Schweiß, Schlamm und Endorphine. Iris Hadbawnik

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Schweiß, Schlamm und Endorphine - Iris Hadbawnik

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unterbrochen, um den Körper auf Betriebstemperatur zu halten. Kaum hat man sich von der letzten Gemeinheit erholt, folgt die nächste. Der Designer dieses Streckenabschnittes muss ein professioneller Sadist sein! In meiner Zeit als Soldat habe ich viele Hindernisbahnen kennengelernt, war sogar auf Kursen der Special Forces in den Vereinigten Staaten unterwegs. Aber das hier stellt noch einmal eine Steigerung dar. […]« Gleichzeitig prophezeite Stefan, dass es einen solchen Lauf in Deutschland niemals geben würde. Dafür nannte er mehrere stichhaltige Gründe. Zum einen würde keiner eine solche Veranstaltung genehmigen, geschweige denn versichern. Infolgedessen würde kein Veranstalter ein solches Risiko zur Organisation eines derartigen Laufes auf sich nehmen. Und zu guter Letzt war sich Stefan zu einhundert Prozent sicher, dass sich »der verwöhnte deutsche Volksläufer nicht auf solch primitive Spielchen herablassen würde«. Er sollte sich gewaltig irren.

      Und weil das Erlebnis so intensiv und das Rennen so außergewöhnlich war, kehrte Stefan noch zweimal nach England zurück. 1999 sogar mit einem deutschen Filmteam im Schlepptau, das eine halbstündige Reportage über den Lauf produzierte. Spätestens jetzt, als die bewegten Bilder in aller Härte des Rennens in den deutschen Wohnzimmern Einzug hielten, konnte sich der Veranstalter des Tough Guy vor deutschen Läufern kaum mehr retten.

      Etwa 14 Jahre später startete Stefan beim Braveheart Battle, einem Rennen in Münnerstadt, bei dem es auf 26 Kilometern Länge 45 Hindernisse und rund 2.400 Höhenmeter zu überwinden galt. Nach seinem Finish verglich er das Rennen mit seinem Vorbild Tough Guy: »[…] Um 11.11 Uhr wurden die Höllenfürsten und -fürstinnen mit diabolischem Gebrüll auf das Schlachtfeld losgelassen. Schon nach knapp 2 Kilometern gab’s ein erfrischendes Vollbad in der Lauer (Wassertemperatur 6 Grad Celsius), 11 weitere Tauchbäder sollten noch folgen. Nach den Schockfrostungen an den Wassergräben wurden jeweils derart anspruchsvolle Hindernisse in den Weg gestellt, dass der Body, kurz vor dem Erfrierungstod stehend, wieder aufgeheizt wurde. Zwischendurch fanden sich immer wieder längere Laufeinheiten zum Erholen. Dieser Wettbewerb ist um einiges heftiger als der Tough Guy, wie ich ihn noch aus 1999 kenne. Braveheart ist Tough Guy 2.0. Ach was, 3.0. Ultralang, ultrastark, ultrahart und ultrageil. Jedes Hindernis ein Genuss, jeder Cent Startgeld eine Topinvestition. Und dann die ganzen Irren, Kostümierten, Angemalten – einfach herrlich so viel Lebensfreude! Fazit: Gelobt sei, was hart macht – Extrem-Hindernisläufe sind einfach oberaffengeil! […]«

      MOTIVATION OCR: WAS REIZT DICH IN DEINEM ALTER IMMER NOCH AN DERARTIGEN »KAMPFEINSÄTZEN«?

      Stefan Schlett (Jg. 1962), Extremsportler und erster Deutscher beim Tough Guy

      »Erstens fühle ich mich im 35. Jahr meiner Extremsportkarriere noch fit genug dafür. Zweitens ist es – wie man hier in Bayern zu sagen pflegt – eine ›Brunsgaudi‹. Zudem ist es ein Ganzkörpereinsatz, bei dem vor allem auch die koordinativen und technischen Fähigkeiten gefordert werden. Und nicht zuletzt das Hirn. Strategisch intelligentes Verhalten, mentale Stärke und Kältemanagement tragen wesentlich zum Erfolg bei. Sozusagen athletisches Multitasking. Im Gegensatz zu den üblichen Volks- und Straßenläufen, die dagegen recht altbacken wirken, sind die Schlamm- und Hindernisläufe eine neue und äußerst reizvolle Abwechslung und vor allem Herausforderung. Ich bin der Meinung, dass jeder gesunde, gut trainierte und mental starke Mensch, im Alter zwischen 15 und 75, solche Rennen bewältigen kann. Der Erfolg dieser Veranstaltungen ist zumindest eine Gegenbewegung zur immer noch überfetteten, degenerierten und bewegungsarmen Mehrheit in unseren westlichen Gesellschaften. Ja, es besteht Suchtgefahr, aber da dieser Begriff eher mit negativen Attributen versehen ist, würde ich es als einen Trieb nach Lebenslust, Lebensqualität und archaischer Kampfeslust bezeichnen.«

      Dennoch dauerte es nach dem ersten Tough Guy einige Jahre, bis die Extrem-Hindernislauf-Welle von Großbritannien in die USA und schließlich nach Deutschland schwappte. Als ein PR-Event der Kultmarke Fisherman’s Friend fiel am 4. Februar 2007 um 12 Uhr der Startschuss zum ersten Fisherman’s Friend Strongman Run auf dem Truppenübungsplatz der Lützow-Kaserne in Münster. Bei der Premiere des 12 Kilometer langen und mit 22 Hindernissen gespickten Rennens waren bereits 1.915 Teilnehmer am Start. 1.596 davon kamen ins Ziel. Aufgrund des überwältigenden Teilnehmer-Feedbacks wurde sogleich eine Fortsetzung des Rennens im nachfolgenden Jahr beschlossen, deren Serie bis heute anhält. Seitdem gilt der Strongman Run als die Mutter aller Hindernisläufe in Deutschland. Bei der zweiten Auflage stieg die Zahl der Teilnehmer bereits um mehr als das Doppelte auf 5.325. Auch wenn die Startgebühr von ehemals 15 Euro bis heute auf mehr als 60 Euro auf vergleichbarer Strecke angestiegen ist, ist das Rennen noch immer der Extrem-Hindernislauf mit der weltweit höchsten Teilnehmerzahl – nämlich rund 13.000.

      Weitere nationale und internationale Formate, die sich auf deutschem Boden dauerhaft etablieren konnten, folgten zwar erst 2010 mit dem Braveheart Battle, bei dem bei der Premiere am 13. März 2010 von 592 Startern 421 ins Ziel kamen, doch in der Folge schossen sie wie Pilze aus dem Boden. Die meisten Rennen feierten schnelle Erfolge und konnten die Teilnehmerzahlen innerhalb kürzester Zeit verdoppeln oder gar verdreifachen. Derzeit ist es fast unmöglich, einen Überblick über die Vielzahl der Läufe zu bewahren, die allein im deutschsprachigen Raum angeboten werden.

      Extrem-Hindernisläufe trafen Ende der 2000er-Jahre haargenau den Zahn der Zeit. Betrachtet man sich die gesamte Laufentwicklung in Deutschland, macht sich ein interessanter Trend bemerkbar. Nach den Zahlen der Statistik Laufmarkt 2015 von Prof. Dr. Roland Döhrn waren es 2003 noch deutlich mehr Läufer, die bei einem Marathon ins Ziel kamen, als bei einem Halbmarathon. Heute ist die Finisher-Zahl der Halbmarathons mehr als doppelt so hoch wie die der Marathonläufer (im Jahr 2015: Marathon: 113.891; Halbmarathon: 244.772). Das liegt zum einen daran, dass Marathontraining zeitaufwendig und intensiv ist, und zum anderen, dass viele Läufer keine großen sportlichen Ambitionen mehr hegen, sondern beim Laufen einfach nur ihren Spaß haben wollen. Um einen Hindernislauf zu absolvieren, muss man kein Leistungssportler sein. Wenn es rein um das Finishen geht, ist es nicht nötig, wöchentlich 10 Stunden oder mehr zu trainieren. Für jeden, der regelmäßig Sport treibt, ist es durchaus im Bereich des Möglichen, eine Kurzstrecke (5 bis 8 Kilometer), gespickt mit Hindernissen, zu absolvieren. Dazu ist im Gegensatz zu einem Triathlon auch keine kostspielige Ausrüstung erforderlich. Man benötigt kein Fahrrad, keinen Neoprenanzug und keine teure Ausstattung. Gute Laufschuhe und Sportklamotten sind vollkommen ausreichend, um einen Hindernislauf zu bewältigen.

      Dass es bei vielen Startern tatsächlich nur um den Spaß geht, zeigt sich am Beispiel des Tough Mudder, einem Obstacle Race, das von zwei Briten konzipiert und 2010 erstmals in den USA ausgetragen wurde. Das Prinzip dieses Laufes beruht darauf, dass, auch wenn Einzelstarter zugelassen sind, viele Hindernisse oftmals nur gemeinsam im Team bewältigt werden können. Es steht weniger die erreichte Zeit als vielmehr der Spaßgedanke im Vordergrund. Es gibt keinerlei Zeitnahme, kein Ranking und kein Preisgeld (ausgenommen beim World’s Toughest Mudder). Ohne Konkurrenzdruck entstehen Teamgeist und ein Wir-Gefühl. Lediglich das erfolgreiche Absolvieren der Strecke und der Stolz, dies als Team geschafft zu haben, sind die Belohnung für die Strapazen. Und der Erfolg gibt den Veranstaltern recht. Inzwischen werden rund 70 Events in den USA, Kanada, Großbritannien, Irland, Australien, Neuseeland und Deutschland ausgetragen. 2014 waren es nach Angaben des Veranstalters weltweit über eine halbe Million Menschen, die an Tough Mudder-Events teilgenommen haben.

      MOTIVATION OCR: WAS TREIBT DICH AN?

      Marcus Gilde (Jg. 1968) aus Hamburg, Flugzeugmechaniker

      »Von 2004 bis 2015 nahm ich insgesamt zwölfmal am Tough Guy Race im Januar teil. Elf Mal erreichte ich dabei das Ziel. Lediglich 2010 fiel ich wegen einer Fußverletzung im Rennen aus. Dennoch darf ich mich Tough Guy Veteran nennen. Ein nicht ganz ernst zu nehmender Stolz bewegt mich … Warum es mich immer wieder zum Tough Guy zieht? Das Braveheart-Feeling, der Spirit der Tough Guy Family und das mit allen Sinnen einprägsame Erlebnis des Rennens, wie der Geruch der Erde und der Geschmack des dortigen Wassers, sind der Antrieb, mich

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