Du bist das Placebo. Джо Диспенза
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Die Knieoperation, die gar keine war
1996 publizierte der Orthopäde Bruce Moseley vom Baylor College of Medicine, einer von Houstons führenden Spezialisten für orthopädische Sportmedizin, eine klinische Fallstudie über seine Erfahrungen mit zehn freiwilligen Probanden – lauter Männer, die beim Militär waren und an einer Knie-Arthrose litten.5 Manche der Männer hinkten aufgrund der Schwere ihrer Erkrankung, gingen am Stock oder brauchten zum Laufen eine Gehhilfe.
Die Studie befasste sich mit den häufig durchgeführten arthroskopischen Eingriffen. Dem narkotisierten Patienten wird dabei über einen kleinen Schnitt ein faseroptisches Instrument, ein sogenanntes Arthroskop, für eine Gelenkspiegelung eingeführt. Damit schaut sich der Chirurg das Knie des Patienten genauer an. Während der OP kratzt und spült der Chirurg das Gelenk aus, um eventuell vorhandene Fragmente von degeneriertem Knorpelgewebe zu entfernen, die als Ursache für die Entzündung und die Schmerzen gelten. Zum Zeitpunkt der Studie unterzogen sich jährlich etwa eine Dreiviertelmillion Patienten einer solchen Operation.
Im Rahmen von Dr. Moseleys Studie sollte an zweien der zehn Männer eine Standardoperation ausgeführt werden, die sogenannte Wundausschneidung (dabei kratzt der Chirurg Knorpelstränge vom Kniegelenk). Drei der Versuchspersonen sollten eine Spülung erhalten (d.h. es wird Wasser unter Hochdruck in das Kniegelenk injiziert und verschlissenes arthritisches Gewebe ausgespült). An fünf Männern wurde eine Scheinoperation durchgeführt; dabei wurde die Haut mit einem Skalpell geschickt aufgeschnitten und dann einfach wieder zusammengenäht, ohne einen medizinischen Eingriff durchzuführen. Diese fünf Männer wurden weder mit dem Arthroskop untersucht, noch wurde ihr Gelenk ausgekratzt. Es wurden auch keine Knochenfragmente entfernt oder ausgewaschen – es wurde nur ein Schnitt getätigt und dann wieder zugenäht.
Bei allen zehn Probanden wurde anfangs gleich vorgegangen: Der Patient wurde im Rollstuhl in den Operationssaal gefahren und erhielt ein Narkosemittel, während Dr. Moseley sich die Hände schrubbte. Wenn der Chirurg dann den OP-Saal betrat, wartete dort ein versiegelter Umschlag auf ihn mit Informationen darüber, welcher der drei Gruppen der jeweilige Patient auf dem OP-Tisch randomisiert zugewiesen worden war. Erst wenn Dr. Moseley den Umschlag aufriss, wusste er, was darin stand. Vorher hatte er keine Ahnung.
Nach der Operation waren alle zehn Patienten laut eigenen Aussagen mobiler und hatten weniger Schmerzen. Den Männern, die »scheinoperiert« worden waren, ging es genauso gut wie den Patienten, die eine Wundausschneidung bzw. eine Spülung erhalten hatten. Selbst sechs Monate nach der OP unterschieden sich die Ergebnisse nicht. Und sechs Jahre später sagten zwei der Männer, an denen die Placebo-Operation ausgeführt worden war, sie könnten nach wie vor ganz normal und ohne Schmerzen laufen, seien mobiler und könnten all die alltäglichen Dinge tun, die sie vor der Operation sechs Jahre zuvor nicht mehr tun konnten.6 Sie hatten das Gefühl, sie hätten ihr Leben wiedergewonnen.
Dr. Moseley war von diesen Ergebnissen fasziniert und veröffentlichte 2002 eine weitere Studie mit 180 Patienten, die man zwei Jahre lang nach ihrer Operation begleitete.7 Und wieder zeigten sich bei allen drei Gruppen Besserungen; die Patienten konnten direkt nach der Operation schmerzfrei gehen und hinkten nicht mehr. Und wieder konnten bei den beiden Gruppen, die tatsächlich operiert worden waren, keine stärkeren Verbesserungen festgestellt werden als bei den Patienten, die scheinoperiert worden waren – selbst nach zwei Jahren war das noch der Fall.
Ging es diesen Patienten womöglich einfach deshalb besser, weil sie dem Können des Chirurgen, dem Krankenhaus und auch dem glänzenden, modernen Operationssaal vertrauten und fest daran glaubten? Stellten sie sich vielleicht ein Leben mit einem vollkommen gesunden Knie vor, ließen sich auf dieses potenzielle Resultat ein und liefen dann buchstäblich genau in dieses Potenzial hinein? War Dr. Moseley eigentlich nichts weiter als ein moderner Medizinmann in einem weißen Laborkittel? Und ist es möglich, solche Heilerfolge auch bei bedrohlicheren Krankheiten, zum Beispiel einer riskanten Herzoperation, zu erzielen?
Die Herzoperation, die keine war
Ende der 1950er-Jahre, lange vor der Entwicklung der heute üblichen koronaren Bypass-Operationen, führten zwei Forschergruppen Studien zum Vergleich der damals vielfach praktizierten Angina-Operation mit einer Placebo-Operation durch.8 Zu jener Zeit wurden die meisten Herzpatienten durch Ligatur einer Brustwandarterie behandelt, wobei die geschädigten Arterien freigelegt und dann gezielt abgebunden wurden, in der Meinung, ein so blockierter Blutfluss würde den Körper dazu veranlassen, neue Blutgefäße hervorzubringen und so den Blutfluss zum Herzen zu verstärken. Für die große Mehrheit der Patienten war das eine sehr erfolgreiche Operation; sie ließen sich auf diese Weise behandeln, obwohl es medizinisch keinen handfesten Beweis für die Bildung neuer Blutgefäße gab – das war auch der Grund für die oben genannten Vergleichsstudien.
Beide Forschergruppen, eine in Kansas City und eine in Seattle, gingen gleich vor: Sie teilten die Probanden in zwei Gruppen auf, von denen eine mit der standardmäßigen Ligatur der Brustwandarterie und die andere mit einer Scheinoperation behandelt wurde. Dabei wurden den Patienten die gleichen kleinen Einschnitte in der Brust wie bei der richtigen OP zugefügt und die Arterien freigelegt; doch danach wurden sie ohne irgendwelche weitere Behandlung einfach wieder zugenäht.
Beide Studien kamen zu auffallend ähnlichen Resultaten: 67 Prozent der Patienten, die tatsächlich operiert worden waren, hatten nicht mehr so starke Schmerzen und brauchten weniger Medikamente – ebenso wie 83 Prozent der scheinoperierten Patienten. Die Placebo-OP war also tatsächlich sogar erfolgreicher als die wirkliche Operation!
Glaubten die scheinoperierten Patienten womöglich so fest an eine Besserung, dass es ihnen wirklich besser ging – nur indem sie etwas erwarteten, das für sie dem bestmöglichen Resultat entsprach? Und wenn das möglich ist: Was sagt das über die Auswirkungen unserer positiven wie negativen alltäglichen Gedanken auf unseren Körper und unsere Gesundheit aus?
Die Einstellung ist alles
Wie Unmengen an Forschungsarbeiten inzwischen belegen, wirkt sich unsere Einstellung tatsächlich auf unsere Gesundheit und sogar auf unsere Lebenserwartung aus. 2002 veröffentlichte beispielsweise die Mayo-Klinik eine Studie, bei der 447 Probanden über 30 Jahre lang begleitet wurden und die aufzeigte, dass Optimisten sowohl körperlich als auch geistig gesünder waren.9 Der Begriff Optimist leitet sich von lateinisch »optimum«, deutsch »das Beste«, ab. Optimisten beschäftigen sich also vermutlich mit dem besten Zukunftsszenario. Der Studie zufolge hatten sie aufgrund ihres körperlichen und geistigen Befindens meistens weniger Probleme mit ihrem Alltag, litten seltener unter Schmerzen, fühlten sich energiegeladener, hatten es im sozialen Leben einfacher und fühlten sich glücklicher, ruhiger und mehr im Frieden. Diese Studie kam direkt nach einer anderen Studie der Mayo-Klinik heraus, welche über 800 Menschen 30 Jahre lang begleitet hatte und nachwies, dass Optimisten länger leben als Pessimisten.10
Forscher der Yale-Universität begleiteten bis zu 23 Jahre lang 660 Menschen im Alter von 50 Jahren und älter. Ihre Erkenntnis: Diejenigen mit einer positiven Einstellung zum Älterwerden lebten über sieben Jahre länger als jene, die das Altern eher negativ betrachteten.11 Die Einstellung hatte auf die Langlebigkeit mehr Einfluss als der Blutdruck, der Cholesterinspiegel, Rauchen, Körpergewicht oder sportliche Betätigung.
Andere Studien konzentrierten sich speziell auf den Zusammenhang zwischen Einstellung und der Gesundheit des Herzens. Ungefähr zur selben Zeit berichtete eine Studie der Duke University, an der 866 Herzpatienten teilnahmen, dass diejenigen, die normalerweise eher positive Emotionen verspürten, eine um 20 Prozent höhere Chance hatten, weitere elf Jahre zu leben, als diejenigen, die gewohnheitsmäßig eher negative Emotionen