4 Portraits (Pauli, Einstein, Planck und Heisenberg). Ernst Peter Fischer
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Max Planck ist eine der ganz großen Figuren der deutschen Geschichte. Er hat als Physiker im 19./20. Jahrhundert Großes geleistet, von dem wir heute alle profitieren. Leider wissen wir sehr wenig über Planck. Wir wissen vor allen Dingen sehr wenig von dem, was er gedacht hat – aber auch davon, was er geschrieben hat. Ich möchte versuchen, Ihnen das Werk Plancks näher zu bringen.
Triumph als tragische Erkenntnis
Sein Leben spielt sich ab zwischen Lieben und Leiden, seine Wissenschaft zwischen Triumph und Tragik. Was die Wissenschaft angeht, so hat er den wahrscheinlich größten Durchbruch geschafft, der einem Physiker gelingen kann: Er hat eine ganz neue Art der Physik auf die Beine gestellt und zwar genau im Jahre 1900, als er das berühmte „Quantum der Wirkung“ entdeckte. Diese Entdeckung führte zu einer völlig neuen Beschreibung der Natur, die ungeheure Konsequenzen hat, auf die ich noch eingehen werde.
Das Tragische daran ist, dass Planck seiner eigenen Entdeckung eigentlich selbst nie getraut hat. Er wollte sie sogar wieder verschwinden lassen. Er hatte nämlich herausgefunden, dass die Natur „Sprünge“ macht, dass es Unstetigkeiten gibt und dass mit den Energiesätzen, die in der Natur eine Rolle spielen, Probleme auftauchen. Das wollte er nicht. Er selbst hat seinen größten Triumph nur als tragische Erkenntnis über die Natur erleben können. Sein Leben lang war er unzufrieden mit dem, was er eigentlich geleistet hat.
Max Planck hat sich sehr früh in eine Frau verliebt, die er im Alter von 29 Jahren auch heiratete. Sie schenkte ihm vier Kinder. Das Tragische ist, dass sowohl seine Frau als auch alle seine vier Kinder vor ihm gestorben sind. Manche auf sehr dramatische Weise.
Physiker, Philosoph und Politiker
Planck war ein genialer Physiker, ein großer Philosoph und ein gründlicher Politiker. Er hat auf all diesen drei Gebieten Großes geleistet. Jedes Mal, wenn ich an sein Lebenswerk denke, habe ich das Gefühl, ich müsste mich vor ihm verneigen. Ich möchte Sie einladen, Max Planck näher kennen zu lernen, vor allen Dingen dadurch, dass wir seine eigenen Worte hören.
Planck hat sich bis kurz vor seinem Tode – er ist mit 89 Jahren gestorben – größten Mühen unterzogen, um Vorträge zu halten. Er wollte, dass die Menschen sein Denken kennen lernen. Er wollte, dass die Menschen etwas über die Wissenschaft erfahren. Er hat sich vor das Publikum gestellt und dabei wunderbare Texte entworfen, die sozusagen philosophierend über die neue Physik erzählen.
Leider werden diese Texte nicht gelesen. Sie werden von seinen Fach-Kollegen nicht gelesen, weil sich die mit Fachwissen beschäftigen. Sie werden von Philosophen nicht gelesen, weil Philosophen allgemeinverständliche Texte nicht lesen. Das ist sozusagen „unter ihrem Niveau“. Gerade bei Planck allerdings irren sie sich sehr.
Und sie werden vom Publikum nicht gelesen, weil sie kaum zugänglich sind oder nur in viel zu teuren Büchern.
Aber es lohnt sich, Planck kennen zu lernen. Er hat sich viele Gedanken über die Frage gemacht, wie man überhaupt Wissenschaft vermitteln kann. Er war Jahrzehnte lang der Meinung, dass Wissenschaft eigentlich überhaupt nicht populär sein kann. Denn wie soll man jemandem, der nie in einem Laboratorium gewesen ist, der sich nie die Mühe einer theoretischen Rechnung gemacht hat, erläutern, was da eigentlich passiert. Wie verzweifelt man in der wissenschaftlichen Vorgehensweise zuweilen ist.
Auch Planck glaubte nicht, dass es leicht ist, die exakte Sprache, die die Wissenschaft auszeichnet, in einer allgemein verständlichen Weise zu vermitteln. Wenn z.B. in der Physik von „Beweisen“ oder von „Nachweisen“ die Rede ist, dann sind das sehr präzis gemeinte Begriffe, die ganz bestimmte Regeln und Genauigkeiten enthalten, die natürlich im allgemeinen Sprachgebrauch verschwinden.
Was wird da nicht alles bewiesen. Auf was wird nicht alles hingewiesen. Wofür gibt es nicht alles Evidenzwerte im Allgemeinen, um uns zu verständigen. In der Wissenschaft ist das anders und deshalb ist es sehr, sehr schwierig, Wissenschaft zu vermitteln. Planck war der Meinung, dass Wissenschaft ihrem Wesen nach unpopulär ist. Aber die Wissenschaftler selbst sind natürlich nicht unpopulär. Er selbst wollte populär sein. Er wollte vor die Leute treten.
Er wollte den Menschen erklären, was er eigentlich macht, was er denkt und was dabei heraus kommt, wenn jemand wie er und seine Kollegen über Atome nachdenken. Wenn sie über Raum und Zeit nachdenken, wenn sie gewissermaßen das Weltbild entwerfen, auf dessen Basis sich dann unsere Gesellschaft weiter entwickelt und sogar auch wirtschaftliche Erfolge erzielen lassen.
Das alles ist bei Planck gegeben. Er durchlebte eine spannende Zeit der deutschen und europäischen Geschichte. Er ist einer jener Männer, die nicht nur einfach zwischen Lieben und Leiden, Triumph und Tragik, sondern überhaupt zwischen zwei Welten stehen. Er ist in der Mitte des 19. Jahrhunderts, genauer 1858, geboren, durchlebt gewissermaßen die Epoche der Kaiserzeit, ist ein fest überzeugter Anhänger der preußischen Staatsidee und stirbt 1947. Also hat er nicht nur den ersten, sondern auch den zweiten Weltkrieg erlebt.
Am Ende der grauenhaften nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, die sich zwischen diesen beiden Weltkriegen etabliert und die Weimarer Republik hinweggefegt hat, wird deutlich, welchen ungeheuren, widerspruchsvollen und katastrophenreichen Lebensweg Planck gegangen ist. Welche widerspruchsvollen Ereignisse sich im Hintergrund dieses großen Lebens abgespielt haben. Denn die entscheidende Station hat Planck genau in der Mitte seines Lebens erreicht. Im Jahr 1900, als er entdeckt, dass die herkömmliche Physik des vorangegangenen 19. Jahrhunderts, die er bewundert, wie kein anderer, eigentlich nicht hinreicht, um ein ganz einfaches Phänomen zu erklären.
Von der Beobachtung zum „Quantensprung“
Dieses einfache Phänomen besteht darin, dass man bei einem Körper, den man erhitzt, beobachten kann, wie er anfängt zu glühen und zu strahlen. Zum Beispiel, wenn Sie –viele kennen das noch aus ihrer eigenen Kindheit – einen Kohleofen haben und ein Stück Brikett.
Sie können aber auch an ein Stück Metall denken: Wenn Sie das Metall erhitzen, wird es zuerst nur warm und heiß. Dann aber fängt es an zu glühen. Zuerst glüht es rötlich, dann wird es gelblich, dann glüht es weiß und schließlich schmilzt es. Die Physik möchte erklären, wie die Wellenlänge des Lichtes, das von diesem erhitzten Körper ausgeht, mit der jeweiligen Temperatur, die dieser Körper hat, zusammenhängt.
Im 19. Jahrhundert war mit genauesten, vielfältig wiederholten Messungen festgestellt worden, dass es dafür ein allgemeines Gesetz geben musste. Die Strahlung ist unabhängig vom Material. Die Messkurve, welche die Temperatur und die Strahlung, die Lichtwellenlänge also, miteinander verbindet, ist vollkommen unabhängig davon, ob ich Eisen, Briketts oder irgendeinen anderen Körper verwende. Dahinter musste ein universales Gesetz versteckt sein.
Planck wollte dieses universale Gesetz entdecken. Er formulierte dazu im Jahre 1900 die merkwürdige Annahme, dass die Wechselwirkung zwischen dem Licht und der Materie nicht kontinuierlich stattfindet, sondern sprunghaft vor sich geht.
Das ist der berühmte „Quantensprung“: Materie, die erwärmt wird, kann Energie in Form von Licht nicht durch ein kontinuierliches Fließen abgeben, sondern nur sprunghaft.
„Quantensprung“ ist nicht „Quantensprung“
Der Begriff „Quantensprung“ wird heute inflationär benutzt. Zum Beispiel von Ökonomen, die auf irgendwelchen Aktionärsversammlungen behaupten, das Unternehmen stünde kurz vor einem „Quantensprung“. Daran sieht man wieder genau das Problem, das Planck immer angesprochen