Tamy. Simone Kosog

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Tamy - Simone Kosog

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hätte und die sich wohl die Gelegenheit nicht entgehen lassen wollten, die weisse Villa von innen zu sehen. Für meinen Status war ihr Auftreten der grosse Durchbruch. In meiner Klasse gehörte ich nun definitiv zu den Beliebtesten, mit denen alle abhängen wollten.

      Sehr schnell wurde mein neues Image so normal für mich, dass ich gar nicht mehr darüber nachdachte und über viele Jahre komplett vergass, dass ich da mal eine Entscheidung getroffen hatte und wie ich eigentlich vorher gewesen war. Ich entwickelte mich zur Teenagerin und war eklig zu meinen Pflegeeltern. Ich stritt mit ihnen und weigerte mich beleidigt, mit ihnen zusammen am Tisch zu sitzen. Mit dem Teller in der Hand stapfte ich wütend nach oben, ass alleine in meinem Zimmer.

      Bei Charlotte beklagte ich mich darüber, dass wir nicht in einer normalen Wohnung lebten. Schloss ich neue Freundschaften, war es mir jetzt peinlich, die Freunde mit nach Hause zu nehmen. Jedes Mal, wenn ich es doch tat, wurde ich damit konfrontiert, wie sie staunend umherschauten, abcheckten, verglichen. Mir machten ihre Ehrfurcht und Bewunderung noch mehr bewusst, wie sehr sich meine Situation von der ihren unterschied. Ich folgte ihren Blicken und fand es beklemmend, mir vorzustellen, was sie wohl dachten und was sie wohl zu Hause erzählen würden. Es war mir auch unangenehm, vom Chauffeur zur Schule oder zum Schwimmunterricht gebracht zu werden, weshalb ich immer eine Strasse eher ausstieg, sodass mich keiner sah – heute hätte ich definitiv nichts mehr dagegen, von einem Chauffeur gefahren zu werden. Und ich regte mich darüber auf, dass Heinz und Charlotte nicht verheiratet waren! Als ich jünger gewesen war, hatte ich es noch lustig gefunden, dass wir alle drei verschiedene Nachnamen hatten. Auf Reisen hatte das immer wieder zu Verwirrung und kritische Blicken am Schalter geführt. Ich fand, dass die beiden einfach zusammengehörten – einerseits. Andererseits suchte ich auch hier möglichst viel Normalität. Alle anderen hatten auch verheiratete Eltern; warum konnte nicht wenigstens das bei mir genauso sein? Tatsächlich taten sie mir den Gefallen, was mir bis heute sehr leidtut, denn Charlotte sollte später, nach dem dramatischen Firmenscheitern und dem Tod von Heinz, dadurch ziemliche Schwierigkeiten bekommen.

      Bei all den Konflikten, die wir damals hatten, stellte ich die Autorität meiner Pflegeeltern nie infrage. Sätze wie «Ihr seid nicht meine richtigen Eltern!», habe ich nie gesagt und auch nie gefühlt. Unser Grundgerüst war stabil und tragfähig.

      Mit meiner Mutter stritt ich nie. Wenn man sich nur fünf Tage am Stück sieht und dazwischen höchstens telefoniert, gibt es keinen Alltag, in dem der eine genervt vom anderen sein könnte. Es gibt immer nur Ausnahmesituationen. Meine Mutter war für mich die coolste von allen; ich fand sensationell, wen sie kannte, wie sie lebte, mit wem sie arbeitete; so wollte ich auch mal sein. Ich weiss noch, wie wir damals in der Schule ein Bild malen sollten, das uns selbst im Alter von 30 Jahren zeigt. Ich malte mich auf dem Laufsteg. In meinem Bild war Claudia Schiffer krank geworden, weshalb ich spontan für sie einspringen musste. Jeder Schüler präsentierte sein Bild vor der Klasse. Als ich meines vorstellte, erntete ich grosses Gelächter und ich wusste auf der Stelle, dass ich meinen Traum in Zukunft für mich behalten würde. Die Träume der anderen waren so handfest und real wie die Schweizer Berge.

      Im Gegensatz zu heute wollte damals niemand Model werden, schon gar nicht in unserem kleinen Dorf. Es gab hier nicht die geringsten Berührungspunkte. Für mich gab es meine Mama, die zwar aktuell nicht mehr modelte, aber deren Leben nach wie vor funkelte und glitzerte. Ich durfte das selbst ein kleines fantastisches bisschen miterleben, als ich 2001 zum allerersten Mal zu ihr nach L.A. flog. Mit 16 alleine in den Flieger und ich würde fünf ganze Wochen bleiben. Damals arbeitete meine Mama gerade bei einem Videodreh der R&B-Sängerin Aaliyah mit. Aaliyah war 23 Jahre alt und gerade durch den Film «Romeo Must Die» zum Star geworden. Sie spielte darin nicht nur die weibliche Hauptrolle, sondern sang auch den Song «Try Again». «Romeo Must Die» wurde zu einem der erfolgreichsten Filme des Jahres und Aaliyahs Song schnellte hoch auf Platz eins der amerikanischen Singlecharts. Menschen auf der ganzen Welt wurden ihre Fans und ich war definitiv einer davon.

      An vielen Tagen waren meine Mama und ich zusammen unterwegs, an anderen, an denen sie arbeiten musste, kümmerten sich meistens Freunde von ihr um mich oder meine Mutter setzte mich in der Mall ab, wo ich mir die Zeit vertrieb, auch mal ein paar Jungs kennenlernte, bevor sie mich abends wieder abholte. Eines Abends erzählte sie mir, dass sie mich am nächsten Tag mit ans Set nehmen würde. Es würde eine Szene gedreht, bei der ich sogar mitspielen könnte. Wow!

      So gross wie meine Aufregung und Begeisterung gewesen war, war am nächsten Tag mein Frust, als wir mitten in L.A. im Stau standen und irgendwann klar wurde, dass wir den Termin definitiv nicht schaffen würden. Tatsächlich war die Szene schon abgedreht, als wir am Set ankamen, aber immerhin lernte ich Aaliyah persönlich kennen. Sie begrüsste mich, wir machten zusammen Fotos und sie wünschte mir noch viel Spass beim Zuschauen des Videodrehs. Das war mindestens genauso gut.

      Ich war schon wieder zurück in der Schweiz, als Aaliyah mit einem Teil ihres Teams auf die Bahamas flog, um ein neues Video zu drehen: «Rock the Boat». Auf dem Rückflug, nur wenige hundert Meter nach dem Start, stürzte die Cessna ab, später hiess es, das Flugzeug sei überladen gewesen, ausserdem habe der Pilot Alkohol und Kokain im Blut gehabt. Drei Wochen, nachdem mir Aaliyah in L.A. die Hand gegeben hatte, war sie tot, genauso wie ihre Crewmitglieder, die mit im Flugzeug gesessen hatten. Danach verkauften sich ihre Platten kolossal. Für mich war das ein Schock. Es war so unwirklich, und obwohl wir uns ja nicht wirklich gekannt hatten, war ich traurig.

      Auch mit den Rolling Stones, Britney Spears, Justin Timberlake oder Gwen Stefani arbeitete meine Mama zusammen, die Liste ist lang, alle Namen sind gross und bedeutungsvoll. Darunter auch genau die Rapper, deren Musik ich hörte. Zu meinem siebzehnten Geburtstag schickte sie mir eine kleine Filmkamera, eines der ersten Modelle mit Memory-Karte, die, wie ich feststellte, bereits einen Clip enthielt: Es strahlte mich Snoop Dogg an. «Hi Tamy my nizzy from Swizzy…» 50 Cent: «Hi Tamy your Mom is great, if you need anything my friends are your friends you heard me!» Dr. Dre: «Hi Tamy this is Dr. Dre sending you love all the way to Switzerland.»

      Es kam damals immer wieder vor, dass Freunde mich fragten, ob ich denn nicht wütend auf meine Mutter sei und sich darüber aufregten, wie sie das denn machen könne, aber das liess ich nie gelten. Was wussten die schon. Ich verteidigte meine Mama vehement, erklärte, dass das voll okay für mich sei und ihre Entscheidung absolut richtig wäre. Das war meine Sicht auf mein Leben, die ich mir von niemandem nehmen liess. Und an Tagen wie diesen, als meine Mama dafür gesorgt hatte, dass all die angesagten Rapper meinen Namen sagten und mich persönlich grüssten, war ich mir sicher, dass ich es mehr als gut getroffen hatte. Mir reichte das völlig zum Glück!

      In Zürich sprach ich bei einer Model-Agentur vor. Es wäre einfach genial, wenn das klappte, was würde wohl meine Mama sagen? Aber sie wollten mich dort nicht und das war es dann für mich mit dem Modeln für eine lange Zeit. Was solls – es gab noch viele andere Sachen, die mich interessierten.

      Heinz und Charlotte taten weiterhin alles dafür, dass es mir gut ging. Sie hatten ihre klaren Vorstellungen von unserem Zusammenleben, aber waren nie streng, übten nie Druck aus und zeigten mir immer wieder, wie glücklich es sie machte, dass ich bei ihnen war, ohne die geringsten Zweifel – auch in diesen verstockten Teenager-Zeiten. In den wenigen Fällen, in denen Charlotte mir mal einen Wunsch nicht erfüllte, ging ich zu Heinz, der mir ganz sicher nichts abschlug. Das ging so weit, dass er seine BMWs weggab, weil ich die Autos nicht mochte, und stattdessen zwei neue Mercedes kaufte, wie er sie vorher auch schon gehabt hatte. Und auf unseren Reisen wohnten wir in den Hotels, die ich zuvor ausgesucht hatte. Dass Heinz auch die Sanierung der Schwimmhalle unseres Dorfes finanzierte, weil ich im Schwimmclub war, hatte er sich allerdings selbst überlegt. Eigentlich hätte die Halle aus Kostengründen in eine Turnhalle umgewandelt werden sollen – das wäre dann die dritte gewesen. Heinz sorgte dafür, dass es nicht so weit kam.

      Seit ich als Kleinkind vergnügt in unserem Pool geplanscht hatte, liebte ich das Wasser. Mit zwei konnte ich schon gut schwimmen. Weil es mir soviel Spass machte, meldeten mich meine Pflegeeltern bald darauf erst zum Schwimmkurs

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