Gelassene Eltern - zufriedene Kinder. Laura Markham
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Ein Brief an Sie selbst
Veränderung bedeutet harte Arbeit und anscheinend beinhaltet es immer zwei Schritte vorwärts und einen Schritt zurück. Rechnen Sie damit, dass Sie phasenweise das Gefühl haben werden, Ihre Ziele als Vater oder Mutter nicht erreichen zu können. Im Wissen, dass Sie an irgendeinem Punkt am liebsten aufgeben werden wollen, welche Worte werden Ihnen dann guttun? Wie würden Sie andere Eltern ermutigen, die am Kämpfen sind? Schreiben Sie sich den Zuspruch auf, der Sie aufbauen wird, wenn Sie sich frustriert und festgefahren fühlen. Verwenden Sie dafür ein gesondertes Blatt Papier, das Sie wegstecken können.
TEIL 1
Wie Sie sich selbst regulieren
HAIM GINOTT,
ehemaliger Lehrer und Pionier der gelassenen Elternschaft10
Gelassene Elternschaft bedeutet nicht, dass Sie die ganze Zeit friedlich sind. Die ganze Bandbreite des menschlichen Lebens ruft ständig Emotionen hervor, von denen einige das Gegenteil von friedlich sind. Gelassene Elternschaft bedeutet einfach, dass Sie sich dazu verpflichten, Ihre Emotionen selbst in den Griff zu bekommen, damit sie diese nicht an Ihrem Kind auslassen. Sie beobachten Ihr geistiges und emotionales Befinden und sorgen für sich selbst, sodass Sie Ihr Wohlbefinden die meiste Zeit über aufrechterhalten können. Wenn Sie von etwas getriggert werden, registrieren Sie das und ergreifen selbst die Initiative, um sich zu beruhigen, damit Sie überlegt auf die Situation antworten können. Psychologinnen nennen das »emotionale Intelligenz«. Aber Sie können es auch einfach als Vorbildfunktion dafür betrachten, wie man sich als verantwortungsbewusster Erwachsener verhält und das selbst dann, wenn sich Ihr Kind wie ein Kind benimmt.
Kinder verhalten sich nun mal kindlich, also müssen wir lernen, ihr Verhalten nicht persönlich zu nehmen. Sie machen uns nicht absichtlich Probleme; ihr Handeln wird lediglich durch eigene unerfüllte Bedürfnisse und Gefühlsverwirrungen motiviert. Eigentlich signalisiert ihr schlechtes Benehmen, dass sie selbst ein Problem haben und unsere Hilfe benötigen.
Das Bestreben, gelassener zu werden, bedeutet nicht, dass Sie sich niemals ärgern. Es heißt einfach, dass Sie die Verantwortung dafür übernehmen, sich durch Ihren Ärger hindurchzuarbeiten, anstatt ihn an Ihrem Kind auszulassen. Sie werden immer noch eingreifen müssen, um Ihr Kind angemessen anzuleiten, aber diese Unterweisung wird im besten Interesse Ihres Kindes sein, anstatt Ihnen als Ventil zum Dampf-Ablassen zu dienen.
Viele Eltern sagen, dass sie einfach vom Ärger überfallen werden und ehe sie es sich versehen, selbst einen Tobsuchtsanfall bekommen. Aber jedes Mal, wenn es Ihnen gelingt, die eigene Schimpfkanonade zu unterbrechen, zu merken, dass Sie ärgerlich werden – dann aber dem Handlungsimpuls widerstehen – werden neue neuronale Bahnen aufgebaut. Bald wird der präfrontale Kortex (der rationale Teil des Gehirns) automatisch folgende beruhigende Botschaft an die Amygdala (das Alarmsystem des Gehirns) senden: »Wenn dieses Kind aufmüpfig wird, sieht das zwar wie ein Notfall aus, ist aber keiner.« Mit der Zeit werden Sie merken, wie Sie ruhiger werden, nicht mehr so vorschnell reagieren.
Ich möchte betonen, dass dies auf keinen Fall heißt, dass Sie Ihre ärgerlichen Gefühle ignorieren sollten. Wenn Sie sich einreden: »Ich sollte mich nicht ärgerlich fühlen« und Ihre Wut nur aus dem Gewahrsein schieben, dann versuchen Sie Ihren Ärger zu unterdrücken. Unterdrückte Gefühle verschwinden nicht einfach. Zwar werden Sie aus unserem bewussten Gewahrsein gedrängt, bleiben aber trotzdem im Körper. Wir schleppen sie weiter mit uns herum und sie melden sich immer wieder an der Pforte unseres Bewusstseins: »Hey, beachte mich!« Früher oder später brechen jene ärgerlichen Gefühle ohne bewusste Verstandeskontrolle hervor und wir explodieren. Und was, wenn wir Meister darin sind, jene ärgerlichen Gefühle weiterhin zu vergraben? Das ist noch schlimmer, denn unterdrückter Ärger bleibt einfach im Körper und macht Sie depressiv oder körperlich krank.
DAS KLEINE EINMALEINS DER EMOTIONSREGULATION
Was ist Emotionsregulation:
• Das Wahrnehmen der Gefühle und Empfindungen im Körper, das heißt, Sie werden sich Ihrer Emotionen bewusst. Das ermöglicht es dem Gehirn, die Botschaft zu integrieren und eine weise Reaktionsentscheidung zu treffen, anstatt zuzulassen, dass Ihre Handlungen durch unbewusste Emotionen regiert werden.
• Die Verantwortung dafür zu übernehmen, sich selbst zu beruhigen, damit Sie in der entsprechenden Situation wie ein verantwortungsbewusster, freundlicher Erwachsener handeln können, anstatt Ihrem eigenen Tobsuchtsanfall nachzugeben.
• Die eigene Stimmung zu beobachten und sich selbst jede nötige Unterstützung zu geben, um Ihr allgemeines Wohlbefinden aufrechtzuerhalten, was beinhaltet, dass Sie intensive Emotionen bereits beim Entstehen oder möglichst kurz danach durcharbeiten.
Was Emotionsregulation nicht ist:
• Selbstbetäubung oder Unterdrückung Ihrer Emotionen. Das schlägt deswegen fehl, weil unterdrückte Emotionen nicht länger unter bewusster Kontrolle stehen und Sie entweder krank machen oder ungesteuert herausplatzen.
• Dem Kind die Schuld für Ihre Emotionen zuschieben.
• Gefühle vortäuschen, die Sie nicht haben, oder vorhandene Gefühle verleugnen. Kinder werden immer spüren, wie Sie sich wirklich fühlen. Entscheidend ist, dass Sie Ihre Gefühle anerkennen und die Verantwortung dafür übernehmen.
Wozu ich Sie ermutige, ist wirklich viel schwerer, als Ihre Gefühle wegzupacken. Nehmen Sie Ihren Ärger und andere Emotionen bewusst wahr, geben jedoch nicht dem daraus entstehenden Handlungsimpuls nach. Das bewusste Wahrnehmen Ihrer Erfahrung, ohne sofort unmittelbar zu reagieren, nennt man »Achtsamkeit«.
Achtsamkeit hilft Ihnen dabei, Ihre Tobsuchtsanfälle bereits vor dem Entstehen zu entschärfen. Vielleicht werden Sie sich sagen hören: »Wenn mein Kind aufmüpfig ist und sagt: ›Ich hasse dich, Mami!‹, dann macht mich das verrückt– das bringt mich auf die Palme.« Wenn Sie das einfach nur beobachten können, dann haben Sie bereits die Fähigkeit, sich nicht zu vorschnellen Reaktionen hinreißen zu lassen, da Sie sich jetzt im Beobachtermodus befinden. Dieser verhilft Ihnen dazu, eine bewusste Reaktion zu wählen.
Ärger ist immer eine Botschaft, dass etwas nicht stimmt, dass etwas verändert werden muss – entweder außerhalb oder (öfter als wir es uns eingestehen) in uns selbst. Also müssen wir auf unseren Ärger hören, statt ihn einfach zu ignorieren. Doch wenn wir ärgerlich sind, interpretieren wir die Bedeutung des Ärgers oft so, als sollten wir dessen Überbringerin angreifen. Überdenken wir