Mit Kindern wachsen. Jon Kabat-Zinn

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Mit Kindern wachsen - Jon Kabat-Zinn страница 12

Автор:
Серия:
Издательство:
Mit Kindern wachsen - Jon Kabat-Zinn

Скачать книгу

Antwort, die er auf seine Frage „Was begehren Frauen am meisten?“ erhielt, lautete Selbstbestimmung.

      Dann fragte Arthur die Frau, was sie als Gegenleistung erwarte. Sie jedoch sagte, sie werde ihm das erst mitteilen, wenn er die Antwort dem Ritter von Tarn Wathelan überbracht und sich ihre Richtigkeit bestätigt habe. Also ritt Arthur davon, und nachdem er den riesigen Ritter ein wenig auf die Folter gespannt hatte, teilte er ihm schließlich die Antwort mit. Da es die richtige war, war er auf der Stelle frei. Anschließend kehrte er zu der Stelle zurück, wo die Hässliche auf ihn wartete.

      Als Belohnung forderte Lady Ragnell – das war der Name der Frau – von König Arthur, dass einer der Ritter seiner Tafelrunde, tapfer, höflich und schön anzusehen, sich bereit erkläre, sie zu seiner Frau zu machen. Arthur war erschüttert und geriet angesichts dieser ungeheuerlichen Forderung sichtlich ins Schwanken. Erst als sie ihn daran erinnerte, dass er dieser hässlichen Frau sein Leben zu verdanken hatte und dass er ihr als Gegenleistung für ihre Hilfe sein ritterliches und königliches Versprechen gegeben hatte, erklärte er sich einverstanden.

      Hätte Arthur nun einem seiner Ritter befohlen, diese Frau zu heiraten, so hätte er damit die unabhängige Entscheidungsfreiheit des Mannes missachtet. Er musste also jemanden finden, der sich freiwillig dafür entschied, sie zur Frau zu nehmen. Als Arthur an seinen Hof zurückkehrte und der erstaunten Versammlung seiner Ritter von seinem einwöchigen Abenteuer berichtete, erbot sich sein Neffe Sir Gawain, aus Loyalität seinem Onkel, dem König, gegenüber und aus seiner eigenen Güte heraus, Lady Ragnell zu heiraten. Als Arthur das vernahm, wollte er nicht zulassen, dass Gawain diese Entscheidung traf, ohne die Frau zuvor gesehen zu haben.

      Also brachen die Ritter am nächsten Morgen in die Wälder auf. Nach einiger Zeit sahen sie zwischen den Bäumen das scharlachrote Gewand auftauchen. Beim Anblick von Lady Ragnell überkamen Sir Kay und die übrigen Ritter tiefe Abscheu, und einige von ihnen ließen sich sogar zu beleidigenden Äußerungen über ihre Hässlichkeit hinreißen. Andere wendeten sich aus Mitleid ab und verbargen ihre Gefühle, indem sie sich um ihre Pferde kümmerten.

      Sir Gawain hingegen schaute die Lady unerschrocken an. Irgendetwas an ihrem ergreifenden Stolz und an der Art, wie sie ihren scheußlichen Kopf erhob, erinnerte ihn an ein von Jagdhunden gestelltes Reh. Irgendetwas in der Tiefe ihres trüben Blicks erreichte ihn wie ein Hilfeschrei.

      Er blickte seine Kameraden herausfordernd an und sagte: „Was schaut ihr so betreten zur Seite und zeigt so schlechte Manieren? An meiner Entscheidung bestand nie der geringste Zweifel. Habe ich denn nicht schon gestern Abend zum König gesagt, dass ich diese Dame heiraten werde? Und wenn sie mich akzeptiert, dann werde ich das auch tun!“ Dann sprang er vom Pferd, kniete vor ihr nieder und sagte: „Edle Dame, seid Ihr bereit, mich zum Ehemann zu nehmen?“

      Die Lady schaute ihn einen Augenblick lang mit ihrem einen Auge an und sagte dann mit ihrer erstaunlich anmutigen Stimme: „Das werdet Ihr doch nicht im Ernst wollen, Sir Gawain. Ihr beliebt zu scherzen, ebenso wie die anderen.“

      „Nie in meinem Leben lag es mir ferner zu scherzen“, protestierte er.

      Wieder versuchte sie, ihn von seinem Vorhaben abzubringen. „Denkt nach, bevor es zu spät ist. Wollt Ihr tatsächlich eine Frau heiraten, die so hässlich und alt ist wie ich? Meint Ihr wirklich, ich sei die richtige Frau für den Neffen des Königs? Was werden Königin Guinevere und ihre Hofdamen sagen, wenn Ihr solch eine Braut an den Hof bringt? Und was werdet Ihr selbst insgeheim empfinden? Ihr werdet Euch schämen um meinetwillen.“ Dies sagte die Lady, und sie weinte bitterlich, und ihr Gesicht war von Tränen nass und aufgequollen und noch hässlicher.

      „Lady, wenn ich Euch beschützen kann, so könnt Ihr sicher sein, dass ich auch mich selbst zu schützen weiß“, antwortete Gawain und blickte grimmig und mit kämpferischem Blick in die Runde der übrigen Ritter. „Kommt nun mit mir zum Schloss, denn noch heute Abend soll unsere Hochzeit gefeiert werden.“

      Daraufhin antwortete Lady Ragnell mit Tränen in ihrem einen Auge: „Fürwahr, Sir Gawain, Ihr mögt es nicht glauben, aber Ihr werdet diese Hochzeit nicht bereuen.“

      Als sie sich erhob, um das Pferd zu besteigen, das die Ritter für sie mitgebracht hatten, stellte sich heraus, dass sich zwischen ihren Schultern ein Buckel befand und sie auf einem Bein lahm war. Gawain half ihr in den Sattel, bestieg sein Pferd und ritt neben ihr her, und dann machten sich alle auf den Weg zurück zum Schloss des Königs.

      Die Neuigkeit eilte ihnen voraus, und an den Stadttoren versammelten sich die Menschen, um Sir Gawain und seine Braut vorüberreiten zu sehen. Alle, die sie sahen, erschraken, weil der Anblick ihre schlimmsten Befürchtungen noch weit übertraf.

      Am gleichen Abend fand in der Schlosskapelle die Hochzeit statt. Die Königin selbst war Brautführerin, und der König war Trauzeuge. Sir Lancelot trat als erster vor und küsste die Braut auf ihre welke Wange. Die übrigen Ritter schlossen sich ihm an, doch blieben ihnen fast die Worte im Halse stecken, als sie der Braut und Sir Gawain eine glückliche Ehe wünschten. Und die arme Lady Ragnell schaute auf die gebeugten Köpfe all der Damen, die vortraten, um ihre Fingerspitze so kurz wie nur eben möglich zu berühren, denn sie konnten es nicht ertragen, sie anzuschauen oder sie auf die Wange zu küssen. Nur Cabal, der Hund, kam und leckte ihre Hand mit seiner warmen, feuchten Zunge, und er schaute sie mit seinen bernsteinfarbenen Augen, die ihre Scheußlichkeit gar nicht wahrnahmen, lange an, denn die Augen eines Hundes sehen anders als die Augen eines Menschen.

      Das Gespräch bei Tisch war zäh und angestrengt, ein vergeblicher Versuch, Freude zu heucheln, während Sir Gawain und seine Braut starr neben dem König und der Königin an der Tafel saßen. Als die Tische abgeräumt worden waren und die Zeit zum Tanzen gekommen war, dachten viele, dass Sir Gawain nun wohl die Chance ergreifen und sich zu seinen Freunden gesellen würde. Doch er sagte: „Braut und Bräutigam müssen den ersten Tanz gemeinsam tanzen“ und bot Lady Ragnell seine Hand. Sie nahm sie mit einer scheußlichen Grimasse, die wohl ein Lächeln andeuten sollte, und machte dann einen ungelenken Satz nach vorn, um mit Sir Gawain den Tanz zu eröffnen. Unter den wachsamen Augen des Königs und Sir Gawains wagte es während des ganzen Festes keiner der Gäste, den Eindruck aufkommen zu lassen, es sei irgendetwas nicht in bester Ordnung.

      Schließlich endete das etwas gezwungene Fest, und die Neuvermählten zogen sich in das Hochzeitsgemach zurück. Dort warf Gawain sich vor dem Kamin in einen Sessel mit vielen Kissen und starrte in die Flammen, ohne seine Braut zu beachten. Da wehte ein plötzlicher Luftzug die Kerzenflammen zur Seite, so dass es schien, als würden die Wesen auf den bestickten Wandteppichen zum Leben erwachen. Irgendwo in sehr weiter Ferne glaubte Gawain das schwache Echo eines Jagdhorns zu hören, als käme es aus dem Herzen des verwunschenen Waldes.

      Vom Fußende des Bettes her vernahm er eine leichte Bewegung und das Rascheln eines Nachtgewandes. Dann ertönte eine leise, sanfte Stimme und sagte: „Gawain, mein Liebster, weißt du denn nichts zu mir zu sagen? Kannst du es nicht einmal ertragen, mir einen Blick zu schenken?“

      Gawain zwang sich, ihr seinen Kopf zuzuwenden. Dann sprang er auf, denn er konnte nicht fassen, was er sah: Zwischen den Kerzenleuchtern stand die schönste Frau, die er je in seinem Leben gesehen hatte.

      „Lady“, sagte er atemlos und nicht sicher, ob er wach war oder träumte, „Wer seid Ihr? Wo ist meine Frau, Lady Ragnell?“

      „Ich bin deine Frau, Lady Ragnell“, antwortete sie, „die Frau, die du im Walde gefunden und die du heute abend geheiratet hast, um die Schuld deines Königs zu begleichen – und vielleicht auch ein wenig aus Güte.“ „Aber – aber ich verstehe das nicht“, stammelte Gawain. „Ihr habt Euch so verändert.“

      „Ja“, sagte die junge Frau. „Ich habe mich verändert, nicht wahr? Ich befand mich unter einem Zauber, und ich

Скачать книгу