MIND. Daniel Siegel

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vielleicht sogar definieren können.

      Das Nervensystem besitzt einen Aspekt, der innerhalb des Schädels liegt – das, was wir einfach das Gehirn nennen. Die Verteilung der neuronalen Aktivität innerhalb des Schädels ist durch Verbindungsstücke unter den weit auseinanderliegenden Regionen im Gehirn miteinander verknüpft. Die individuellen Zellen, die Neuronen, und die unterstützenden Gliazellen sind selbst von Membranen umhüllte Mikrosysteme. Doch selbst diese Nervenzellen sind offen, miteinander verknüpft und mit den anderen Zellen des Körpers verflochten, nah und fern. Nuclei genannte Zellhaufen verbinden sich, um Zentren zu bilden, und Zentren können Teil größerer Regionen sein. Einige Neuronen dienen dazu, entfernte Nuclei, Zentren und Regionen untereinander zu verbinden, und bilden Schaltkreise. Und diese verschieden großen Zellhaufen von Neuronen können innerhalb der beiden Gehirnhälften miteinander verbunden sein.

      Und so besteht das Nervensystem, vom Miko- bis zum Makrobereich, aus Schichten miteinander agierender Komponenten, die selbst offene Subsysteme sind, die ihre Strukturen und Funktionen in ein größeres, offenes System einbetten. Eine derartige Zusammenschaltung, heute das Konnektom2 genannt, offenbart, wie das Gehirn im Kopf selbst ein System ist, bestehend aus vielen miteinander verknüpften Teilen, und wie sie miteinander funktionieren. Dieses Kopf-Gehirn ist mit dem Rest des Nervensystems und Körpers als Ganzem verbunden. Wir sind sogar im Begriff, zu lernen, wie die Bakterienzellen in unseren Gedärmen, unser Mikrobiom3, unmittelbar die Art und Weise beeinflusst, wie die Neuronen im Kopf, unser Gehirn, in unserem Alltagsleben funktionieren.

      Doch welche verschiedenartigen Dinge auch immer dieses neuronale Feuern formen, was macht die Gehirnaktivität tatsächlich aus? Wenn wir auf die Zellebene hinuntergehen, was passiert, wenn Neuronen feuern – die Basis dessen, was einige für den einzigen Ursprung des Geistes halten? Was macht diese zelluläre Teilmenge des Nervensystems, selbst eine Teilmenge des physiologischen Systems des Körpers, das Körpersystem, tatsächlich? Neuronale Aktivität, sagen Sie. Gut. Aber was heißt neuronales Feuern wirklich?

      Was wir zu diesem Zeitpunkt für die essenzielle Natur der neuronalen Aktivität halten, ist, dass die Basiszellen, die Neuronen, aktiv sind und sich durch den Fluss von Energie in Gestalt elektrochemischer Energieumwandlungen untereinander verbinden. Ob dies auf der Membranebene mit Hilfe eines so genannten Aktionspotenzials oder eines Energieprozesses innerhalb der Mikrotubuli4 tief im Innern der Neuronen selbst geschieht, es findet irgendein Energiewechsel auf den zellulären und subzellulären Ebenen statt. Ein Aktionspotenzial ist die Bewegung geladener Teilchen, Ionen genannt, in und aus der Zellmembran. Wenn dieser Fluss, das Äquivalent einer elektrischen Ladung, das lange Ende des Axons5 erreicht, wird eine chemische Neurotransmitter genannte Substanz in die Synapse, den Raum zwischen zwei verbundenen Neuronen, ausgeschüttet. Dieses Molekül funktioniert wie ein Schlüssel und wird vom Schloss eines Rezeptors der Membran des nachgeschalteten Neurons, am Dendriten oder Zellkörper, aufgenommen, um das Einsetzen eines Aktionspotenzials dieses empfangenden, postsynaptischen Neurons zu aktivieren oder zu verhindern. Es gibt wahrscheinlich noch sehr viele andere zu studierende Prozesse, und zwar sowohl auf der Membranebene als auch in den Bestandteilen der Neuronen und anderen Zellen selbst. Doch zu diesem Zeitpunkt gehen wir im Allgemeinen davon aus, dass die Gehirnaktivität eine Form des Energieflusses ist, die wir als elektrochemische Energie bezeichnen können. Wir können diese Gehirnaktivität mit Magneten und elektrischen Geräten messen; und wir können diese Aktivität mit Hilfe von Magneten und elektrischen Reizen beeinflussen. Dieser Energiefluss ist real und messbar.

      Zumindest können wir sagen, dass die Gehirnaktivität mit dem Energiefluss assoziiert ist.

      Wenn diese Muster des Energieflusses etwas symbolisieren, können wir diese Informationen nennen. In der Gehirnterminologie verwenden Wissenschaftler die Worte neuronale Repräsentation, um ein Muster eines neuronalen Feuerns zu bezeichnen, das für etwas anderes als für sich selbst steht. Wie wir gesehen haben, ist dies eine „Re-präsentation“ von etwas anderem als von dem, was ursprünglich präsentiert wurde. Für den Geist gebrauchen wir den Begriff mentale Repräsentation. Der einfachste Weg, zu beschreiben, aus was die Aktivität des Gehirnes besteht, ist dieser: der Fluss von Energie und Informationen.

      Wie diese Gehirnaktivität, dieses neuronale Feuern, zu Ihrer subjektiven mentalen Erfahrung wird, weiß niemand. Wie wir erwähnt haben, ist dies das große Unbekannte für uns Menschen, ein nicht oft diskutiertes Unbekanntes. Die Annahme lautet, dass wir eines Tages herausfinden können, wie die Gehirnaktivität den Geist entstehen lässt, aber zum jetzigen Zeitpunkt sollte dies lediglich als bloße Vermutung angesehen werden. Doch gibt es überzeugende Belege dafür, dass jenes Feuern des Gehirnes irgendwie mit dem Bewusstsein und unseren subjektiven Erfahrungen von Gefühlen und Gedanken, mit unbewusster Informationsverarbeitung unterhalb des Gewahrseins und sogar mit unserem objektiven Sprachvermögen und anderen äußerlich sichtbaren Verhaltensweisen in Verbindung steht.

      Vorausgesetzt, dass Gehirnaktivität tatsächlich Energiefluss ist, wie wir es gerade beschrieben haben, lassen Sie uns sehen, ob wir mit dieser wissenschaftlichen Entdeckung beginnen können und unseren Weg hin zu unserem Vorschlag einer breiteren Sichtweise des Geistes logisch untermauern können. Lassen Sie uns annehmen, dass sie etwas mit dem Energiefluss zu tun hat, der die Emergenz des mentalen Lebens entstehen lässt, sie ermöglicht, verursacht oder erleichtert. Das ist eine große Vermutung, aber auch ein verbreiteter Glaube, doch lassen Sie es uns eine Weile lang ausprobieren und sehen, wie es funktioniert. Es ist der Standpunkt moderner Wissenschaft. Neuronales Feuern führt zu Geist. Lassen Sie es uns klar und deutlich sagen, auch auf die Gefahr hin, redundant zu sein: Niemand hat nachgewiesen, wie das physikalische Geschehen des Energieflusses und die mentale subjektive Erfahrung gelebten Lebens miteinander in Verbindung stehen. Niemand. Viele Forscher glauben, sie seien im Begriff, es zu tun, und es könnte absolut wahr sein, aber niemand weiß mit Sicherheit, wie dies geschieht. Was moderne Wissenschaft zu tun scheint, besteht darin, den Prozess „neuronale Aktivität lässt Geist entstehen“ auf das zu beschränken, was im Kopf vor sich geht. Lassen Sie uns die Annahme, dass der Kopf eine Monopolstellung bei der Entstehung des Geistes hat, in den Blick nehmen.

      Als Teil des weiteren Nervensystems fließen Energie und Informationen nicht nur durch den Kopf, sondern auch durch den gesamten Körper. Das parallel verteilte Verarbeitungssystem (PDP)6 spinnennetzartig miteinander verbundener Schaltkreise im Kopf ist mit neuronalen Netzwerken verknüpft, die im ganzen Körper, innerhalb des komplexen autonomen Nervensystems und seiner sympathischen und parasympathischen Zweige, im intrisischen Nervensystem des Herzens und vielleicht sogar im komplexen neuronalen Systems der Gedärme (Mayer, 2011) verteilt sind. Studien zeigen beispielsweise, dass unsere Gedärme über Neurotransmitter wie Serotonin verfügen, die, zusammen mit dem Mikrobiom von Organismen, die diese innere Verdauungsröhre bewohnen, direkt unsere Gesundheit und unsere mentalen respektive psychischen Zustände beeinflussen – unsere Gedanken, Gefühle, Absichten und sogar Verhaltensweisen – wie das, was wir essen möchten (Bauer et. Al., 2015; Bharwani et al., 2016; Dinan et al., Moloney et al., 2015; Perlmutter, 2015).

      Eine Frage, die wir sodann natürlich in Betracht ziehen können, ist folgende: Wenn das System, das den Geist entstehen lässt, wie von vielen modernen Wissenschaftlern vorgeschlagen wird, mit diesem verteilten Energiefluss neuronaler Aktivität des Gehirnes im Kopf (irgendwie) verbunden ist, warum könnte ein breiterer und fundamentalerer Prozess eines „Energiefluss lässt den Geiste entstehen“ nicht das gesamte Nervensystem umfassen? Wenn Geist, auf noch zu bestimmende Arten und Weisen, ein Produkt, ein Merkmal oder ein Aspekt des Energieflusses ist, warum sollte der Prozess des Geistes als ein aus diesem Fluss emergierender auf den Schädel oder sogar das Nervensystem beschränkt sein, wenn dieser Fluss an Orten jenseits des Kopfes und sogar jenseits unserer neuronalen Verbindungen stattfindet? Was würde den Kopf zur einzigen Quelle des Geistes machen? Könnte dieser Energiefluss-zum-Geist nicht das gesamte Nervensystem umfassen? Und könnte und würde dieser Fluss nicht auch verschiedene andere Körperregionen einschließen? Warum sollte – oder wie könnte – dieses System aus Energie- und Informationsfluss auf die Innenseite des Schädels beschränkt

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