MIND. Daniel Siegel

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MIND - Daniel Siegel

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erscheint, irgendwie verbunden ist mit den interpersonellen Interaktionen zwischen Eltern und Kind, die das Wachstum und die Entwicklung des Kindes erleichtern, einen Prozess, den wir als „sichere Bindung“ bezeichnen.

       Foto von Lars Ohlckers

      Ich hatte gelernt, dass Erzählen ein sozialer Prozess war, etwas zwischen den Menschen Stattfindendes. Diese Geschichten waren es, die uns in Zweierbeziehungen, Familien und Gemeinschaften miteinander verbanden. Ich fragte mich, welche anderen Elemente des Geistes jenseits der Geschichten – unsere Gefühle, Gedanken, Absichten, Hoffnungen, Träume und Erinnerungen – auch zutiefst relational waren.

      Zu jener Zeit traf ich auf Menschen, mit denen ich ständig Gespräche und Verbindungen pflegen sollte, die den formen sollten, zu dem ich wurde. Die Psychologen Louis Cozolino, Bonnie Goldstein, Allan Schore und Marion Solomon wurden zu engen Kollegen und Freunden, und ich ahnte gar nicht, dass unsere Leben sogar bis auf den heutigen Tag in stimulierender und lohnender Weise miteinander verflochten bleiben würden, nun ein Vierteljahrhundert später. Meine Beziehungen zu ihnen und vielen anderen Individuen auf diesem Weg wurden zu einem Teil der Geschichte dessen, der ich war. Ich ahnte gar nicht, dass dieses Jahrzehnt auch dem Leben dreier meiner wichtigsten Lehrer, die meine berufliche Entwicklung geformt hatten, ein Ende setzen würde: Robert Stoller, Tom Whitfield und Dennis Cantwell. Mit Lehrern und Kollegen, Freunden und Familie gehen wir Verbindungen ein, die uns tief verwandeln. Beziehungen sind der Schmelztiegel, in dem sich unser Leben entfaltet, da sie unsere Lebensgeschichte formen, unsere Identität prägen und uns zu der Erfahrung dessen führen, der wir sind, und uns dazu befreien oder einengen, der wir werden können.

      Obgleich mir auf der Hochschule für Medizin ein Jahrzehnt zuvor beigebracht wurde, dass der Körper einer Person die Quelle von Krankheit und das Zielobjekt unserer Interventionen wäre, schien der menschliche Geist irgendwie über den Körper hinauszureichen. Diese tief gehenden Lektionen über die Bedeutung und soziale Natur individueller Lebensgeschichten bestätigten die Tatsache, dass eine überaus wichtige Quelle von Bedeutung in unserem Leben – (die Geschichten, die uns miteinander verbinden, helfen uns, einer Erfahrung Sinn abzugewinnen, und befähigen uns dazu, voneinander zu lernen) – tief in einem Zwischenbereich unseres relationalen Lebens verortet war.

      Sicherlich würden diese Elemente des Geistes auch mit der Gehirnfunktion in Verbindung stehen – diese Verbindung war etwas, das wir in der Neurologie seit über einem Jahrhundert kannten, doch dank rezenter Fortschritte auf dem Gebiet der Bildgebungstechnologie des Gehirnes wurde es stärker beleuchtet und verfeinert. Trotzdem bedeutet, abhängig vom Gehirn zu sein, nicht, auf das Gehirn allein beschränkt zu sein, noch bedeutet es, dass der Geist das Gleiche wie Gehirnaktivität ist, wie wir gesehen haben.

      So entgegnete ich Professor Bruner während meiner Abschlusspräsentation für das Seminar, dass ich daran interessiert wäre, zu wissen, wie die neuronalen Prozesse in den Gehirnen von Menschen, die in einer Beziehung zueinander stehen, zur sozialen Natur der Lebensgeschichte beitrugen. Er winkte nur ab mit einem Blick der Frustration und vielleicht auch Verwirrung. Ich verstand dann, dass die Überbrückung von Disziplinen – neuronal und sozial – nicht so einfach zu bewerkstelligen war.

      Später hatte ich gelernt, dass der Begriff der Konsilienz1 dazu verwendet werden konnte, einen Prozess zu identifizieren, bei dem wir die universellen Entdeckungen quer durch oftmals voneinander unabhängige Disziplinen machen (Wilson, 1998). Ich schien, ohne diesen Begriff zu kennen, auf der Suche zu sein, Konsilienz beim Verständnis des Geistes zu finden.

      Doch selbst wenn diese Disziplinen und ihre Befürworter keine Schnittmenge finden konnten, war die Realität vielleicht selbst von einer solchen Konsilienz erfüllt. Vielleicht waren „neuronal“ und „sozial“ Teile eines grundlegenden Prozesses – nicht nur soziale Stimuli, die das Gehirn beeinflussen wie Lichtreize den Sehnerv beeinflussen, sondern ein fundamentaler Fluss von etwas. Aber was konnte dieses Etwas real sein, etwas, das beispielsweise ein kollaboratives, verbindendes Gespräch zwischen einem Neurologen und einem Anthropologen erleichtern würde?

      In unserer neu gebildeten Gemeinschaft von 40 gab es keinen Konsens. Ohne eine Definition dessen, was Geist tatsächlich war, war es kurzum nur „Gehirnaktivität“. Es war schwer, zu einem gemeinsamen Verständnis der Beziehung zwischen Gehirn und Geist zu gelangen, geschweige denn einen Weg zu finden, effektiv und respektvoll miteinander zu kommunizieren.

      Die Gruppe schien kurz davor zu sein, sich aufzulösen.

      Mit dem Fokus auf Krankheitsmodelle psychischer Störungen in jenen Tagen des Diagnostic and Statistical Manual of Disorders, des DSM [dt. „Diagnostisch und statistischer Leitfaden psychischer Störungen“, kurz DSM, A.d.Ü.], nebst der zunehmenden Bedeutung pharmazeutischer Interventionen und den wissenschaftlichen Erklärungen, dass Geist lediglich ein Ergebnis des Gehirnes sei, wurde die Diskussion des Problems in unserer Studiengruppe ziemlich intensiv: War Geist nur Gehirnaktivität oder war er mehr?

      Die Gruppe war angesichts der Ermanglung einer gemeinsamen Sichtweise des Geistes in einen Stillstand geraten. Als Moderator der Gruppe, der mit jedem Einzelnen im Raum, den ich persönlich eingeladen hatte, in Verbindung stand, verspürte ich die dringende Notwendigkeit, etwas zu unternehmen, das diese nachdenklichen Menschen in die Lage versetzen könnte, besser miteinander zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten. Wenn die Gruppe sich weiterhin treffen sollte, musste etwas getan werden.

      Als Hochschulstudent 15 Jahre zuvor arbeitete ich in einem Biochemie-Labor, das nach einem Enzym forschte, das Lachse dazu befähigen könnte, aus dem Süßins Salzwasser zu wechseln. Nachts arbeitete ich bei einer Telefonseelsorge für Suizidgefährdete. Als Student der Biologie lernte ich, dass Enzyme unabdingbar für das Überleben waren; und als Freiwilliger auf dem Gebiet mentaler respektive psychischer Gesundheit lernte ich, dass die Natur emotionaler Kommunikation zwischen zwei Menschen während einer Krise den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen konnte.

      Ich fragte mich, ob Enzyme und Emotionen einen gemeinsamen Grund teilten, einen gemeinsamen Mechanismus für das Überleben des Lachses und den Suizid; konnten das Gehirn und die Beziehungen nicht auch über ein gemeinsames Element verfügen? Mit anderen Worten, wenn die molekularen Prozesse der Energieaktivierung, welche die Enzyme ermöglichten, den Fischen erlaubten, zu überleben, und wenn die emotionale Kommunikation zwischen zwei Menschen die Hoffnung lebendig erhalten konnte, könnte das Leben selbst vor irgendwelchen grundlegenden Transformationen abhängen, die von enzymatischen Energieprozessen und der Energie emotionaler Verbindungen geteilt wurden? Könnten sich das Gehirn und die Beziehungen nicht einen konsilienten Grund ihrer Essenz teilen? Könnten sie nicht zwei Aspekte eines Systems sein? Und könnte diese Essenz, die Gehirn und Beziehungen verknüpfte die Natur des Geistes offenbaren? Könnte es etwas in dieser Essenz geben, das jedes Gruppenmitglied umfassen könnte, um die Gruppe vor dem Implodieren aufgrund der Spannung und dem Mangel an gegenseitigem Verständnis und Respekt abzuhalten?

      Eine Woche nach unserem ersten Treffen begab ich mich auf einen sehr, sehr langen Spanziergang am Strand, richtete meinen Blick auf die Wellen am Strand, wo ich aufgewachsen war, wanderte die Küstenlinie der Bucht von Santa Monica auf und ab und stellte mir Fragen. Über jenen Ort nachzudenken, an dem das Meer auf das Land trifft und an dem ich mein Leben gelebt hatte, dort auf jenem Sandstrand, erfüllte mich mit einem Gefühl der Kontinuität, etwas, das Damals und Jetzt, Wasser und Land miteinander verknüpfte. Ich hatte den Eindruck, dass Wellen, Energiewellen, ein Element darstellten, das Gehirn und Beziehungen gemeinsam war. Wellen verändern sich ständig, entfalten sich in jedem Augenblick auf neu auftauchende Arten und Weisen, bilden Muster, die dynamisch sind – das heißt, dass sie aufsteigen und fallen, sich verändern, sich gegenseitig beeinflussen.

      Energiewellen tauchen als Muster auf, als Veränderungen des Energieflusses von

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