Du bist das Placebo. Джо Диспенза
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Bei ihrem ersten Besuch im Institut wurde Schonfeld von einem Techniker an einen Elektroenzephalografen (EEG) angeschlossen, um circa 45 Minuten lang ihre Gehirnwellenaktivitäten zu überwachen und aufzuzeichnen. Kurz darauf verließ Schonfeld das Institut mit einem Fläschchen voller Pillen aus der Krankenhausapotheke. Wie sie wusste, sollte etwa die Hälfte der Versuchsgruppe, bestehend aus 51 Probanden, das Medikament erhalten und die andere Hälfte ein Placebo. Weder sie noch die für die Studie zuständigen Ärzte wussten, welcher der beiden Gruppen sie zugeordnet worden war; das würde erst nach Abschluss der Studie bekannt gegeben werden. Doch Schonfeld war zu diesem Zeitpunkt vor allem aufgeregt und hoffte auf Unterstützung in ihrem jahrzehntelangen Kampf gegen die Depressionen, die sie manchmal plötzlich und scheinbar grundlos in Tränen ausbrechen ließen.
Schonfeld erklärte sich bereit, während der acht Wochen andauernden Studie einmal wöchentlich ins Institut zu kommen, Fragen über ihr Befinden zu beantworten und sich ein paarmal erneut an das EEG anschließen zu lassen. Schon kurz nachdem sie mit der Einnahme der Pillen begonnen hatte, fühlte Schonfeld das erste Mal in ihrem Leben dramatische Verbesserungen ihres Befindens. Ihr war zwar auch übel, aber das war gut so, denn wie sie wusste, war Übelkeit eine der üblichen Nebenwirkungen des Testmedikaments. Sie dachte, angesichts der Besserung ihrer Depressionen und der Nebenwirkungen habe sie ganz bestimmt die wirksame Droge erhalten. Sogar die Krankenschwester, mit der sie bei ihren wöchentlichen Besuchen sprach, war wegen der Veränderungen überzeugt, Schonfeld nehme das echte Medikament ein.
Doch nach Abschluss der achtwöchigen Studie rückte einer der Forscher mit der schockierenden Wahrheit heraus: Schonfeld, die nicht mehr suizidgefährdet war und sich nach Einnahme der Pillen wie ein neuer Mensch fühlte, war in der Placebo-Gruppe gewesen. Schonfeld war platt. Der Arzt musste sich ganz bestimmt getäuscht haben. Sie konnte einfach nicht glauben, dass sie dem jahrelangen Würgegriff der Depressionen durch die Einnahme von Zuckerpillen entkommen war und sich so viel besser fühlte. Und sogar die Nebenwirkungen waren zutage getreten! Es musste einfach eine Verwechslung sein. Sie bat den Arzt, die Unterlagen noch einmal zu überprüfen. Mit einem gutmütigen Lachen versicherte er ihr: In dem Fläschchen, das sie mit nach Hause genommen und das ihr ihr Leben wiedergegeben hatte, waren lediglich Placebo-Pillen gewesen.
Schockiert saß sie da; der Arzt versichert ihr: Auch wenn sie kein wirksames Medikament eingenommen hatte, bedeutete das keineswegs, dass sie sich ihre depressiven Symptome und deren Besserung nur eingebildet habe. Die Besserung ihres Zustands war lediglich nicht auf Effexor zurückzuführen.
Und sie war nicht die Einzige: Laut den Studienergebnissen fühlten sich 38 Prozent der Placebo-Gruppe besser, verglichen mit 52 Prozent der Gruppe, die tatsächlich Effexor eingenommen hatten. Doch auch den Forschern stand eine Überraschung bevor: Wie die Auswertung der restlichen Daten offenbarte, hatten sich Patienten wie Schonfeld, deren Depression sich durch das Placebo gebessert hatte, dieses Gefühl keineswegs nur eingebildet; ihre Gehirnwellenmuster hatten sich verändert. Die EEG-Aufzeichnungen während der klinischen Studie zeigten eine signifikant erhöhte Aktivität im präfrontalen Kortex, welche bei Patienten mit Depressionen normalerweise sehr niedrig ist.3
Der Placebo-Effekt hatte also nicht nur Schonfelds Geist verändert, sondern auch echte physische, biologische Veränderungen bewirkt. Anders ausgedrückt, fand die Veränderung nicht nur in ihrem Geist, sondern auch in ihrem Gehirn statt. Sie fühlte sich nicht nur gut – ihr ging es tatsächlich besser. Ohne ein Medikament einzunehmen oder sich anders zu verhalten, hatte Schonfeld nach Abschluss der Studie buchstäblich ein anderes Gehirn. Ihr Geist hatte ihren Körper verändert. Über zwölf Jahre später fühlte sich Schonfeld immer noch viel besser.
Wie konnte eine Zuckerpille nicht nur die Symptome einer tiefsitzenden Depression zum Verschwinden bringen, sondern auch Nebenwirkungen wie Übelkeit hervorrufen? Und was bedeutet es, dass eine wirkungslose Substanz die Macht hat, die Aktivität der Gehirnwellen zu verändern und den Teil des Gehirns anzuregen, der bei Depressionen am meisten beeinträchtigt ist? Kann der subjektive Geist wirklich solche messbaren, objektiven physiologischen Veränderungen bewirken? Was geht in Geist und Körper vor, damit ein Placebo ein echtes Medikament so perfekt nachahmen kann? Könnte dieselbe phänomenale Heilwirkung womöglich nicht nur bei chronischen psychischen Krankheiten, sondern auch bei lebensbedrohlichen Erkrankungen wie Krebs auftreten?
Eine »Wunderheilung«: Mal sind die Tumore da, mal sind sie verschwunden
1957 publizierte der Psychologe Bruno Klopfer von der UCLA in einem Artikel in einer von Experten gegengeprüften Zeitschrift die Geschichte eines Mannes, den er als »Mr. Wright« bezeichnete und der unter einem fortgeschrittenen Lymphom, einer Krebserkrankung der Lymphdrüsen, litt.4 Er hatte riesige, teilweise orangengroße Tumore am Nacken, in der Leistengegend und in den Achseln. Der Krebs sprach auf konventionelle Behandlungen überhaupt nicht an. Mr. Wright lag wochenlang im Bett, »fiebrig, nach Luft schnappend, völlig bettlägerig«.
Sein Arzt, Philip West, hatte die Hoffnung aufgegeben – Wright allerdings nicht. Als er erfuhr, dass sein Krankenhaus (in Long Beach, Kalifornien) zufällig eines der zehn Hospitäler und Forschungszentren im Land war, welches mit einem aus Pferdeblut hergestellten Medikament namens Krebiozen experimentierte, erfasste ihn die Aufregung. Tagelang redete er auf Dr. West ein, bis der Arzt ihm schließlich das neue Heilmittel verabreichte (obwohl Wright nicht offiziell an der Studie teilnehmen konnte, weil die Voraussetzung für die Teilnahme eine mindestens dreimonatige Lebenserwartung war).
An einem Freitag wurde Wright das Krebiozen injiziert; am darauffolgenden Montag lief er herum, lachte und scherzte mit dem Pflegepersonal und verhielt sich wie ein ganz neuer Mensch. Laut Berichten von Dr. West waren die Tumore »wie Schneebälle auf einem heißen Herd weggeschmolzen«. Innerhalb von drei Tagen waren sie nur noch halb so groß wie am Anfang. Nach weiteren zehn Tagen wurde Wright als geheilt nach Hause geschickt. Es war wie ein Wunder.
Doch zwei Monate darauf berichteten die Medien, Krebiozen habe sich bei den zehn Versuchspersonen als Fehlschlag erwiesen. Als Wright dies las, sich die Ergebnisse klarmachte und den Gedanken akzeptierte, dass das Medikament wirkungslos war, erlitt er auf der Stelle einen Rückfall, und schon bald tauchten die Tumore wieder auf. Wie Dr. West vermutete, war Wrights anfängliche positive Reaktion auf den Placebo-Effekt zurückzuführen. Der Arzt wusste um die tödliche Erkrankung seines Patienten und hatte, wie er meinte, nichts zu verlieren, Wright dagegen alles zu gewinnen – wenn er seine Theorie auf den Prüfstand stellte. Also sagte er Wright, er solle nicht glauben, was in den Zeitungen stand, und er habe einen Rückfall erlitten, weil das Krebiozen, welches ihm injiziert worden war, zu einer Fehlcharge gehörte. Eine »neue, superwirksame, doppelt so starke« Version des Medikaments sei auf dem Weg ins Krankenhaus, und Wright könne damit behandelt werden, sobald sie da sei.
In Erwartung seiner bevorstehenden Heilung fasste Wright wieder Mut, und ein paar Tage darauf erhielt er die Injektion. Doch dieses Mal enthielt die Spritze keinerlei wirksame Arzneistoffe, sondern lediglich destilliertes Wasser.
Und erneut verschwanden Wrights Tumore wie durch ein Wunder. Er kehrte glücklich nach Hause zurück, zwei Monate lang ging es ihm gut, er hatte keine Tumore im Körper. Doch dann meldete die American Medical Association, also die amerikanische Ärztekammer, dass Krebiozen tatsächlich wirkungslos war. Die Ärzteschaft war übertölpelt worden. Die »Wunderdroge« war ein Schwindel, nur Mineralöl mit einer einfachen Aminosäure. Als Wright das hörte, erlitt er einen letzten Rückfall – er glaubte nicht mehr an eine mögliche Gesundung, kehrte ohne Hoffnung ins Krankenhaus zurück und war zwei Tage später tot.
Hat Wright womöglich seinen Seinszustand nicht nur ein-, sondern zweimal dahingehend verändert, dass er zu einem Mann wurde, der einfach keinen Krebs hatte – und zwar innerhalb von wenigen Tagen? Und hat sein Körper damit automatisch auf einen neuen Geist reagiert? Konnte er sich wirklich wieder in einen krebskranken Mann zurückverwandeln, nachdem er von der Wirkungslosigkeit