Mit Kindern wachsen. Jon Kabat-Zinn

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Mit Kindern wachsen - Jon Kabat-Zinn

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werden sollten. Wir alle halten als Eltern sehr strikt und oft unbewusst an bestimmten Ansichten fest, was immer sie beinhalten mögen, als befänden wir uns unter dem Einfluss eines mächtigen Zaubers. Nur wenn wir uns dieser prägenden Einflüsse bewusst werden, können wir die Elemente unserer eigenen Erziehung nutzen, die sich für uns selbst als hilfreich, positiv und förderlich erwiesen haben, und erst dann wird es uns gelingen, über die destruktiven und blockierenden Aspekte hinauszuwachsen.

      Für diejenigen unter uns, die sich in ihrer Kindheit verschließen mussten, um ihre Gefühle zu unterdrücken oder um sie „nicht zu sehen“, weil sie nur so das Geschehen ertragen konnten, kann es besonders schmerzhaft und schwierig sein, ein größeres Maß an Achtsamkeit zu entwickeln. In Augenblicken, in denen die alten Dämonen wieder lebendig werden, wenn schädliche Überzeugungen, destruktive Muster und Alpträume aus unserer Kindheit wieder zutage treten und wir von dunklen Gefühlen und von Schwarzweißdenken geplagt werden, ist es besonders schwierig für uns, innezuhalten und einen frischen Blick auf die Dinge zu werfen.

      Wir wollen hier keineswegs den Eindruck erwecken, dass es irgendeinen festen oder gar objektiven Maßstab für elterliche Achtsamkeit gibt, an dem Eltern sich orientieren oder messen sollten. Achtsamkeit erfordert immer die kontinuierliche Vertiefung und Verfeinerung des Gewahrseins und der Fähigkeit, in der Gegenwart präsent zu sein und angemessen zu handeln. Es geht also keineswegs darum, dass wir ein festes Ziel oder Ergebnis erreichen, so wertvoll uns ein solches auch erscheinen mag. Ein wichtiger Teil des Prozesses ist, dass wir uns selbst mit einem gewissen Maß an Güte und Mitgefühl sehen. Dazu gehört, dass wir uns unserer Schwierigkeiten, unserer Blindheit, unserer menschlichen Schwäche und Fehlbarkeit bewusst sind und dass wir so achtsam wie möglich an ihnen arbeiten. Auch in Augenblicken der Dunkelheit und Verzweiflung, die uns zeigen, dass wir im Grunde nichts wissen, können wir immer wieder frisch und unbelastet anfangen. Jeder Augenblick ist ein Neuanfang, eine Gelegenheit zur Einstimmung auf das, was ist, und vielleicht sogar eine Chance, uns selbst und unsere Kinder auf eine neuartige und tiefere Weise zu sehen, zu fühlen und zu erkennen.

      Denn die Liebe zu unseren Kindern kommt in der Qualität unserer Beziehung zu ihnen in jedem neuen Augenblick zum Ausdruck, und sie vertieft sich in alltäglichen Momenten, sofern wir uns dieser Momente bewusst und wir in ihnen voll und ganz präsent sind. Liebe kommt nicht nur in großen Gesten zum Ausdruck, beispielsweise darin, dass wir unseren Kindern eine Reise in einen Erlebnispark schenken, sondern sie zeigt sich unter anderem in der Art, wie wir ihnen das Brot reichen oder wie wir ihnen „Guten Morgen“ sagen. Sie äußert sich in alltäglicher Güte, in dem Verständnis, das wir ihnen entgegenbringen, und in einer generell akzeptierenden Haltung. Wir bringen Liebe zum Ausdruck, indem wir liebevoll handeln. Ob es uns in einem bestimmten Augenblick gut oder schlecht gehen mag, der wichtigste Maßstab für unsere Fürsorge und beharrliche Liebe zu unseren Kindern ist die Qualität unserer Aufmerksamkeit.

      Dieses Buch wendet sich an Menschen, denen die Qualität des Familienlebens und das Wohl ihrer Kinder wichtig ist – der schon geborenen und der noch ungeborenen, der jungen wie der älteren. Wir hoffen, dass es Eltern in ihrem Bemühen unterstützt, ihre Liebe durch ihr Sein und Handeln im Alltag zum Ausdruck zu bringen. Das ist uns nur möglich, wenn es uns gelingt, in unserem eigenen Leben authentisch zu sein und wenn wir mit dem ganzen Spektrum unserer Gefühle in Kontakt sind – kurz gesagt: wenn wir wach sind.

      In der Art, wie wir unsere Aufgabe als Eltern erfüllen, kommen unsere besten und übelsten Seiten zum Vorschein, und wir erleben in dieser Rolle sowohl die befriedigendsten als auch die erschreckendsten Momente unseres Lebens. Einfühlsam über das Leben von Eltern zu schreiben ist eine ungeheuer anspruchsvolle Aufgabe. Zeitweise haben wir das Gefühl, dass in unserer Familie alles zum Besten steht. Unsere Kinder wirken in solchen Momenten glücklich, stark und ausgeglichen. Am nächsten Tag jedoch – oder schon im nächsten Augenblick! – kann die Hölle losbrechen. Plötzlich wird unsere Welt beherrscht von Konfusion, Verzweiflung, Wut und Frustration. Was eben noch zu gelten schien, erweist sich nun als völlig unzutreffend und nützt uns nichts mehr. Alle Regeln scheinen über Nacht oder in einem einzigen Augenblick ungültig geworden zu sein. Wir wissen nicht mehr, was vor sich geht und warum bestimmte Dinge geschehen. Wir fühlen uns wie die erbärmlichsten Versager.

      Doch selbst in solchen Augenblicken können wir versuchen, uns dessen bewusst zu bleiben, was geschieht, ganz gleich, wie unangenehm und schmerzhaft es auch sein mag. So schwer es uns auch fallen mag, wir versuchen anzunehmen, was geschieht und selbst in solch schwierigen Augenblicken herauszufinden, was die Situation von uns fordert. Die Alternative wäre, dass wir uns in unseren impulsiven und automatischen Verhaltensweisen verfangen und unserer Angst oder Wut oder Abwehr unser Mitgefühl und unsere Klarheit opfern. Und da auch dies zuweilen unvermeidlich ist, können wir in solchen Fällen das Geschehene später, in einem ruhigeren Zustand, noch einmal untersuchen, um vielleicht zumindest nachträglich etwas daraus zu lernen.

      Dieses Buch ist aus unserer eigenen Erfahrung als Eltern entstanden. Sicherlich unterscheidet sich diese in vielerlei Hinsicht von dem, was Sie als Mütter oder Väter erleben. Vielleicht unterscheiden sich einige der spezifischen Verhaltensweisen, für die wir uns entschieden haben, um unsere Aufgabe als Eltern zu erfüllen, sehr stark von dem, wie Sie erzogen wurden oder von Ihrer eigenen Art, mit Ihren Kindern umzugehen. Vielleicht werden Sie auf einiges von dem, was wir in diesem Buch vertreten, oder auf bestimmte Entscheidungen, die wir beschreiben, mit starken Gefühlen reagieren. Das ganze Thema, wie wir mit unseren Kindern umgehen, kann sehr tiefe Emotionen wecken, weil es immer wieder unser Selbstbild und die Art, wie wir das Leben sehen, berührt und in Frage stellt.

      Es geht uns keineswegs darum, dass Sie alles genauso machen sollen, wie wir es gemacht haben, oder Ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass Sie andernfalls irgendetwas völlig falsch machen. Wie wir alle wissen, sind die Probleme, mit denen Eltern sich tagtäglich beschäftigen müssen, nicht leicht zu lösen, und es gibt auch keine allgemeingültigen Antworten und Lösungen. Ebenso wenig wollen wir den Eindruck vermitteln, dass Achtsamkeit die Antwort auf alle Probleme des Lebens oder auf alle Fragen ist, mit denen wir als Eltern konfrontiert werden. Wir wollen Ihnen lediglich eine andere Art, die Dinge zu sehen, nahe bringen; eine andere Art zu sein, die sich vielleicht auf viele unterschiedliche Weisen mit Ihrer persönlichen Art, Ihre Aufgabe als Mutter oder Vater zu erfüllen und Ihr Leben zu leben, vereinbaren lässt. Letztlich müssen wir alle ganz individuell entscheiden, was wir für unsere Kinder und für uns selbst für das Beste halten, und dabei sind unsere Kreativität und unsere Fähigkeit, wach und aufmerksam zu sein, unsere wichtigsten Stützen.

      Wir möchten versuchen, Ihnen unsere Erfahrungen mit diesem Weg der „Achtsamkeit in der Familie“ zu vermitteln, weil wir hoffen, dass das transformierende Potenzial dieses Weges Ihren Werten und Intentionen entspricht und Ihnen bei der Erfüllung Ihrer Aufgabe von Nutzen sein wird.

      Achtsamer Umgang mit Kindern beinhaltet letztlich die Möglichkeit, sie klarer zu sehen und unserem Herzen zuzuhören und zu vertrauen. Achtsamkeit gibt den täglichen Herausforderungen des Elterndaseins Struktur und Unterstützung. Sie kann uns auch helfen, für unsere Kinder zu Quellen bedingungsloser Liebe zu werden – Augenblick für Augenblick, Tag für Tag.

      Wie soll ich das schaffen?

      Jede Familie befindet sich in einer ganz speziellen Situation, und keine kann auf genau die gleichen Ressourcen zurückgreifen wie eine andere. Doch glauben wir, dass alle Familien und Individuen, einfach weil sie Menschen sind, über immense innere Ressourcen verfügen, die sie nutzen und weiterentwickeln können, unabhängig von den Umständen, in denen sie sich befinden. Diese Ressourcen können uns bei unserem Bemühen, wichtige Entscheidungen für unser eigenes Leben und für unsere Familie zu treffen, in ungeheurem Maße helfen.

      Es gibt Menschen, die stets Möglichkeiten finden, das Wohl ihrer Kinder an die erste Stelle zu setzen, so schwierig ihre persönliche oder ökonomische Situation

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