Leben wir in einer Illusion?. Lutz Gaudig

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Leben wir in einer Illusion? - Lutz Gaudig

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Enden der zwölf Rosettenblätter zierten abwechselnd ein betender Engel und ein Sonnensymbol, auf das der Engel blickte.

      Wieder und wieder hatte er hinaufgeschaut.

      Es war eine Botschaft.

      Eine Botschaft an ihn?

      Die Sonne steht im Mittelpunkt, und viele andere Sonnen sind da draußen.

      Und die Engel Gottes bewachen sie.

      Galileo hätte sich gewünscht, dass sein Prozess in der lieblichen, lichtdurchfluteten Kathedrale unweit des Pantheons stattfindet.

      Stattdessen stand er jetzt nebenan im angeschlossenen Kloster des Benediktinerordens.

      Die Halle war düster, spärlich von Fackeln erleuchtet.

      An den Seiten reihte sich dunkles Kirchengestühl.

      Ein steinernes Kruzifix thronte über dem Fresko eines griechischen Tempels an der Stirnwand.

      Davor waren vier Tische aufgebaut.

      Ein rotes Samttuchverhüllte sie.

      Dahinter saßen der Großinquisitor und einige wichtige Beamte der Inquisition.

      An der Seite hatten die für die Verurteilung zuständigen zehn Kardinäle Platz genommen.

      Unter ihnen war Francesco Barberini, der Neffe des Papstes.

      Er setzte riesige Hoffnungen in ihn.

      „Wollt Ihr endlich widerrufen Galilei?

      Dann tut es jetzt!“

      Die einschneidende Stimme des Großinquisitors riss ihn aus seinen Gedanken.

      Er roch den Ruß der Fackeln.

      Die Dunkelheit des Raumes drückte auf seine Schultern.

      Er hielt sich an dem kleinen Tisch fest, hinter dem er stand.

      Vor ihm lag sein Buch „Dialogo“.

      Die beiden Soldaten link s neben ihm nervten.

      Sie standen auf ihre Hellebarden gestützt.

      Die Fackeln zuckten im Widerschein über ihre silbernen Helme.

      „Ja, Monsignore, gleich, sofort!

      Ich bitte Euch, geduldet Euch noch einen kleinen Augenblick.

      Ich war und bin gerade im Gespräch mit Gott.“

      Alles hatte angefangen mit Nikolaus Kopernikus und seinen verdammten Schriften.

      In „De revolutionibus orbium coelestium“ („Über die Umschwünge der himmlischen Kreise“) beschrieb er das heliozentrische Weltbild des Sonnensystems.

      Es waren die grundsätzlichen Ideen des antiken Astronomen Arist archos von Samos in neuen Berechnungen.

      Kopernikus versetzte damit die wissenschaftliche Welt in helle Aufregung: nach 1700 Jahren.

      Er beschrieb die Planetenbahnen als Überlagerungen von gleichförmigen Kreisbewegungen.

      Das Zentrum befand sich in der Nähe der Sonne.

      Gewollt oder ungewollt hatte er damit das vorherrschende Weltbild infrage gestellt, das geozentrische Weltbild des Ptolemäus.

      Und nicht nur das!

      Galilei lächelte still in sich hinein. „Schlauer Fuchs“, dachte er.

      Die Veröffentlichung seiner Schriften hatte Kopernikus erst kurz vor seinem Tod im Jahr 1543 vorgenommen, bei Johannes Petreius in Nürnberg.

      Sie wurden bis dato nicht verboten, „De revolutionibus orbium co elestium“ wurde lediglich „suspendiert“.

      (Anmerkung des Autors: Sie durfte fortan, im Einflussbereich der Römischen Inquisition, bis 1822 nur noch in Bearbeitungen mit einem eindeutigen Zusatz erscheinen.

      Es musste klar herausgearbeitet werden: Das heliozentrische System ist ein bloßes mathematisches Modell, das zur Diskussion freigegeben ist.)

      „Galileo Galilei! Ich fordere Euch nicht noch öfter auf: Widerruft Ihr?“

      Die Stimme war gewohnt zu befehlen.

      Er sah hinüber zu Kardinal Francesco Barberini, dem Neffen des Papstes, seinem Bewunderer und Gönner.

      Er, Galileo, hatte sich in seinen Schriften der Meinung von Kopernikus angeschlossen, dass die Planeten auf Kreisbahnen die Sonne umlaufen.

      Die anschließende langjährige Korrespondenz mit Johannes Kepler hatte ihn nicht dazu bewegen können, dessen Meinung zu akzeptieren.

      Kepler behauptete, dass die Planeten auf Ellipsen um die Sonne kreisen.

      Natürlich hatte er begriffen, dass die Planetenbewegungen mit Keplers Modell äußerst exakt berechnet werden konnten.

      Er nahm in Kauf, dass die extremste Bewegung, die Bahn des Merkur im Kopernikanischen Modell deutlich schlechter berechnet war.

      Seine eigenen Beobachtungen gaben Kepler sogar recht.

      Aber was hätte er machen sollen?

      Keplers Ideen einfach nur wiederholen?

      Über die wichtigste Frage aber, ob sich die Erde um die Sonne dreht oder die Sonne um die Erde – da war er sich mit Kepler einig.

      1616 waren nicht theologische Schriften über kopernikanische Astronomie, darunter auch ein Werk von Johannes Kepler, auf den Index (Librorum Prohibitorum) gesetzt worden, also verboten.

      Auch seine eigenen Schriften wurden von der katholischen Kirche argwöhnisch begleitet.

      Im Mai 1630 war er deshalb nach Rom gereist.

      Er trug Papst Urban VIII. seine Meinung zu den Systemen des Ptolemäus und des Kopernikus vor.

      Er hatte über zeugend argumentiert, und der Papst hatte gönnerhaft entschieden.

      Er erhielt eine „Imprimatur“, eine vorläufige Druckerlaubnis, von dem für die Zensur verantwortlichen Inquisitor Niccolò Riccardi.

      Sein „Dialogo“ setzte astronomisch und weltanschaulich-theologisch neue Akzente.

      Er schaute auf das Buch vor sich.

      Aus seinen Augenwinkeln sah er jede Bewegung im Gesicht des Großinquisitors.

      Galileo erinnerte sich, Gedankenfetzen rasten durch sein Gehirn.

      Erstmalig hatte er an die Stelle von Latein sein Italienisch gesetzt.

      Seine Erkenntnisse sollten über die Kreise der Wissenschaft hinausget ragen werden.

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