MIND. Daniel Siegel

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MIND - Daniel Siegel

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könnte und würde er mit Sicherheit dem Gehirn im Kopf entspringen. Absolut. Aber wie könnte er und warum sollte er auf das Innere des Schädels beschränkt sein? Wenn der Energie- und Informationsfluss irgendwie die Quelle des Geistes ist, ist dieser Fluss nicht auf den Schädel beschränkt.

      Mit dieser breiteren Perspektive sagen wir nun, dass der Geist ganz und gar verkörpert ist, und nicht nur „eingschädelt“.

      Daher schlagen wir zumindest vor, dass das System, das den Geist entstehen lässt, ihn als einen Aspekt seiner selbst hat, als sein Grundelement den Energiefluss hat. Manchmal steht jene Energie für etwas anderes als sie selbst oder symbolisiert etwas anderes. In diesem Fall sagen wir, dass die Energie über Informationen verfügt. Daher ist etwas an dem Energie- und Informationsfluss, das für den Geist fundamental sein könnte.

      Obgleich es nicht der üblichen Sichtweise entspricht, können wir die Perspektive in Erwägung ziehen, dass der Geist auf grundlegende Art und Weise in Verbindung zum Energie- und Informationsfluss steht. Wie wir gesehen haben, wenn wir uns des Weiteren vorstellen, dass dieses Geist-System sich jenseits der Grenzen der Haut, jenseits eines einzelnen Schädels und sogar eines einzelnen Körpers erstreckt, zu einer Art verteilter Verarbeitung, bei der Geist auch aus unseren sozialen Verbindungen des untereinander geteilten Energie- und Informationsflusses entsteht, gewinnen wir eine viel breitere Einsicht in das, was die Essenz des Geistes sein könnte. Könnte man sich den Geist nicht eingebettet in unseren Verbindungen zu anderen und zu unserer Umgebung vorstellen, einen Geist, der nicht nur verkörpert, sondern auch relational ist? Von diesem Standpunkt aus betrachtet, ist der Geist sowohl ein total verkörperter als auch ein relational eingebetteter Prozess. Es ist nicht so, dass das Gehirn einfach nur auf soziale Signale von anderen antwortet; wir schlagen vor, dass der Geist innerhalb dieser Verbindungen wie auch innerhalb des Körpers selbst emergiert. Es sind diese sozialen und neuronalen Verbindungen, die sowohl die Quelle als auch der Former des Energie- und Informationsflusses sind.

      In der Terminologie von Systemen ausgedrückt, Energie wird nicht durch den Schädel oder die Haut begrenzt.

      Der verkörperte und eingebettete Energie- und Informationsfluss – nicht bloß der „eingeschädelte“ – deutet auf das breitere System hin, das wir als den Ursprung des Geistes vorschlagen. Wenn diese Sichtweise stimmt, dann könnten wir einfach behaupten, dass der Geist sowohl verkörpert als auch relational ist.

      Den Geist als relational zu betrachten, ist nicht neu, wie Soziologen und Anthropologen genauso wie Linguisten und Philosophen bestätigen werden. Doch wie können wir die soziale Sichtweise mit der neuronalen Sichtweise des Geistes kombinieren? Heutzutage würdigen auch die modernen sozialen Neurowissenschaftler die Kraft der Beziehungen. Doch selbst in dieser Sparte der Neurobiologie, die selbst ein Zweig der Biologie ist, wird der Geist häufig als Gehirnaktivität betrachtet, und das soziale Gehirn antwortet einfach auf soziale Stimuli – genauso wie das Gehirn auf Licht oder Klang aus der physischen Welt reagiert, indem es uns zu sehen und zu hören ermöglicht. Dieser häufig vertretenen Sichtweise zufolge reagiert das Gehirn einfach auf Reize außerhalb seiner selbst, ganz gleich, ob physischen oder sozialen Ursprungs. Aus dieser gegenwärtigen neurowissenschaftlichen Perspektive betrachtet, bleibt die Gehirnaktivität der Ursprung des Geistes.

      Hier ist der Vorschlag, den ich Ihnen unterbreiten möchte und den ich zumindest in Erwägung ziehe: Geist ist nicht nur das, was das Gehirn macht, nicht einmal das soziale Gehirn. Der Geist könnte etwas sein, das aus einer höheren Ebene eines funktionierenden Systems emergiert, und nicht einfach das, was im Inneren des Schädels geschieht. Die Grundelemente dieses Systems sind Energie- und Informationsfluss – und dieser Fluss findet in und zwischen uns und anderen und der Welt statt.

      Und so kamen wir zu der Vorstellung, dass die Verortung des Geist-Systems, das unsere Identität formt, nicht auf den Schädel und nicht auf die Grenzen der Haut begrenzt ist. Geist ist aus dieser Sicht sowohl ganz verkörpert als auch relational eingebettet.

      Dieses Geist-System besteht aus einem Energiefluss innerhalb eines komplexen Systems. Doch wie ist diese Emergenz aus komplexen Systemen verknüpft mit den Vorstellungen von Kausalität, freiem Willen, Wahl- und Entscheidungsmöglichkeit und Veränderung?

      Das Studium der Ursache-Wirkung-Beziehungen ermöglicht uns ein neues Verständnis und öffnet die Tür für neue Funktionsweisen in der Welt, einschließlich des Fliegens um diesen Planeten herum, wie ich es gerade in diesem Flugzeug tue, oder des Verlassens dieses Planeten um anderer Reiseziele willen. Der Zweig der Physik, der sich unmittelbar mit der Eigenschaft von Energie beschäftigt, der Bereich der Quantenmechanik, offenbart, wie sich die Realität aus einer Reihe von Wahrscheinlichkeiten zusammensetzt, und eben nicht aus absoluten Gewissheiten wie in der klassischen respektive der Newtonschen Physik. Sogar mit Hilfe dieser Entdeckungen der Quantenphysik weisen Studien eines Nicht-Lokalität oder [Quanten]Verschränkung genannten Prozesses einen Weg auf, wie wir Elektronen sich hier drehen lassen und sie dazu bringen können, nahezu unverzüglich an einen entfernten Ort zu wechseln. Ist das kausal? Manche würden „ja“ sagen, andere würden einfach sagen, dass diese Entdeckung, nun sogar der breiten Masse verständlich, offenbart, wie eng die Dinge miteinander verbunden sind, obwohl wir ihre Verbindungen nicht sehen können. Man kann sehen, dass Dinge ursächliche Einflüsse haben können, wenn sie alle miteinander verbunden sind. Beeinflussen Sie ein Element hier und ein Element dort wird genauso beeinflusst.

      Der Geist kann als etwas betrachtet werden, das das Gehirn dazu veranlasst, auf bestimmte Arten und Weisen zu feuern. Wir können auch erkennen, dass das Gehirn den Geist dazu bringen kann, sich in einem besonderen Muster zu entfalten. Geist und Gehirn könnten miteinander verbunden sein und sich gegenseitig beeinflussen. Zumindest können wir erkennen, dass aufgeschlossen zu bleiben im Hinblick auf die Richtung der Kausalität und die Tatsache, dass sich diese Einflussrichtung verändern kann, äußerst wichtig ist. Miteinander verbundene Dinge beeinflussen sich wechselweise.

      Am Beispiel des Fliegens können wir sehen, dass die Schwerkraft – die selbst nicht ganz verstanden wird – die Ursache von Kräften ist, die kleinere Objekte dazu veranlasst, sich auf größere Objekte wie die Erde zuzubewegen. Ich befinde mich hier oben in diesem Flugzeug aufgrund von Kräften und strukturellen Eigenschaften der Form der Flügel, die es den Düsen ermöglichen, das Flugzeug voranzutreiben, während sie es gleichzeitig emporheben, indem sie mehr Druck unter den Flügeln als über ihnen schaffen, zu unserem Glück. Dies ist die Modalität, wie unterschiedliche Luftdrucke über und unter den Flügeln das Fliegen dieses Flugzeugs ursächlich beeinflussen. Erstaunlicherweise war es der menschliche Geist, der dies alles herausgefunden hat.

      Der menschliche Geist hat desgleichen entdeckt, dass die Schwerkraft, wie die Geschwindigkeit, relationale Prozesse – genannt Zeit – verändert. Kein Witz! Sowohl die Gravitationskräfte als auch die Geschwindigkeit verändern die relative Natur der Zeit. Das allein ist erstaunlich. Die Tatsache, dass die Neugier und das kreative Denken des menschlichen Geistes zu derart schwer zu verstehenden Entdeckungen fähig sind, ist atemberaubend. Was der menschliche Geist alles bewirken kann!

      Das Gleiche gilt für die Art und Weise, wie unser stets neugieriger Intellekt unser Verständnis komplexer Systeme ermöglicht hat. Aber im Fall komplexer Systeme könnte die Anwendung von Kausalität in einem linearen Sinne wie bei der Schwerkraft und der Geschwindigkeit nicht wirklich funktionieren. Um ein Beispiel zu nennen, eine Wolke am Himmel ist ein komplexes System, bestehend aus seinen Grundelementen, Luft- und Wassermolekülen. Eine Wolke ist komplex, weil sie den drei Kriterien – offen für Einflüsse außerhalb ihrer selbst zu sein, potenziell chaotisch und nicht linear zu sein – entspricht. Wolken werden von Wind und Sonne und verdampfendem Wasser in einer offenen Art und Weise geformt; die Wassermoleküle könnten zufällig verteilt werden; kleine Inputs führen zu großen und kaum vorhersagbaren Ergebnissen.

      Die prachtvollen und sich ständig verändernden Formen einer Wolke sind das Ergebnis der selbstorganisierenden, emergenten Eigenschaft dieses komplexen Systems aus Luft-

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