständigen ungeheuren äußeren Anforderungen mein inneres Gleichgewicht und meine geistige Klarheit zu erhalten. Außerdem hilft mir die Meditation, trotz aller Witterungsumschwünge, denen ich auf meiner Reise als Familienvater Tag für Tag ausgesetzt bin, einigermaßen „auf Kurs zu bleiben“. Dass ich mir jeden Tag, gewöhnlich am frühen Morgen, eine bestimmte Zeitspanne für das stille Sitzen reserviere, hilft mir, ruhiger und ausgeglichener zu bleiben, einen klareren und umfassenderen Blick zu bewahren, mir ständig dessen bewusst zu bleiben, was wirklich wichtig ist, und mich immer wieder neu dafür zu entscheiden, dass ich mein Leben von jenem Gewahrsein leiten lassen will.

      Die Achtsamkeit, die ich beim stillen Sitzen und bei der Ausführung alltäglicher Aufgaben entwickle, ermöglicht es mir, den gegenwärtigen Augenblick aufmerksam zu erleben – was mir wiederum hilft, im Herzen ein wenig offener und im Geist ein wenig klarer zu bleiben und dadurch meine Kinder so sehen zu können, wie sie sind; ihnen geben zu können, was sie von mir am dringendsten brauchen, und ihnen den Raum zuzugestehen, den sie benötigen, um ihre eigene Art zu finden, wie sie in der Welt leben wollen.

      Doch ist auch mein regelmäßiges Meditieren keine Garantie dafür, dass ich immer ruhig, freundlich, sanft und in der Gegenwart zentriert bin. Oft bin ich das ganz und gar nicht. Die regelmäßige Meditationsübung hat auch nicht automatisch zur Folge, dass ich immer weiß, was in einer Situation zu tun ist, oder dass ich mich nie verwirrt oder ratlos fühle. Allerdings hilft mir die durch die Übung verstärkte Achtsamkeit, Dinge zu sehen, die ich andernfalls vielleicht nicht gesehen hätte, und kleine, aber wichtige und manchmal entscheidende Schritte zu gehen, die ich andernfalls vielleicht nie gegangen wäre.

      Nach einem Workshop, in dem ich den Anfang dieses Prologs (noch in Manuskriptform) vorgelesen hatte, erhielt ich von einem Mann in den Sechzigern einen Brief folgenden Inhalts:

      Ich möchte Ihnen hiermit für ein ganz besonderes Geschenk danken, das Sie mir an jenem Tag gemacht haben … Die Beschreibung der Rückkehr Ihres Sohnes zu Thanksgiving hat mich sehr tief berührt. Das gilt insbesondere für Ihre Schilderung dessen, wie er Sie mit seinem Sein umhüllte, als er sich quer über Sie legte. Als ich das hörte, habe ich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder liebevolle Gefühle meinem eigenen Sohn gegenüber gespürt. Ich weiß nicht genau, was geschehen ist, aber es ist, als hätte ich bisher immer das Gefühl gehabt, mein Sohn müsse anders sein, damit ich ihn lieben könnte, und das hat sich jetzt geändert.

      Wenn sie niedergeschlagen oder enttäuscht sind, haben vielleicht alle Eltern hin und wieder das Gefühl, sie bräuchten eine andere Art von Kind, um es lieben zu können. Wenn wir dieses Gefühl nicht näher prüfen, kann es sich leicht von einem kurzlebigen Impuls in eine dauerhafte Enttäuschung verwandeln, und es kann sein, dass wir eine Sehnsucht nach etwas entwickeln, von dem wir glauben, wir hätten es nicht. Wenn wir dann später noch einmal genauer hinschauen, so wie dieser Vater es getan hat, stellen wir möglicherweise fest, dass wir die Kinder, die uns gegeben sind, verstehen und so lieben können, wie sie sind.

      Jon Kabat-Zinn

      Prolog – mkz

      Die leidenschaftlich beschützende Liebe, die ich für meine Kinder empfinde, hat mich immer wieder dazu motiviert, die innere Arbeit zu tun, die wir „Achtsamkeit in der Familie“ nennen. Diese innere Arbeit hat mir unerwartete Geschenke und Freuden beschert. Sie hat mir geholfen, meine Kinder klarer so zu sehen, wie sie sind, frei von den Verzerrungen meiner eigenen Ängste, Erwartungen und Bedürfnisse, und zu sehen, was im jeweiligen Augenblick angebracht sein könnte. Diese Achtsamkeit im Umgang mit meinen Kindern hilft mir, mich selbst genauer wahrzunehmen, und sie ermöglicht es mir, mit schwierigen Situationen und mit jenen automatisierten Reaktionen anders umzugehen, die äußere Schwierigkeiten so leicht in mir auslösen – Reaktionen, die oft hart und destruktiv wirken und die dem Wohl meiner Kinder zuwiderlaufen.

      Obgleich ich nie regelmäßig Sitzmeditation geübt habe, habe ich in meinem Leben immer darauf geachtet, dass ich eine gewisse Zeit und genügend Raum für Nicht-Tun, Stille und Schweigen zur Verfügung hatte. Dies sicherzustellen war besonders schwierig, als unsere Kinder klein waren, aber Möglichkeiten zum Alleinsein und zur Reflexion ergaben sich manchmal, wenn ich am Morgen noch im Bett lag, schon wach, aber noch nicht bereit, mich zu bewegen; noch meinen Träumen nachhängend, manchmal klar, manchmal in Gedanken verloren, empfänglich für Impulse und Bilder, die mich an jenem Ort irgendwo zwischen Wachsein und Schlaf besuchten.

      Dies war für mich eine Art Meditation, war meine Art, meine inneren Ressourcen zu stärken. Dadurch wurde ein gewisser Ausgleich zu meinen äußeren „Meditationen“ geschaffen – zum ständigen Gewahrsein, Sich-Einstimmen, Antworten, Festhalten und Loslassen, zu dem meine Kinder mich aufgrund ihrer Bedürfnisse veranlassten.

      Meditative Augenblicke habe ich in vielen Formen erlebt: Wenn ich mitten in der Nacht aufstehen musste, um durchdrungen von tiefem Frieden mein Neugeborenes zu stillen und es mich durch die Süße seines Seins innerlich nährte; oder wenn ich mit dem weinenden Baby umherging und es zu beruhigen und durch Singen und Wiegen zu trösten versuchte, während ich gegen meine eigene Müdigkeit ankämpfte; oder wenn ich in das Gesicht eines unglücklichen, wütenden Teenagers schaute, versuchte, den Grund für das Unglücklichsein herauszufinden und zu erspüren, was dieses Kind brauchte.

      Achtsam zu sein bedeutet, aufmerksam zu sein, und Aufmerksamkeit erfordert Energie und Konzentration. Jeder Augenblick bringt Neues mit sich und kann andere Anforderungen an mich stellen. Manchmal bin ich mit einem intuitiven Erkennen gesegnet, in anderen Fällen begreife ich nichts, bin verwirrt, aus dem Gleichgewicht, versuche aber, intuitiv und kreativ auf die Situation zu reagieren, in die ich gestellt bin. Es gibt die zutiefst befriedigenden Augenblicke reiner Glückseligkeit, in denen ein Kind sichtlich aufblüht und ausstrahlt, dass es ihm gut geht. Es gibt aber auch die vielen schwierigen, frustrierenden und schmerzhaften Augenblicke, in denen nichts von dem, was ich tue, richtig zu sein scheint, sondern offensichtlich gravierend falsch ist. Besonders schwer fällt es mir bei älteren Kindern, klar zu sehen. Bei ihnen sind die Probleme gewöhnlich viel komplizierter und die adäquaten Antworten selten einfach.

      Doch wenn ich das Gefühl habe, als Mutter meinen Weg verloren zu haben, mich in einem dunklen Wald zu befinden, wo der Boden rau und uneben ist, das Gelände fremd und die Luft kalt, finde ich oft, nachdem ich wieder zu mir gefunden habe, irgendetwas in meiner Tasche. Ich muss mich nur darauf besinnen, innezuhalten, zu atmen, meinen Blick nach innen zu richten und genau anzuschauen, was da ist.

      Jeder schwierige Augenblick enthält die Möglichkeit, Augen und Herz zu öffnen. Jedes Mal, wenn ich plötzlich etwas verstehe, was eines meiner Kinder betrifft, lerne ich auch etwas über mich selbst und über das Kind, das ich selbst einmal war, und dieses Wissen dient mir fortan als Führer. Wenn ich den Schmerz, den ein Kind empfindet, mitzuempfinden vermag, wenn ich die konträren und irritierenden Verhaltensweisen akzeptieren kann, die meine Kinder manchmal ausprobieren oder manifestieren, dann heilt mich die Macht bedingungsloser Liebe ebenso, wie sie meine Kinder nährt. Während sie wachsen, wachse auch ich. Meine Transformationen finden in meinem Inneren statt.

      Meine Sensibilität ist für mich mittlerweile nicht mehr von Nachteil, sondern sie ist zu meiner Verbündeten geworden. Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, meine Intuition, meine Sinne, meine emotionale Antenne zu benutzen, um tief

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