4 Portraits (Pauli, Einstein, Planck und Heisenberg). Ernst Peter Fischer
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Das ging jetzt nicht mehr. Denn wenn ich vom Atom etwas wissen will, muss ich mit ihm Kontakt aufnehmen. Ich muss mit dem Atom also zumindest ein „Quantum der Wirkung“ austauschen. Denn das ist das Kleinste, was passieren kann. Dabei nimmt das Atom ein Quantum auf oder gibt ein Quantum ab und ist dadurch ein Anderes. Mit anderen Worten: das beobachtete Atom ist etwas Anderes als das unbeobachtete Atom. Ich weiß aber nur etwas vom beobachteten Atom und dadurch muss der Beobachter in die Physik einbezogen werden. Die Physik ist nicht mehr objektiv, seit es das Quantum der Wirkung gibt.
Das hat sowohl Planck als auch Einstein gewurmt, denn jetzt bekam plötzlich die Frage, wie die Natur kausal funktioniert, einen anderen Sinn. Sie funktioniert ja in diesem Moment nicht mehr kausal ohne mich, sondern mit mir. Ich greife in die Natur ein – was wir übrigens im großen Stil tun. Wir greifen in die Welt ein, aber wir haben immer gedacht, wir greifen nicht in ein atomares Geschehen ein. Wir greifen nicht in den unmittelbaren elementaren Prozess ein, der z.B. zur Abgabe von Strahlung gehört. Jetzt gehört das aber dazu. Jetzt fängt Planck an, sich Gedanken zu machen.
Spätestens seit dem Jahre 1908, also zu seinem 50. Geburtstag, fängt er an, Philosoph zu werden und philosophische Vorträge zu halten. Er spricht über die Einheit des physikalischen Weltbildes, den Kampf der Physik um die Weltanschauung, aber vor allen Dingen immer wieder über die Frage: „Was ist eigentlich Kausalität?“
Die Frage der Kausalität
Das Spannende an der Kausalitätsfrage ist, in Hinblick auf das, was er über Gott gesagt hat, die Frage nach dem Leben. Ist das Leben, das wir führen, durch Kausalität, durch Naturgesetze bestimmt oder gibt es im Rahmen der Determiniertheit durch die Gesetze noch eine Freiheit, in der ich mich bewegen kann? Kommt die Freiheit dadurch zustande, dass ich Wechselwirkungen eingehe? Habe ich gewissermaßen durch Quantensprünge Freiheiten? Oder ist da doch irgendeine Determinierung, eine Festlegung der Kausalität? Was ist die Kausalität in der Natur? Wie kann ich das verstehen?
Darüber denkt Planck immer wieder nach. Er hat sehr viele Vorträge über dieses Thema gehalten, aber ich möchte mich jetzt vor allem auf einen konzentrieren, den er 1932 in London hielt. Ich weise auf London hin, weil Planck derjenige deutsche Wissenschaftler war, der immer wieder, auch schon kurz nach dem 1. Weltkrieg und dann später zur Zeit des Nationalsozialismus und sogar nach dem 2. Weltkrieg vom Ausland eingeladen wurde. Planck galt im Ausland als die deutsche Stimme, der anständige Deutsche. Er hatte auch viel zu sagen. Vor allem hatte er sich viele Gedanken gemacht über diese Frage der Kausalität.
Sein Vortrag 1932 in London beginnt so:
Vortrag London 1932
„Die neuere Entwicklung der Physik hat gelehrt, dass die hohen Erwartungen, die man eine Zeitlang an die glänzenden Erfolge der physikalischen Forschung für die Vertiefung der Naturkenntnis mit gewissem Recht geknüpft hatte, in wesentlichen Punkten eingeschränkt werden müssen, und dass insbesondere das Kausalgesetz in seiner bisher üblichen, klassischen Formulierung unmöglich allgemein durchgeführt werden kann. Denn in seiner Anwendung auf die Welt der Atome hat es endgültig versagt. Daher findet sich ein jeder, der für den Sinn und die Bedeutung naturwissenschaftlicher Forschung Interesse besitzt, vor die dringende Aufgabe gestellt, das eigentliche Wesen der Naturgesetzlichkeit aufs Neue der Prüfung zu unterziehen und vor allem dem Begriff der Kausalität noch tiefer als bisher auf den Grund zu kommen.
Es geht heute nicht mehr an, dass man – wie Kant es getan hat – das Kausalgesetz als Ausdruck der Gültigkeit unverbrüchlicher Regeln für alles Geschehen einfach mit zu den Kategorien rechnet. Als eine Form der Anschauung, ohne die wir überhaupt nicht im Stande sind, Erfahrungen zu sammeln. Denn wenn auch der Kantsche Satz, dass gewisse Kategorien allen unseren Erfahrungen von vorneherein mit zugrunde liegen, wohl für alle Zeiten unantastbar bleiben wird, so ist damit noch nichts über den speziellen Sinn der einzelnen Kategorien ausgesagt. Und die Tatsache, dass die Axiome der euklidischen Geometrie, welche Kant mit zu den Kategorien rechnete, neuerdings nicht nur als erweiterungsfähig, sondern sogar als erweiterungsbedürftig erkannt worden sind, hat die Physiker in dieser Hinsicht sehr vorsichtig gemacht.
Wir wollen also, um nicht voreingenommen zu verfahren, uns an keine gefährlichen Voraussetzungen binden und müssen daher zunächst nach einem auf die Dauer zuverlässigen Ausgangspunkt für die Einführung des Begriffes der Kausalität suchen. Wenn von einem Kausalzusammenhang zwischen zwei aufeinanderfolgenden Ereignissen die Rede ist, so meint man damit ohne Zweifel eine gewisse gesetzmäßige Verkettung der beiden Ereignisse, wobei das frühere Ereignis als Ursache, das spätere als Wirkung bezeichnet wird. Aber die Frage ist, worin besteht diese besondere Art der Verkettung? Gibt es ein untrügliches Zeichen dafür, dass ein gewisses, in der Natur stattfindendes Ereignis, kausal durch ein anderes bedingt ist?“
Hilfe aus der Verhaltensforschung
Das ist ein ganz spannendes Thema, das über Jahrtausende diskutiert worden ist. Ist also zum Beispiel der Tag die Ursache der Nacht, oder folgt der Tag nur nach der Nacht? Und ist beispielsweise der Blitz die Ursache des Donners oder der Donner die Ursache des Blitzes? Oder wie hängen die Sachen zusammen? Darüber hat man immer viel nachgedacht. Merkwürdigerweise gibt es heute dazu eine wunderbar einfache Lösung. Die aber ist nicht aus der Physik und auch nicht aus der Philosophie gekommen, sondern aus der Verhaltensforschung, der Biologie. Entdeckt hat sie Konrad Lorenz.
Konrad Lorenz hat gesagt, der Unterschied zwischen Ereignissen, die nur zeitlich nacheinander stattfinden oder solchen, die kausal bedingt nacheinander ablaufen ist die Frage, ob zwischen ihnen Energie übertragen worden ist. Das ist der „Energieübertrag“. Bei Tag und Nacht wird keine Energie übertragen, aber bei Blitz und Donner wird Energie von der elektrischen Entladung übertragen. Die elektrische Entladung überträgt die Energie, die sich akustisch als Donner und visuell als Blitz zeigt. Da ist Kausalität gegeben, aber nicht bei Tag und Nacht. Man muss immer nach dem „Energieübertrag“ suchen.
Ich wünschte, Planck hätte das gewusst und sich jetzt noch dazu äußern können. Er hat es nicht gewusst. Er ist nicht auf die Idee gekommen. Er hatte auch andere Probleme mit der Kausalität, denn früher war Kausalität etwas einfach. „Früher“ heißt, in der traditionellen klassischen Physik.
Jetzt ist sie zu einem statistischen Problem geworden. Damit muss er umgehen und das versucht er jetzt zu untersuchen. Durch die neue Atomphysik und durch die Thermodynamik, die Wärmelehre, die mit vielen Teilchen agiert, ist die Kausalität nicht mehr ganz so einfach zu machen.
Was ihn natürlich interessiert, ist die Frage, wo das Ende der Kausalität bei dem Versuch, das Verhalten von Menschen zu erläutern liegt. Das, was wir „freien Willen“ nennen, was wir unsere Handlungsentscheidungen nennen. Wir erinnern uns auch, er hat beim Vergleich zwischen Religion und Naturwissenschaft immer von Erkennen und Handeln gesprochen. Handeln muss ja ein Motiv, einen Grund oder auch Kausalität haben. Wo kommt die eigentlich her? Er versucht, das jetzt genauer zu analysieren und möchte sich dazu, wie jeder gute Physiker, eine Ausgangsposition schaffen.
Als er das tut, erlebt er allerdings eine Überraschung:
„Ich will als Ausgangspunkt für alle weiteren Überlegungen den folgenden, einfachen und allgemeinen Satz benutzen: „Ein Ereignis ist dann kausal bedingt, wenn es mit Sicherheit vorausgesagt werden kann“. Damit soll selbstverständlich nur gesagt sein, dass die Möglichkeit, eine zutreffende Voraussage für die Zukunft zu machen, ein untrügliches Kriterium für das Walten eines Kausalzusammenhanges bildet, nicht etwa, dass sie mit diesem gleichbedeutend sei.
Denken wir nur an die