Gelassene Eltern - zufriedene Kinder. Laura Markham
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Unabhängig von den besonderen Herausforderungen deines Kindes kannst du also auch an dir selbst arbeiten, wenn du als Elternteil gute Arbeit leisten willst. Ein Kind verursacht nicht den Ärger oder die Angst, die dazu führt, dass wir uns in Machtkämpfe verstricken; diese entstehen aus unseren eigenen Ängsten und Zweifeln. Unsere eigenen Kindheitserfahrungen, unsere frühen Traumata – größere und kleinere – sind ein Teil von uns. Überdies sind sie derjenige Teil, der die Führung übernimmt, sobald wir emotional erregt sind; Kinder haben ein Talent dafür, unglückliche Gefühle aus unserer eigenen Kindheit auszulösen. Daher können wir nur dann zu gelassenen Eltern werden, wenn wir achtsam verhindern, dass alte Gefühle neue Probleme verursachen.
Genau genommen hängt das, was wir für unsere Kinder am meisten wollen, von unserer eigenen inneren Arbeit ab. Wir alle wollen zufriedene Menschen heranwachsen lassen, die von anderen geliebt werden und glückliche Beziehungen haben. Wenn wir unsere eigenen frühen Kindheitsbeziehungen reflektieren und lernen, für uns selbst gut zu sorgen, können wir – du kannst das! – unserem Kind die sichere Verbindung geben, die ihm lebenslang die Basis für liebevolle Beziehungen bietet. Wir haben es nicht in der Hand, was im Leben unseres Kindes geschieht. Aber wir können es wahrscheinlicher machen, dass er oder sie sich mit Menschen umgibt, die ihn oder sie gut behandeln und dabei unterstützen, dem eigenen Leben einen tieferen Sinn zu verleihen.
Auch wollen wir Kinder so ins Leben begleiten, dass sie ihr Verhalten steuern können; einmal, weil es dann einfacher ist, mit ihnen zusammenzuleben, und zum Zweiten, weil das unsere elterliche Aufgabe ist. Wir wissen auch, wie das geht. Wenn wir die eigenen Emotionen regulieren, lernen auch unsere Kinder ihre Emotionen zu regulieren. Das wiederum erlaubt es ihnen, ihr Verhalten zu regulieren, vorausgesetzt, sie sind gut genug mit uns verbunden, um das auch zu wollen.
Letztlich wollen wir, dass unsere Kinder ihren Weg im Leben finden. Nicht unbedingt in dem Sinne, dass sie sich die Belohnungen verdienen, die die Gesellschaft für Leistungen anbietet, sondern in dem Sinn, dass sie lebenslang ihre einzigartigen Gaben entdecken, verfeinern und teilen. Auch hier wissen wir, was wir für unsere Kinder tun können. Es hat viel damit zu tun, wie gut wir unsere eigenen Ängste bewältigen, was wiederum unsere Kinder dazu befreit, selbst auf Entdeckungsreise zu gehen und Selbstvertrauen und Resilienz zu entwickeln.
Einige Kinder kommen mit einem etwas schwierigeren Temperament auf die Welt und für jene Kinder ist unsere innere Arbeit als Eltern sogar noch wichtiger. Aber unabhängig davon, was dein Kind mitbringt, wie du auf seine Persönlichkeit eingehst, wird seine Fähigkeit prägen, aus seinem Leben das Beste zu machen.
Dein Kind wird dich erfreuen und zur Verzweiflung bringen, dich begeistern und wütend machen. So wird es dich auch unabsichtlich zum Wachsen auffordern. Wenn du das Triggern merkst und noch bevor du handelst, dein Gleichgewicht wiedergewinnst, wenn du deine eigene Angst beruhigen kannst, über deine eigene Erfahrung nachdenken und dich damit versöhnen kannst, dann kannst du zufriedene, emotional gesunde Kinder ins Leben begleiten, die in jeder Hinsicht ihren Weg finden. Du kannst zu einem gelassenen Elternteil werden, der mit zufriedenen Kindern wächst.
Deine erste Elternpflicht
Achtsamkeit: Es einer Emotion erlauben zu kommen und wieder zu gehen, ohne darauf zu reagieren.
BENEDICT CAREY1
Achtsamkeit: Jemandem keins auf die Schnauze hauen.
Ein Elfjähriger,
zitiert nach Sharon Salzberg2
Dein Kind wird sich ziemlich sicher wie ein Kind benehmen, was heißt, dass jemand, der noch lernt, andere Prioritäten hat als du und nicht immer seine Gefühle oder Handlungen steuern kann. Garantiert wird dich sein kindliches Verhalten manchmal in Rage bringen, deine Knöpfe aktivieren. Das wird dann zum Problem, wenn wir selbst anfangen, wie Kinder zu handeln. Wenn wir unserem Kind Erwachsensein vermitteln wollen, muss auch jemand erwachsen handeln! Wenn wir stattdessen achtsam bleiben können – das heißt, unsere Emotionen wahrnehmen und sie vorüberziehen lassen, ohne darauf zu reagieren, dann zeigen wir den Kindern, wie emotionale Regulation geht, und sie lernen von uns durch Beobachtung.
Nicht ohne Grund werden wir im Flugzeug dazu angehalten, zuerst unsere eigene Sauerstoffmaske aufzusetzen. Kinder können diese Masken nicht erreichen oder verlässlich anwenden. Wenn wir nicht mehr zurechnungsfähig sind, können die Kinder weder uns noch sich selbst retten. Selbst wenn wir uns für unsere Kinder opfern würden, ist es unsere Verantwortung, zuerst die eigene Sauerstoffmaske anzulegen.
Ebenso wenig können Kinder allein mit ihrer Wut zurechtkommen. Sie finden nicht allein aus dem Gewirr der Eifersucht, das sie dazu drängt, die kleine Schwester zu schlagen. Da benötigen sie unsere Hilfe, um mit der Befürchtung umzugehen, wir liebten sie vielleicht nicht, weil sie irgendwie nicht so ganz genügen. Sie wissen, wären sie wirklich gut genug, dann würden sie die Schwester nicht hauen wollen, oder die Süßigkeit mopsen, oder sich nicht schreiend auf den Boden werfen. Aber sie können nicht anders, so sehr sie sich auch darum bemühen (vergleichbar damit, wenn wir das bewusste eine Stück Kuchen zu viel essen).
Genauso wie bei der Sauerstoffmaske ist es unsere Aufgabe, unserem Kind im Umgang mit seinen Emotionen zu helfen, was ihm wiederum hilft, sein Verhalten zu steuern. Wenn du stressgeplagt bist, völlig am Ende deiner Kraft, kannst du leider ebenso wenig konstruktiv für dein Kind da sein, wie wenn du im Flugzeug ohnmächtig wirst.
Deshalb besteht deine erste Elternpflicht darin, achtsam auf deinen inneren Zustand einzugehen. Achtsamkeit ist das Gegenteil davon, die Beherrschung zu verlieren. Versteh mich nicht falsch – Achtsamkeit bedeutet nicht, dass du den Ärger nicht fühlst oder verdrängst. Achtsam zu sein, bedeutet, dass du zwar aufmerksam auf deine Gefühle achtest, aber nicht ihrem Handlungsimpuls nachgibst. Ärger gibt es in allen Beziehungen. Darauf gedankenlos in Worten oder Taten zu reagieren ist es, was unseren elterlichen Bemühungen schadet.
Emotionen sind nützlich, so wie Hinweisleuchten am Armaturenbrett. Wenn in deinem Auto ein rotes Licht blinkt, würdest du es doch nicht zudecken oder die Verkabelung herausreißen, die es verursacht hat? Du würdest die Information beachten und darauf reagieren, etwa indem du das Auto zu einem Öl-Check in die Werkstatt fährst. Bei menschlichen Gefühlen besteht die Herausforderung darin, dass wir oft nicht wissen, was wir tun sollen, während wir sie fühlen. Wir sind so verdrahtet, dass wir für alle »schwierigen« Gefühle (diese roten Blinklichter in unserer Psyche, die im Laufe des Tages aufleuchten) nur drei Reaktionsweisen haben: Kampf, Flucht oder Erstarren.
Diese Strategien funktionieren in den meisten Notfallsituationen. Aber das Elterndasein ist – all unseren Ängsten zum Trotz – normalerweise kein Notfall. Normalerweise ist die beste Antwort auf aufwühlende Emotionen, ob als Eltern wie auch im übrigen Leben, die, erst einmal inne zu halten anstatt spontan zu reagieren. In anderen Worten: Tu erst einmal nichts, wenn du getriggert wirst.
Du kannst dich darauf verlassen, dass du manchmal von Kampf- oder Fluchthormonen vereinnahmt wirst. Wenn du aber lernst, darauf zu achten, wann du allmählich die Beherrschung verlierst, kannst du die Wahl treffen, wieder in den Gleichgewichtszustand zurückzukehren. Dieser friedvolle, innere Ort sorgt dafür, dass wir gemäß unseren wahren Werten weise und liebevoll handeln.