MIND. Daniel Siegel
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Wir können auch jenseits der Primrealität von Subjektivität und vielleicht von Bewusstsein selbst gehen und nach der Informationsverarbeitung unseres Denkens, Erinnerns oder wertenden emotionalen Lebens fragen. Was stellen diese mentalen Aktivitäten dar?
Wenn ich Sie bitte, mir zu sagen, was beispielsweise ein Gedanke ist, könnten Sie es als schwierig empfinden, genau auszudrücken, aus was diese häufig auftretende mentale Aktivität besteht. Das Gleiche könnte geschehen, wenn Sie ein Gefühl betrachten und zu sagen versuchen, was es mit diesem auf sich hat. Was eine Emotion wirklich ist, weiß im Grunde niemand. Es gibt viele Beschreibungen dessen, was ein Gedanke oder ein Gefühl umfasst, publiziert in einer Überfülle von Büchern und Aufsätzen, doch selbst wenn Sie diese anspruchsvollen wissenschaftlichen, philosophischen und kontemplativen Sichtweisen berücksichtigen oder dies direkt mit ihren Autoren diskutieren, bleibt die Kernessenz von Gedanken und Gefühlen, meiner Ansicht nach, recht schwer zu fassen.
Wir könnten zumindest etwas Spezifischeres über den Geist sagen, und zwar im Sinne subjektiv erfahrener Muster eines Energieflusses, die manchmal Informationen enthalten. Das ist ein sehr guter Ausgangspunkt, da wir damit beginnen können, den Energie- und Informationsfluss als den Ursprung des Geistes ausfindig zu machen und seine Verortung sowohl innerhalb des Gehirnes als auch an anderen Stellen anzusetzen.
Wir haben ein Gehirn im Körper, ein verkörpertes Gehirn. Wir haben auch Beziehungen zu anderen Menschen und zum Planeten, unsere relationale Realität, und wir haben einen Energie- und Informationsfluss in uns (durch die Mechanismen des Körpers, einschließlich seines Gehirnes) und zwischen uns (in unserer Kommunikation innerhalb von Beziehungen).
Großartig. So klären wir das Grundelement (Energie- und Informationsfluss) und die Verortung (innerhalb und zwischen) eines möglichen Systems des Geistes. Wir beginnen Aspekte des Was und Wer des Geistes stärker zu beleuchten.
Dies ist, ich weiß, nicht die Art und Weise, in der Menschen oft über ihr Leben schreiben oder sprechen. Die Vorstellung, dass sich etwas sowohl in uns als auch zwischen uns befindet, zwei Orte zugleich, könnte seltsam, nicht eingängig und sogar schlichtweg falsch erscheinen. Als ich mich darauf vorbereitete, diese Sichtweise der Gruppe von 40 im Herbst 1992 vorzustellen, beunruhigte es mich, dass diese Sichtweise seltsam und unbegründet erscheinen würde. Doch lassen Sie uns ein paar der Implikationen dieser Ideen erkunden und sehen, wohin sie uns führen.
Wenn dieses verkörperte und relationale System aus Energie- und Informationsfluss die Quelle des Geistes ist, was genau könnte der Geist innerhalb dieses Systems sein? Ja, wir gehen davon aus, dass das System aus Energie und Informationen besteht, und diese verändern sich mit der Zeit, dem Raum und der Wahrscheinlichkeitsverteilung oder in einer anderen fundamentalen Art und Weise. Dieser Wandel, diese Veränderung wird Fluss genannt. Und wir schlagen vor, dass dieser Fluss sowohl innen als auch zwischen stattfindet.
So sind wir näher dran. die mögliche Grundlage des Was und Wo des Geistes zu erhellen.
Doch was könnte der Geist tatsächlich innerhalb dieses Systems sein? Vielleicht sind unsere mentalen Aktivitäten einfach Primrealitäten des Energie- und Informationsflusses, wie sie sich in und zwischen uns entfalten. Dergestalt ist das System selbst die Quelle des Geistes. Doch jenseits der Geistesaktivitäten wie etwa in Gestalt von Gefühlen, Gedanken und Verhaltensweisen, jenseits der Informationsverarbeitung und jenseits des Bewusstseins und seiner Primrealität subjektiv gefühlter Strukturen könnte der Geist auch mehr umfassen? Könnte eine Definition des Geistes als etwas, das mit einem Energie- und Informationsfluss zu tun hat, jenseits dieser üblichen Beschreibungen formuliert werden?
Um diese grundlegenden Fragen anzugehen, müssen wir die Natur dieses Systems analysieren, von dem wir ausgehen, dass es den Geist entstehen lassen könnte.
Das System des Energie- und Informationsflusses in und zwischen uns verfügt über drei Eigenschaften: 1) Es ist offen für Einflüsse außerhalb seines selbst; 2) Es kann chaotisch, bedeutsam, unbestimmt und in seiner Entfaltung zufällig sein; und 3) Es ist nicht-linear, was bedeutet, dass kleine Inputs zu großen, nicht leicht vorhersagbaren Ergebnissen führen. Diese drei Kriterien ermöglichen es Mathematikern, für einige insbesondere das dritte, ein System als komplex zu definieren; offen, potenziell chaotisch und nicht-linear.
Einige Menschen hören den Begriff komplex und werden nervös. Sie möchten verständlicherweise mehr Einfachheit in ihrem Leben haben. Aber kompliziert zu sein ist nicht das Gleiche wie komplex zu sein. Komplexität ist in vielerlei Hinsicht auf elegante Art und Weise einfach.
Wenn Sie über Ihr eigenes Leben, Ihre Innere Erfahrung und Ihre relationalen Welten nachdenken, bemerken Sie, dass diese drei Charakteristika gegenwärtig sind? Während des Spaziergangs am Strand dachte ich über mein eigenes Leben nach, über die Erfahrung des Geistes und stellte mir vor, wie offen, potenziell chaotisch und nicht-linear es gewesen war. Wenn Sie auch so fühlen, dann könnten Sie die sich ergebende Schlussfolgerung verstehen und vielleicht sogar die Aufregung, sagen zu können, dass der Geist ein Aspekt eines komplexen Systems ist.
Große Sache. Doch warum sollte sich jemand darum kümmern?
Nun, die Bedeutung dieser Sichtweise beruht auf den Implikationen, die sich mit den folgenden Fakten und der induktiven Schlussfolgerung ergeben. Ein System besteht aus interagierenden Grundelementen. Eine Eigenschaft komplexer Systeme besteht darin, dass sie über emergente Eigenschaften verfügen – Aspekte des Systems, die sich einfach aus der Interaktion von Elementen des Systems ergeben. In diesem Fall des Systems des Geistes sind die Elemente, die wir als die Grundzüge, die Essenz dieses Systems, vorschlagen, Energie und Information. Die Modalitäten, in denen diese Elemente interagieren, werden im Energie- und Informationsfluss offenbar. Das ist das Was des Geistes, zum Teil. Und das Wo? In uns – innerhalb des Körpers als einem Ganzen, nicht nur im Kopf – und zwischen uns – in unseren Beziehungen zu anderen Menschen und zu unserer Umgebung, zur Welt.
In Ordnung, das ist das Wo und das Was zum Teil – etwas, das auf natürliche Art und Weise aus dem Energie- und Informationsfluss innen und zwischen entsteht.
Gut. Als Nächstes sehen wir, dass eine emergente Eigenschaft komplexer Systeme einen faszinierenden Namen hat: Selbstorganisation. Direkt aus der Mathematik kommend, ist der Prozess der Selbstorganisation die Art und Weise, in der ein komplexes System sein eigenes Werden reguliert. Mit anderen Worten, das Entstehen aus einem System (der emergente Aspekt) ist eine Art Prozess, der in einer rekursiven, selbstverstärkenden Manier seine eigene Entfaltung (Selbstorganisation) organisiert.
Wenn sich das nicht eingängig anfühlt, sind Sie nicht allein. Was das bedeutet, ist, dass etwas entsteht, das zurückkehrt und das reguliert, aus dem es entstanden ist. Das ist der emergente, selbstorganisierende Aspekt eines komplexen Systems.
Ich fragte mich, was wäre, wenn der Geist die selbstorganisierende Fähigkeit des Energie- und Informationsflusses wäre, während er sich in und zwischen uns entfaltet?
Andere hatten das Gehirn als ein selbstorganisierendes System beschrieben, aber was wäre, wenn der Geist nicht bloß auf das Gehirn beschränkt wäre? Einige Denker haben den Geist als verkörpert beschrieben (Varela, Thompson & Rosch, 1991). Doch was wäre, wenn der Geist nicht ganz, nicht vollständig verkörpert wäre, sondern auch ganz, vollständig relational? Was wäre, wenn das ganze System nicht auf den Schädel beschränkt, nicht einmal von Haut begrenzt wäre? Könnte jenes System