4 Portraits (Pauli, Einstein, Planck und Heisenberg). Ernst Peter Fischer
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Es ist daher sehr leicht nachzuvollziehen, was von Jolly sagt. Zu erwarten, dass jemand daher kommt und sagt, da ist aber eine Lücke in dem Ganzen, da ist eine Unstetigkeit, ist völlig unabsehbar. Ich denke, dass von Jolly einen guten Tipp gegeben hat. Er konnte von seiner Physik nicht mehr erwarten.
Allerdings, wir wissen ja, dass Prognosen immer schwierig sind, vor allen Dingen, wenn sie sich auf die Zukunft beziehen. Sie haben sicher alle von der Prognose des IBM-Vorsitzenden gehört, dass die Welt nicht mehr als fünf Computer brauche und Sie wissen, wie überzeugend das widerlegt worden ist. Und so hat eben von Jolly gesagt, wir brauchen keine Physik mehr, wir brauchen nur noch Details. Das wurde überzeugend auch widerlegt.
Die zweite Frage, die wir uns stellen müssen lautet deshalb: Warum ist Planck diesem Ratschlag nicht gefolgt? In der Anekdote, die Planck erzählt, weist von Jolly auf den ersten Hauptsatz der Thermodynamik hin, den ersten Hauptsatz der Wärmelehre oder den „Energiesatz“. Der „Energiesatz“ ist im frühen 19. Jahrhundert entwickelt und aufgestellt worden. Er wurde z.B. auch von Herrmann von Helmholtz in wunderbarer Weise formuliert. Spätestens 1847 weiß man: Energie kann weder erhalten noch erzeugt werden, sondern Energie bleibt konstant. Energie ist sozusagen immer prä-sent. Es gibt eine Erhaltung der Energie.
Das klingt einfach, aber wenn Sie ein wenig über den Satz nachdenken, wird es schwieriger. Zum Beispiel: Wenn Energie weder vernichtet noch erzeugt werden kann, dann muss es sie immer gegeben haben. Was war dann, als die Welt entstanden ist? Gab es die Energie schon? Ist die Welt sozusagen nur eine Form von Energie, die eine bestimmte Art des Daseins zeigt? Oder ist Energie bei der Entstehung der Welt vielleicht doch erzeugt worden?
Wenn Sie den Energiesatz nur anschauen, stellt sich sofort das Problem des Anfangs und des Endes der Welt. Damit haben Sie das Problem der „Entwicklung“.
„Energie“ und „Entropie“
Der Energiesatz sagt gar nichts über die Entwicklung. Er sagt nicht, wie Energie sich bewegt, wie z.B. Wärmeenergie zu Bewegungsenergie wird oder wie Bewegungsenergie zu Wärmeenergie wird. Eine der Fragen, die damals eine große Rolle spielten, lautete: Warum kann nicht jede Energie in jede andere überführt werden?
Wenn Sie z.B. – das war damals ein immer wieder diskutiertes Thema – eine Eisenbahn nehmen. Die Eisenbahn fährt und bremst, dadurch wird die Bewegungsenergie der Eisenbahn in Wärmeenergie der Räder übertragen. Sie kennen das auch: Wenn Sie mit dem Auto scharf bremsen, wird der Reifen etwas heißer als vorher. Sie haben also die Bewegungsenergie durch Abbremsen in Wärmeenergie der Räder übertragen.
Jetzt versuchen Sie doch einmal, die Wärmeenergie der Räder wieder in die Bewegung zu übertragen. Das geht nicht. Und Sie können sich die Frage stellen, warum das nur in die eine, aber nicht in die andere Richtung geht. Was ist die „Richtung“ der Prozesse? Und für diese Richtung der Prozesse, also eigentlich für die Dynamik der Welt, gab es damals auch schon einen ersten Hinweis, einen sogenannten zweiten Hauptsatz der Thermodynamik.
Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik war etwa um 1870/1880 formuliert worden. Er konzentrierte sich nicht auf die Energie eines Systems, sondern auf die Art, wie die Energie in der Lage ist, Arbeit zu verrichten. Man konnte zeigen, dass nicht alle Energie, die in einem Körper steckt, in Arbeit umgewandelt werden kann. Maschinen zum Beispiel können nur bis zu einem gewissen Grad das tun, was man von ihnen erwartet, also Lasten transportieren oder Bewegungsabläufe vollziehen oder einfach Energie liefern.
Die Frage ist folglich: Was unterscheidet Energie, die man in Arbeit umwandeln kann, von Energie, die man nicht in Arbeit umwandeln kann? Man nannte die Energie, die man umwandeln kann, „freie Energie“. Die Differenz zwischen der Energie und der freien Energie wurde durch eine Größe beschrieben, für die der Physiker Rudolf Clausius ein Kunstwort entwickelte. Clausius suchte ein Wort, das so ähnlich klingt wie „Energie“, das auch griechisch sein sollte und er schlug dafür den Begriff der „Entropie“ vor.
Entropie ist eine der rätselhaftesten Größen, die es gibt. Entropie war damals ganz neu. Sie hat etwas mit der Unordnung eines Systems zu tun, mit dem Vorrat an Unregelmäßigkeiten, der in einem System steckt. Planck hat erkannt, dass da ein großes Problem besteht.
Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik besagt nämlich, dass die Entropie eines Systems – also sozusagen seine Unordnung – nur zunehmen kann, wenn nicht besondere Eigenschaften angewendet werden.
Sie kennen das alle von Ihrem Schreibtisch oder von einem Kinderzimmer. Sie können aufräumen, so oft Sie wollen, sobald darin gespielt wird, sobald darin gelebt wird, sobald darin etwas getan wird, wächst die Unordnung. Sie müssen sich ganz gezielt vornehmen, Ordnung zu schaffen, sonst klappt das nicht. Spontan nimmt nur die Unordnung zu.
Planck wollte wissen, wieso das der Fall ist. Was ist das Besondere, das diese Richtung der physikalischen Bewegung angibt? Er versuchte zu unterscheiden zwischen Prozessen, die umkehrbar ablaufen können – das sind sogenannte „reversible“ Prozesse – und Prozessen, die nicht umkehrbar ablaufen können – „irreversible“ Prozesse. Zu diesen Prozessen gehört zum Beispiel das Leben. Wenn Sie jetzt also wissen wollen, was die Physik mit dem Leben zu tun hat, müssen Sie nicht den ersten, sondern den zweiten Hauptsatz der Energie betrachten.
Planck war von diesem Phänomen, in dem Zeitlichkeit enthalten ist, fasziniert. Denn der zweite Hauptsatz besagt, dass Zeit nur in eine Richtung laufen kann. Nämlich so, dass die Entropie eines Systems, was immer das jetzt ist, zunimmt. Das war geheimnisvoll. Und was geheimnisvoll ist, muss faszinieren. Ich denke, Planck war von diesem Ausdruck, von diesem fantastischen Geheimnis, das in dem zweiten Hauptsatz steckt, fasziniert, Und es faszinierte ihn auch, dass es nicht kompliziert auszudrücken war. Auch der Energiesatz, der erste Hauptsatz der Thermodynamik, ist einfach zu beschreiben. Sie sagen einfach:
„Die Energie der Welt ist konstant und die Entropie der Welt nimmt zu, bis sie ein Maximum erreicht hat“.
„Heilige Grundsätze“ der Wissenschaft
Das waren ganz knappe Formulierungen, in denen sozusagen die Details der Welt gar nicht vorkommen. Da kommt kein Ball, kein Haus drin vor. Da kommt keine Wärmeleitung, keine Badewanne vor. Das gilt ganz allgemein. Das war für Planck etwas, was ihn immer gelockt hat. Dass ein grundlegendes Verständnis der Natur durch ein einfaches Prinzip, eine ganzheitliche, übersichtliche Darstellung ausgedrückt werden kann. Er sprach dann von „heiligen Grundsätzen“ der Wissenschaft.
Da taucht bei ihm das Wort „heilig“ auf. Der Energiesatz war ein heiliges Prinzip. Der zweite Hauptsatz war ein heiliger Grundsatz, an dem man operieren musste. Wenn man es so betrachtet, hat Planck Naturwissenschaft eigentlich als Religion betrieben. Nicht im Sinne eines „Ersatzes“, dass er, statt sich um Gott zu kümmern, um seine wissenschaftliche Wahrheit bemüht ist. Da ist gewissermaßen die Sehnsucht nach etwas Höherem, die Sehnsucht nach einem alles regierenden Prinzip, das ich versuchen möchte, zu formulieren. Er hat, glaube ich, Naturwissenschaft als Religion betrieben, so wie die großen Wissenschaftler vor ihm.
Keppler hat im 17. Jahrhundert ganz klar seine Astronomie als Gottesdienst empfunden. Sie müssen das wörtlich nehmen: Es ist ein Dienst an Gott, indem ich die Werke Gottes in seinen präzisen Planetenbahnen oder in den Gesetzen, die es gibt, zu erkennen versuche. Jetzt war Planck an einer ähnlichen Stelle. Er wollte die Naturwissenschaft als Erlebnis haben. „Erlebnis“ heißt, dass ich dabei ein Bewusstsein für eine höhere Macht bekomme. Nicht nur einfach eine Formel, die mir irgendein Experiment erklärt, sondern dass ich auch das Gefühl habe, ich gehöre durch diese Erkenntnis zu der Welt, die ich gerade erkannt habe.