4 Portraits (Pauli, Einstein, Planck und Heisenberg). Ernst Peter Fischer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу 4 Portraits (Pauli, Einstein, Planck und Heisenberg) - Ernst Peter Fischer страница 10
Im Falle der Wettervorhersage liegt der Gedanke nahe, dass ihre Unzuverlässigkeit nur durch die Größe und Kompliziertheit des vorliegenden Objekts, der Atmosphäre, bedingt ist. Greifen wir einen kleinen Teil derselben heraus, etwa einen Liter Luft, so sind wir schon weit eher imstande, zutreffende Voraussagen zu machen über ihr Verhalten gegenüber äußeren Einflüssen wie Kompression, Erwärmung, Anfeuchtung usw. Wir kennen bestimmte physikalische Gesetze, welche uns in den Stand setzen, die Resultate der entsprechend vorgenommenen Messungen, die Druckerhöhung, Temperatursteigerung, Kondensation usw. mehr oder weniger sicher im Voraus anzugeben.
Sieht man aber nun etwas näher zu, so gelangt man bald zu einer sehr bemerkenswerten Feststellung. Selbst wenn wir die Verhältnisse noch so einfach wählen und wenn wir noch so feine Messungsinstrumente benutzen, so wird es doch niemals gelingen, das Messungsergebnis mit absoluter Genauigkeit, d.h. in allen Dezimalstellen übereinstimmend mit der gemessenen Zahl vorauszuberechnen. Es bleibt immer ein gewisser Rest von Unsicherheit zurück. Im Gegensatz zu den Berechnungen rein mathematischer Art wie der Quadratwurzel von zwei, welche auf beliebig viele Dezimalstellen genau angegeben werden kann.
Und was von den mechanischen und thermischen Vorgängen gilt, trifft auf allen Gebieten der Physik zu, auch für elektrische und optische Vorgänge. Daher sind wir nach allen vorliegenden Erfahrungen gezwungen, den folgenden Satz als eine gegebene, festliegende Tatsache anzuerkennen: „In keinem einzigen Fall ist es möglich, ein physikalisches Ereignis genau vorauszusagen.“
Eine merkwürdige Entscheidung, die Planck da trifft. Er macht es sich nicht leicht, denn offenbar ist entweder der Ausgangssatz falsch, dass ein Ereignis dann kausal bedingt ist, wenn es mit Sicherheit vorhergesagt werden kann, oder es gibt in der Natur keine kausalen Zusammenhänge. Er ringt jetzt darum, er bemüht sich darum und kommt dann zu folgenden weiteren Ansichten:
„Tatsächlich hat sich die physikalische Wissenschaft bis jetzt auf der entgegengesetzten Grundlage entwickelt. Sie hat die zweite der beiden genannten Alternativen gewählt. D.h. sie hat, um das Kausalgesetz in aller Strenge aufrecht erhalten zu können, den Ausgangspunkt, dass ein Ereignis dann kausal bedingt ist, wenn es mit Sicherheit vorausgesagt werden kann, etwas modifiziert. Das geschieht in der Weise, dass das Wort „Ereignis“ in einem etwas geänderten Sinne gebraucht wird. Als „Ereignis“ betrachtet nämlich die theoretische Physik nicht einen einzelnen Messungsvorgang, der immer auch zufällige und unwesentliche Elemente enthält, sondern einen gewissen nur gedachten Vorgang, indem sie an die Stelle der Sinnenwelt, wie sie uns durch unsere Sinnesorgane bzw. durch wie verschärfte Sinnesorgane wirkende Messinstrumente unmittelbar gegeben wird, eine andere Welt setzt. Das sogenannte physikalische Weltbild, welches eine bis zu einem gewissen Grade willkürliche Gedankenkonstruktion darstellt. Eine Modellmäßige Idealisie-rung, geschaffen zu dem Zweck, um von der Unsicherheit, die an jeder einzelnen Messung haftet, loszukommen und scharfe Begriffbestimmung zu ermöglichen.“
Das klingt alles ganz einfach, enthält aber einen wunderbaren Hinweis darauf, was theoretische Physik in dem Sinne wie Planck und seine Kollegen sie betreiben, eigentlich ist, nämlich eine Konstruktion, eine Erfindung. Mit anderen Worten, man gibt der Natur eine Form und durch diese Form versteht man die Natur. Das ist zwar alles mathematisch, das ist zwar alles physikalisch, aber das ist vor allen Dingen auch romantisch. Weil romantisch der Gedanke ist, dass ich sowieso nur verstehen kann, was ich selbst hervorgebracht habe und das in der Form, in der ich das tue. Natur wird verstanden durch die Form, die ich ihr gebe.
Und er hat noch auf etwas anderes Wichtiges hingewiesen: Ich muss unterscheiden zwischen der Welt des Alltags, die ich sinnlich erfahren kann und der Welt der Wissenschaft, in der ich streng operiere und in der alles kausal verläuft.
Nun besteht das Problem, dass er als jemand, der zu einem Publikum spricht, das nicht in der Wissenschaft zu Hause ist, zwischen diesen beiden Welten hin und her gehen muss. Das ist für Planck auch das eigentliche Problem bei der Vermittlung von Wissenschaft. Deswegen kann sie nicht auto-matisch populär sein, sondern die Popularität muss durch einen besonderen Gedankenschritt erreicht werden.
Den versucht er jetzt vorzuführen:
„Während in der Sinnenwelt die Voraussage eines Ereignisses immer mit einer gewissen Unsicherheit behaftet ist, verlaufen im physikalischen Weltbilde alle Ereignisse nach bestimmten, angebbaren Gesetzen. Sie sind kausal streng determiniert. Daher wird durch die Einführung des physikalischen Weltbildes – und darin liegt seine Bedeutung – die Unsicherheit in der Voraussage eines Ereignisses der Sinnenwelt reduziert auf die Unsicherheit der Übertragung des Ereignisses aus der Sinnenwelt auf das Weltbild sowie der Rückübersetzung aus dem Weltbilde in die Sinnenwelt.“
Das ist nicht immer leicht. Das ist schwierig, das muss jedes Mal neu erfunden werden. Deshalb ist die Frage, wie Wissenschaft popularisiert werden kann, nicht eine Frage, wie ich das einfach darstelle, sondern wie ich das anders darstelle, indem ich dieses Hin und Her, diese Rück- und Vorübertragungen genau berücksichtige. Das ist eine Aufgabe, die einem Physiker wie Planck, der sich an die Öffentlichkeit wendet, zukommt.
Dem Physiker selbst kommt natürlich die Aufgabe zu, die statistische, die neuartige Kausalität, die in der Physik aufgekommen ist, mit scheinbar regellosen Abläufen noch besser zu verstehen. Aber das ist im Rahmen der Thermodynamik, die Planck mitentwickelt hat – seine wichtigsten Vorlesungen sind Vorlesungen über Wärmelehre, über Thermodynamik, die von diesen Phänomenen, wo sehr viele Partikel eine Rolle spielen, wo eine unübersichtliche Kausalität entsteht, aber doch Kausalität – eine seiner größten Leistungen.
Was die Physik dazu beigetragen hat, das stellt er im nächsten Abschnitt dar.
„Nach solchen und anderen großen Erfolgen schien begründete Hoffnung vorhanden, dass das Weltbild der klassischen Physik seiner Aufgabe im Wesentlichen gerecht werde und dass die Unsicherheiten, die bei der Übersetzung in die Sinnenwelt und aus der Sinnenwelt übrig bleiben, bei fort-schreitender Verfeinerung der Messungsmethoden immer mehr an Bedeutung verlieren würden. Diese Hoffnung ist durch das Auftreten des elementaren Wirkungsquantums mit einem Schlage – und zwar für immer – vernichtet worden.“
Das ist seine Tragik. Das sind seine Leistung und seine Tragik. Er hebt diesen durchgängigen Kausalitätsspruch auf. Es entsteht eine neue Physik, die als Quantenmechanik eine Rolle spielt. Die mit Unbestimmtheiten operiert. Die keine tatsächliche präzise Kausalität, wie wir das gewohnt sind, zulässt. Die ein ganz neues Weltbild erzwingt. Diese Physik versucht Planck jetzt auch in diesem Vortrag zu analysieren und dabei entdeckt er etwas Fantastisches:
„In dem Weltbilde der Quantenphysik herrscht der Determinismus eben so streng wie in dem der klassischen Physik, nur sind die benutzten Symbole andere und es wird mit anderen Rechnungsvorschriften operiert. Dementsprechend wird in der Quantenphysik, ebenso wie früher in der klassischen Physik, die Unsicherheit in der Voraussage von Ereignissen der Sinnenwelt reduziert auf die Unsicherheit des Zusammenhangs zwischen Weltbild und Sinnenwelt, d.h. auf die Unsicherheit der Übertragung der Symbole des Weltbildes auf die Sinnenwelt und umgekehrt. Dass diese doppelte Unsicherheit mit in Kauf genommen wird, ist der eindruckvollste Beweis für die Wichtigkeit der Aufgabe, den Determinismus zunächst einmal innerhalb des Weltbildes aufrecht zu erhalten.“
Das ist ganz wichtig. Es gilt ja immer wieder für viele Leute, dass die Quantenmechanik und die Atomphysik indeterministisch, statistisch sind. Da ist irgendwo schon ein Körnchen Wahrheit drin. Aber tatsächlich besteht die neue Physik, die Planck durch seine Entdeckung des Quantums auf den Weg gebracht hat, aus ähnlichen mathematischen Strukturen wie die alte Newtonsche Physik und wenn die deterministsch