Mit Kindern wachsen. Jon Kabat-Zinn

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Mit Kindern wachsen - Jon Kabat-Zinn

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Perspektive meines Kindes zu sehen. Diese Art der inneren Arbeit hat sich für mich als sehr wirksam erwiesen. Wenn ich mich dafür entscheiden kann, freundlich statt grausam zu sein, zu verstehen statt zu verurteilen, zu akzeptieren statt abzulehnen, werden meine Kinder innerlich gefördert und gestärkt, ganz gleich, in welchem Alter sie sich befinden.

      Diese Einstellung zum Elternsein schafft Vertrauen. Es ist mir ein wichtiges Anliegen, dieses Vertrauen und das Gefühl grundlegender Verbundenheit zu erhalten, das im Laufe vieler Jahre emotionalen und physischen Bemühens zwischen uns entstanden ist. Wenn ich mich kurzzeitig zu Achtlosigkeit hinreißen lasse oder wenn ich zulasse, dass plötzlich alte destruktive Muster das Ruder in die Hand nehmen, so ist das ein Verrat am Vertrauen meiner Kinder, und ich muss nach solchen Augenblicken bewusst daran arbeiten, unsere Beziehung wieder aufzubauen und zu stärken.

      In all diesen Jahren habe ich versucht, in meinem Leben als Mutter Augenblick für Augenblick achtsam zu sein: Indem ich beobachte, Fragen stelle, mir dessen bewusst werde, was ich am meisten schätze und wovon ich glaube, dass es für meine Kinder am wichtigsten ist. Obgleich unzählige Aspekte des Familienlebens in diesem Buch nicht behandelt werden, hoffe ich, dass es uns gelingen wird, durch Beschreibung der für Eltern relevanten inneren Prozesse und der Art, wie sie erlebt werden, einen Eindruck vom Erfahrungsreichtum und von den Wachstums- und Veränderungsmöglichkeiten zu geben, die ein achtsames Leben als Vater und als Mutter uns allen schenken kann.

      Myla Kabat-Zinn

      Teil Eins

      Die Gefahr und

      die Verheißung

      Die Herausforderung der Elternrolle

      Eltern erfüllen eine der anstrengendsten, schwierigsten und stressigsten Aufgaben auf der Welt. Gleichzeitig ist es auch eine der wichtigsten, denn wie sie sie erfüllen, wirkt sich entscheidend auf Herz, Seele und Bewusstsein der nächsten Generation aus – darauf, worin diese jungen Menschen den Sinn ihres Lebens sehen und wie sie sich mit der Welt insgesamt verbunden fühlen; auf ihr Repertoire an lebenswichtigen Fähigkeiten, auf ihre tiefsten Gefühle für sich selbst sowie auf ihre Chancen, in einer sich schnell verändernden Welt zu überleben. Doch in einer Welt, die der Produktion von materiellen Dingen einen weitaus höheren Wert beimisst als der Art, wie Kinder aufwachsen, übernehmen angehende Eltern ihre wichtige Aufgabe fast immer ohne jede Vorbereitung oder mit nur sehr geringer Unterstützung.

      Gute Handbücher für Eltern können uns manchmal helfen, einige Situationen auf eine neue Weise zu sehen, und uns vielleicht beruhigen, wenn wir uns unnötige Sorgen machen. Vor allem in den frühen Jahren der Elternschaft können sie Hinweise zur Lösung bestimmter Probleme liefern und deutlich machen, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, die Dinge zu sehen. Sie bringen uns auch zu Bewusstsein, dass wir mit unseren Schwierigkeiten nicht allein sind. Sie können uns außerdem einen Überblick über die Haupt-Etappen der Kindesentwicklung auf verschiedenen Altersstufen geben und uns damit vor überzogenen Erwartungen schützen.

      Womit sich solche Ratgeber für Eltern jedoch meistens nicht beschäftigen, sind die inneren Erfahrungen, die Eltern bei der Erfüllung ihrer Aufgabe machen. Wie gehen wir beispielsweise mit den Gedanken und Gefühlen um, die in uns auftauchen, wenn wir Kinder haben? Wie können wir es schaffen, uns nicht von unseren Zweifeln, unserer Unsicherheit und von den Problemen, mit denen wir konfrontiert werden, überwältigen zu lassen – von den Situationen, in denen wir uns in einem inneren Konflikt befinden, und von den Situationen, in denen wir Konflikte mit anderen Menschen haben, unter anderem auch mit unseren Kindern? Solche Bücher zeigen uns gewöhnlich nicht, wie wir unseren Kindern gegenüber mehr Sensibilität entwickeln und wie wir besser auf ihr inneres Erleben eingehen können.

      Wenn wir mit Kindern wirklich neue Wege gehen wollen, erfordert dies, dass wir auch innerlich an uns arbeiten. Die konkreten Ratschläge, die uns jeder Elternratgeber für die Bewältigung der äußeren Probleme des Familienlebens liefert, müssen wir durch eine eigene, innere Autorität ergänzen, die wir nur durch unsere Erfahrung entwickeln können. Diese innere Autorität kann nur dann in uns entstehen, wenn uns klar wird, dass wir unser Leben trotz aller äußeren Einflüsse in erheblichem Maße selbst gestalten können – und zwar durch die Art und Weise, wie wir auf diese äußeren Einflüsse antworten. Im Laufe dieses Prozesses werden wir eine völlig individuelle, aus eigenen Entscheidungen gewachsene Lebensweise entwickeln und dabei von unseren tiefsten, besten und kreativsten Ressourcen profitieren. Ist uns das erst einmal klar geworden, erkennen wir vielleicht auch, wie wichtig es für unsere Kinder und für uns selbst ist, dass wir die Verantwortung für unsere Art zu leben und für die Konsequenzen unserer Entscheidungen übernehmen.

      Wenn wir bereit sind, diese innere Arbeit zu tun, können sich innere Autorität und Authentizität in uns entwickeln. Unsere Authentizität und unsere Weisheit wachsen, wenn wir unserem Erleben und unserer alltäglichen Erfahrung bewusst Gewahrsein entgegenbringen. Wir lernen dann allmählich, unsere Kinder und ihre Bedürfnisse immer besser zu sehen und geeignete Möglichkeiten zur Förderung und Unterstützung ihres Wachstums und ihrer Entwicklung zu erkennen. Wir können auch lernen, ihre vielen verschiedenen, manchmal verwirrenden Signale zu interpretieren, und unserer Fähigkeit zu vertrauen, angemessen zu reagieren. Das Wichtigste dabei: Aufmerksamkeit, Nachdenklichkeit und Rücksichtnahme.

      Wie wir als Eltern unsere Aufgabe erfüllen, ist letztlich immer eine ganz persönliche Angelegenheit, und unsere Fähigkeit dazu erwächst tief aus unserem Inneren. Wie jemand anders an die Sache herangeht, hilft uns vielleicht überhaupt nicht weiter. Wir müssen unsere eigene Art entwickeln, indem wir in diesem Prozess nützliche Hilfen anzunehmen und unseren Instinkten zu vertrauen lernen, wobei wir diese gleichzeitig weiter prüfen und hinterfragen.

      Denn selbst das, was uns gestern gute Dienste geleistet hat, ist heute nicht unbedingt mehr die beste Möglichkeit. Um zu spüren, was jeweils zu tun ist, ist es unerlässlich, dass wir fest im gegenwärtigen Moment verwurzelt sind. Und wenn unsere eigenen inneren Ressourcen erschöpft sind, ist es hilfreich, wenn wir wirksame und gesunde Möglichkeiten kennen, sie wieder aufzufüllen und uns zu regenerieren.

      Zu Eltern werden Menschen zufällig oder absichtlich, doch wie auch immer es dazu kommen mag, Elternschaft ist eine Berufung. So ruft uns unser Leben als Eltern dazu auf, die Welt jeden Tag neu zu schaffen, ihr in jedem Augenblick mit frischem, unvorbelastetem Blick entgegenzutreten. Diese Berufung ist tatsächlich eine strenge spirituelle Disziplin – eine Aufgabe, die es uns ermöglicht, unsere tiefste menschliche Natur zu erkennen. Schon die bloße Tatsache, dass wir Eltern sind, ist eine ständige Aufforderung an uns, unsere wohlwollendsten, klügsten und fürsorglichsten Qualitäten zu entwickeln und zum Ausdruck zu bringen – das Beste in uns zutage zu fördern, so gut wir eben können.

      Wie jede spirituelle Disziplin ist der Weg der Achtsamkeit in der Familie voller enormer Versprechungen und Möglichkeiten. Gleichzeitig ist er eine Aufforderung, diese innere Arbeit zu tun, unserer Aufgabe als Eltern gerecht zu werden, so dass wir uns ganz auf diese Heldenreise einlassen – die lebenslange Suche, die ein gelebtes menschliches Leben letztlich ausmacht.

      Menschen, die Eltern werden, übernehmen den härtesten aller Jobs – ohne jede Bezahlung, oft unerwartet und in relativ jungem Alter, unerfahren und häufig unter größten ökonomischen Schwierigkeiten. Gewöhnlich gehen Eltern ohne klare Strategie auf ihre Reise und ohne umfassenden Überblick über das, was auf sie zukommt. Sie treten diese Reise meist auf die gleiche intuitive und optimistische Weise an, auf die wir Menschen uns auch vielen anderen Aspekten unseres Lebens nähern. Wir lernen, unsere Aufgabe zu erfüllen, während und indem wir es versuchen. Und tatsächlich gibt es auch gar keine andere Möglichkeit, es zu lernen.

      Zu Anfang ist uns gewöhnlich nicht einmal klar, dass unser Leben als Eltern völlig neue, ungewohnte Anforderungen an uns stellt, dass dieses neue Leben ungeheure Veränderungen für uns mit sich bringen wird, dass wir vieles Vertraute aufgeben

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